Autor:in: Terpentine

Der Würfel

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Unser selbstfindender „Alltags-Pantoffel-Held“ nimmt uns mit (im ständigen Abgleich mit seinen „Außen“-Beobachtungen) auf eine Innenreise der sehr feinen, differenzierenden Art. Gerne folgen wir ihm durch einen spannenden Dschungel von Ängsten und Überraschungstreffern und Erkenntnissen. Er teilt seine anzunehmende Welt in Innen- und Außenaffinität und Gegenstandslosigkeit, Enttäuschungen und Erwartungen, um festzustellen, wie wundersam doch alles gefügt ist zu einem kommunikativen Kosmos, welcher auf jede Frage, die man stellt (oder auch verbirgt) eine Antwort bereithält – von Mensch zu Mensch.

Manchmal möchte ich einfach nicht reden. Dann muss ich mich erst mal fassen, und für mich selbst überlegen, mit wem ich rede. Für mich selbst überlegen, was eigentlich wirklich geschehen ist. Möchte ich überhaupt reden, oder tut es noch so weh, dass ich es erst mal für mich verarbeiten muss? Wem vertraue ich mein Innerstes an?

Vielleicht gibt mir jemand die Zeit!

Manchmal hab ich einfach gar keine Kraft, über das zu reden, was mich belastet. Dann bin ich erst mal so voller Traurigkeit, so voller Schmerz, so enttäuscht, dass es gar keine Worte gibt dafür! Obwohl man wohl reden sollte, -alle sagen das immer-, kann ich es trotzdem nicht. Es käme mir gar nicht in den Sinn, ausgerechnet jetzt zu reden. Mir ist einfach nicht danach. Nicht gleich sofort. Ich habe Angst, abermals zu zerschellen an einer harten Wand!
Vielleicht gibt mir jemand die Zeit!

Manchmal tut das Geschehene, so wie ich es erlebe, ein bisschen mehr weh als bei anderen! So scheint es! Es gibt Momente, da möchte ich aufgeben. Hab keine Kraft mehr. Hab nicht mal mehr Kraft Luft zu holen. Manchmal auch keine Lust mehr dazu. Vergesse Luft zu holen, um dann wieder danach zu schnappen!

Vielleicht gibt es jemanden, der mir Zeit dazu gibt!

Vielleicht kann jemand Körpersprache verstehen, vielleicht meine Körpersprache verstehen, hat die Vokabeln dazu gepaukt, ist so kompetent und liebevoll? Gibt es denn wirklich niemanden?

Manchmal empfinde ich womöglich etwas, das nicht jeder gleich versteht. Ich fühle mich unsagbar traurig, wenn ich morgens aufwache. Ich fühle so viel Angst, wenn ich morgens aufwache! Fühle mich so absolut untauglich! Aber darf ich das jemandem sagen, den ich bewundere? Darf ich es denjenigen sagen, die nur dazu da sind, mir zu helfen, nachdem sie so viel schon für mich getan haben? Ich käme mir undankbar vor.

Dass ich schwach bin, darf sowieso absolut niemals jemals jemand erfahren!!! Das wäre das aus!

Und leben wir nicht in einer Welt, in der es nicht interessiert, wer zugrunde geht, sondern nur, wer stark ist und Erfolg hat? Wie beim Putzen kommt es mir vor: putze ich immer schön jeden Dreck weg, dann wird er von niemandem mehr bemerkt, lasse ich ihn aber liegen, dann fragen alle, wie ungebührlich das wohl sei.

Es gibt Dinge, die passieren, die ich zunächst nur für mich verarbeiten muss. Ich schaue die Menschen um mich herum an, und ich verspüre nicht von jeder Person, dass sie mich sympathisch genug findet. Sympathisch genug dafür, dass ich sie jetzt mit meinen Problemen belasten könnte, ohne, dass es sie wirklich belastet. Und belasten möchte ich nun wirklich niemanden, in meiner Situation, das liegt mir fern, darf ich doch froh sein, dass ich noch hier bin!! Aber das ist nur das was ICH empfinde! Das lese ICH aus der Situation heraus. Deshalb muss es noch lange nicht Realität sein!

Dann wird von Betreuer: innen immer die Frage gestellt: warum hast du nichts gesagt? Du hättest jede Zeit mit uns reden können. Das weißt du doch!
Nein, das konnte ich eben zu diesem Zeitpunkt nicht!
Ich rede zu Euch, wenn ich in der Lage dazu bin, denn ich bin einer, der Hilfe sucht!

Manchmal strömt der Regen so stark, dass man seine eigenen Worte nicht mehr versteht! Ich könnte manchmal nicht mal benennen, was mir so weh tut. Ich kann es nicht zusammenfassen. Der Schmerz begleitet mich schon so lange, dass ich es selbst nicht mehr greifen und begreifen kann.

Manchmal sitze ich in einem Park, oder ich geh zufällig irgendwo entlang. Dann sehe ich Menschen, und ich begreife einfach nicht, was sie da tun. Und ich schau sie an als sähe ich ein Weltwunder, weil ich mir nicht erklären kann, ob sie es ebenfalls wie ich, aus der Not heraus tun, irgendwie überleben zu müssen, über den Tag zu kommen, oder ob sie davon überzeugt sind, dass das alles sei was sie jemals in der Lage sind erleben zu dürfen, oder finden sie sogar eine Erfüllung darin???

Warum sie so unnahbar wirken? Weil sie allesamt selbst so sind wie ich! Irgendwo müssen sie sich schützen. Ein jeder hat seine eigene unsichtbare, aber sehr wohl spürbare Wand aufgebaut. Man musste sich rüsten, um nicht noch mehr verletzt zu werden.

Oh! Wie oft sitze ich in meinem kleinen Kämmerlein, und frage mich, warum das so sein muss.

Aber es gibt auch Menschen, bei denen habe ich das Gefühl, dass sie voll im Stress stehen, doch sobald ich ernsthaft anfange, über mich zu reden, dann fangen ihre Augen an, heller zu werden, und ein wenig größer, und ich habe ihre volle Aufmerksamkeit. Ich merke außerdem an ihrer Körpersprache, dass ich weiterreden darf! Dass ich gar nicht aufhören sollte zu reden, weil es sie interessiert! Wenn man ein solches Glück findet im Leben, dann sollte man es meiner geringen Meinung nach festhalten, und nicht fahrlässig verlieren. Wenn man solche Menschen findet, dann hat man wahre Held: innen des Alltags gefunden!

Leider bestand das bisherige Leben immer nur aus Enttäuschungen, Verrat, Finten, Komplotts, Hinterlistigkeit, Neid, Hass, Intrigen! In einer solchen Welt kann kein Mensch wirklich leben auf Dauer! Auch du nicht, mein Freund!!!

Es macht mich einfach traurig, dass es so viele Menschen geben mag, zu denen ich ein guter, ein echter Freund sein könnte, wenn diese Barrieren nicht wären!

Ist es eine Frage von Bildung und Herkunft, mit wem wir reden? Besteht unsere Welt aus einem Rubik´s Cube? Funktioniert unser Denken wirklich viereckig? Ohne zu sehen, dass ein Würfel, wenn man ihn abnutzt, in Wirklichkeit mehr Seiten hat als die vorgegebenen sechs? Geschliffen von den oft schmerzhaften, oft freudigen, und sehr oft liebevollen Ereignissen während des „Spiels“?

Wenn wir also in der Stadt flanieren, könnte es da sein, dass wir Menschen am Straßenrand nicht mehr sehen, nur, weil es nicht in unseren Rubik´s Cube passt?

Natürlich müssen wir es uns relativ einfach machen, um uns überhaupt noch zurecht zu finden. Und solche vier Ecken, wie sie ein Würfel aufweist, wenn man ihn nur von einer Seite betrachtet, kommen uns dabei ganz gut entgegen. Aber gleichzeitig gebe ich jede Menge Glück auf, das ich ebenfalls empfinden könnte, wenn ich jemals in Kontakt träte mit Menschen, die mir vielleicht mehr geben könnten, als ich jemals im Stande wäre, ihnen geben zu können.

Wenn ich irgendwo entlanglaufe, und mir jemand entgegenkommt, ist es schon eine gewisse Kommunikation, die automatisch in Kraft tritt, auch, wenn diejenige Person mich am liebsten gar nicht sehen möchte, und mit allem was sie hat, und mit all ihrer Kraft, und aus vollem Herzen, mich beim Vorübergehen verachtet. Auch das ist Kommunikation!

Aus Bequemlichkeit und Komfort verzichte ich auf unbezahlbare Momente! Ich möchte sagen, ich verschwende etwas von meiner Lebensqualität, die ich eigentlich haben könnte, und die mir zusteht, und die mir eigentlich niemals jemand ernsthaft strittig machte. Ich selbst bin derjenige, der sie mir verweigert. Ich hab im Lotto schon längst gewonnen, aber ich schäme mich, den Tippschein abzugeben.

Kommunikation ist weit mehr, als der berühmte erste Eindruck. Kommunikation ist für mich, tief zu blicken. Für mich heißt Kommunikation, sich wirklich und ernsthaft mit einem Menschen zu beschäftigen, ohne es zu bemerken. Ich tue es einfach, weil es von ganz alleine läuft. Weil ich mich wohl dabei fühle. Weil ich in dem Moment lebe.

Manchmal mache ich was verkehrt bei der hübschen Kommunikation. Ich lebe dann in der Welt meines Gegenübers, ich tauche völlig in ihre/seine Welt ein, vergesse mich. Typisch für mich! Es geht schnell, sich da zu verlieren! Auch das ist ein Fehler, in die andere Richtung!

Kommunikation bedeutet auch, auf sich selbst zu achten. Stets mit sich selbst im Gespräch zu sein. Sich zu beobachten, aus einer anderen, erweiterten Sicht! Vielleicht von oben, oder von daneben.

Wir kommunizieren von Anfang an. Sobald wir geboren sind. Und wir hören bis wir sterben nicht mehr damit auf. Es ist nicht möglich, nicht zu kommunizieren, heißt ein berühmter Ausspruch und ein Axiom!

Es ist fantastisch! Selbst wenn ich allen Ernstes versuchte, nicht mehr zu kommunizieren (eine Idee, die mir schon so oft kam) würden alle anderen selbst dies schon wieder als eine Botschaft verstehen. Ich würde automatisch weiter kommunizieren, obwohl ich das nicht mal wollen würde.

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