Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) – ein Beitrag zur Lebenssicherheit und seelischen Gesundheit?
Dieser Frage hieß es in der Woche der seelischen Gesundheit und der 9. Internationalen Woche des Grundeinkommens nachzugehen.
Die Überschrift dieser Veranstaltung lautete:
Wenn auch das noch schiefgeht – Situationen, die unsere Existenz bedrohen (Arbeitsplatzverlust – Krankheit – Trennung. . . )
Diese gemeinsame Veranstaltung mit der DGSP (Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.) vertreten durch Herrn Prof. Dr. Peter Kruckenberg, der Initiative BGE.BEK (Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen – Initiative in der Bremischen Evangelischen Kirche) vertreten durch Herrn Dieter Berger und der Attac Gfa Bremen (Attac-AG „Genug für Alle“) vertreten durch Herrn Jörg Ackermann wollte dazu anregen, Lebensrisiken im Lichte der sozialpolitischen Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens zu betrachten. Der Einführungstext lautete wie folgt:
„Wenn Krisen, die jede und jeden treffen können oder schon getroffen haben, wenn Ängste um unsere wirtschaftliche Existenz uns so verunsichern, dass wir alles schlucken, dass wir für unsere Ideen nicht mehr kämpfen und uns nicht mehr gegen Zumutungen wehren wollen – brächte dann ein BGE mehr Lebenssicherheit und seelische Gesundheit?
Würden manche Risiken vielleicht erst gar nicht entstehen?
Welchen Einfluss haben dabei unterschiedliche Ausformungen eines Grundeinkommens?
Könnte z.B. ein Grundeinkommen für Kinder schon zu Verbesserungen des gesellschaftlichen Lebens führen?
Welche konkreten Vorschläge gibt es?“
Zu dieser Veranstaltung hatten sich ca. 40 Interessierte eingefunden. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde und zwei ‘Aufwärmspielen’ für alle, konnte es dann losgehen.
Das BGE soll als Antwort auf die Krise der Arbeitsgesellschaft gelten, die so definiert wurde:
• Überversorgung von vielen gut ausgebildeten Menschen und immer weniger Arbeitsplätze
• Vollbeschäftigung nur noch eine Illusion
• die technische Entwicklung und Automatisierung nimmt immer mehr Arbeitsplätze
Die Idee „Arbeit“ verliere immer mehr an Bedeutung. Auf die Frage „Was würdest du machen, wenn du ein gesichertes Einkommen hättest (also für Miete, zum Leben und ein wenig Teilhabe.), würden die wenigsten sagen, dass sie dann gar nicht mehr „arbeiten“ wollen würden, sondern eher, dass sie dann
mehr Dinge tun wollen würden, ohne Druck. Eine Arbeit, die ihnen liegen würde…. sich mehr ehrenamtlich engagieren würden. Es würde dazu führen, dass
• Eigeninitiative
• Selbstverwirklichung
• Kreativität
viel mehr gefördert werden könnte/würde bei jedem Einzelnen und dadurch auch der Wirtschaft vielmehr zu Gute kommen würde.
Wo kommt die Idee des Grundeinkommens her? Schon 1796 hatte der Engländer Thomas Spence erstmals in „Die Rechte der Kinder“ diese Idee naturrechtlich begründet. Die Einführung des
Grundeinkommens sollte Armut beseitigen. Sie ging einher u.a. mit Enteignung der adligen Großgrundbesitzer. Im 19. Jahrhundert propagierten Charles Fourier und sein Schüler Victor Considérant das Grundeinkommen……
Grundeinkommen und das Recht auf eine frei gewählte Arbeit, beides Menschenrechte, gehörten für sie zusammen. Im 20. Jahrhundert setzten sich Erich Fromm und Andrè Gorz für das Grundeinkommen ein.
Es gab einen 11-minütigen Film mit dem Titel “Arbeitskrise und Grundeinkommen” aus dem Jahre 2012 von Jochen Isensee zu sehen, der sehr aufschlussreich und interessant war. Wer Lust hat, sich den anzuschauen, findet diesen unter:
http://www.youtube.com/watch?v=wZWPK81oYec
Auf die Frage, ob dieses Prinzip schon irgendwo praktiziert würde, erklärte Herr Ackermann, dass es Ansätze gebe…
• In den Niederlanden gäbe es eine Grundrente in Höhe von 1200 €, wenn man 50 Jahre in den Niederlanden gelebt hat.
• Ein teilweises Grundeinkommen soll es in Alaska geben. Dort bekäme jeder Bürger 200 Dollar.
• Und in Namibia gab es ein Pilotprojekt organisiert durch Kirche, AIDS-Hilfe und verschiedener anderer Organisationen – da bekam jeder mtl. 100 Namibia-Dollar (umgerechnet 10 €). Dies soll durchaus positiv gewertet worden sein.
Man solle den jetzigen Sozialstaat nicht austauschen. Das BGE muss eine gewisse Höhe haben, damit der Mensch nicht genötigt wird, arbeiten gehen zu müssen.
Gibt es eine sinnvolle Basis? Die Basis, d.h. die Höhe des BGE ist umstritten, von 1000 – 1200 € mtl. ist die Rede!
Wie ist das finanzierbar? Es gibt nicht das eine Modell. Man stellt sich vor, dass es sich über Gesetze und Steuern reguliert und dass die Reichen abgeben müssen, dies aber ginge nur mit Druck von unten.
Die These: anstatt Parteien, solle man lieber Interessengemeinschaften gründen. Diese müsse soziale Gerechtigkeit schaffen. Je unzufriedener die Menschen, umso agressiver würden diese. Ängste vor z.B. atomarer Bedrohung und Terror machten es nicht besser. Außerdem müsse darauf geachtet werden, dass die Menschen alle gleichermaßen an Bildung und Gesundheit partizipieren. Welche Parteien greifen dieses Thema auf, insbesondere hier in Bremen? Es wird wohl in allen Parteien diskutiert. Am kritischsten dagegen sei, lt. Herrn Ackermann, eher die SPD, weil es für eine Leistung keine Gegenleistung geben würde.
Wünschenswert wäre den Organisatoren dieser Veranstaltung eine mittel- bis langfristige Einführung des BGE. Allerdings, wie schon erwähnt, gibt es verschiedene Modelle, die angeblich auch schon durchgerechnet sein sollen. Welches es denn sein könnte, darüber ist noch nicht mal Klarheit (Wen einzelne Fragestellungen und eventuelle Finanzierbarkeit mit Rechenmodell interessieren, kann die Broschüre „Unser Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens – finanzierbar – emanzipatorisch
– gemeinwohlfördernd“ von der Bundesgemeinschaft Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE, www.die-linke-grundeinkommen.de, anfordern.). Herr Kruckenberg wies nochmal eindringlich auf die Sinnhaftigkeit und Verlässlichkeit des neuen Systems hin – es dürfe keinen radikalen Umbau der bestehenden Sozialsysteme geben. Das BGE wäre ein Kulturbruch, erläuterte Herr Ackermann, da Arbeit und Einkommen immer miteinander verbunden seien.
Nach ca. 45 Minuten gab es dann eine wohlverdiente Pause von zehn Minuten.
Bei Beginn der zweiten Hälfte dieser Veranstaltung waren mittlerweile mindestens zehn Personen gegangen. Als erstes wurde auf den nächsten Filmbeitrag kurz eingegangen, dort kam Dr. Martin Hafen von der Hochschule für Soziale Arbeit in Luzern zu Wort. Er sagte u. a., dass die Menschen schon in der Schule auf die Erwerbsarbeit vorbereitet würden und nicht fürs Leben. Es gebe nicht genug Arbeit für alle, dies wiederum mache die Menschen krank, weil keine sozialen Bindungen/Kontakte entstehen könnten. Dieser Filmbeitrag ist aus dem Jahr 2007 und sehr sehenswert! Wen es interessiert: “Grundeinkommen und Gesundheit”, ca. acht Min. lang und im Internet zu finden unter:
http://www.youtube.com/watch?v=DRLzdmnZUm8
Die Sorge, dass es niemanden mehr geben wird, der überhaupt noch arbeiten gehen wollen würde, wurde damit entkräftet, dass es zum einen eine Umfrage (siehe oben) gegeben haben soll und zum anderen, dass es schon immer Menschen (auch in Zeiten der sogenannten Vollbeschäftigung) gegeben hat, die nicht arbeiten wollten, diese Zahl scheint aber sehr gering zu sein. Es wurde wieder betont, dass sich viel mehr Leute fürs Ehrenamt finden lassen würden, wenn diese nicht mehr auf ein bestimmtes Einkommen angewiesen seien, welches sie mit Arbeit erwirtschaften müssten.
Erpressungen würden ausbleiben: z.B. Job-Center kann keinen Druck mehr ausüben, indem man gezwungen wird, bestimmte Arbeiten machen zu müssen oder Verträge abzuschließen, wieviel Bewerbungen man zu schreiben hat etc. Oder der Arbeitgeber kann keine unwürdigen Arbeiten mehr anordnen, wenn man keine Angst mehr vor Entlassung und damit vor finanziellen Einbußen hat. Wie könnte die Einführung des BGE in Deutschland aussehen? Zitat aus der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Grundeinkommen:
„Das Grundeinkommen kann schrittweise eingeführt werden. Mögliche Stufen wären eine eigenständige Grundsicherung für alle Kinder und Jugendlichen in Höhe von 540 €, eine elternunabhängige und nicht rückzahlbare Absicherung für Schüler und Studierende einschließlich Auszubildender in nichtvergüteter Ausbildung ab 16 Jahren in Höhe von 1080 € monatlich (Bildungsgeld bzw. Studienhonorar), eine bedingungslose Grundabsicherung als Lohnausgleich von mindestens 1080 € und von maximal 1800 € für Menschen, die eine berufliche Auszeit nehmen, sowie eine bedingungslose Grundrente für alle im Rentenalter in Höhe von 1080€. Die genannten Transfers können zu späterer Zeit zu einem Grundeinkommen für alle zusammengefasst werden.“
Alles in allem eine sehr interessante Veranstaltung, wer in die Tiefe gehen möchte, der findet anschließend einige Links. Die Eingangsfrage würde ich mit Ja beantworten wollen. Ich finde, dass das BGE eine gute Maßnahme wäre, den Menschen zu einem zufriedenerem Leben zu führen und somit auch sowohl der physischen als auch der psychischen Gesundheit förderlich wäre.
Auf eine besondere Veranstaltung über das BGE in der Friedensgemeinde vom 25.10.2016 möchte ich verweisen. Die Jobcenter-Expertin Inge Hannemann war zu Gast. Die zweistündige Aufzeichnung ist zu finden unter:
http://www.youtube.com/watch?v=BulLzod03FU
Und zu guter Letzt möchte ich gern zitieren, was Erich Fromm (humanistischer und demokratischer Sozialist) zu Grundeinkommen und Menschenrechten gesagt hat:
„Das garantierte Grundeinkommen würde nicht nur aus dem Schlagwort ‘Freiheit’ eine Realität machen, es würde auch ein tief in der religiösen und humanistischen Tradition des Westens verwurzeltes Prinzip bestätigen, daß der Mensch unter allen Umständen das Recht hat zu leben. Dieses Recht auf Leben, Nahrung und Unterkunft, auf medizinische Versorgung, Bildung usw. ist ein dem Menschen angeborenes Recht, das unter keinen Umständen eingeschränkt werden darf, nicht einmal im Hinblick darauf, ob der Betreffende für die Gesellschaft ‘von Nutzen’ ist.“
[aus: Psychologische Aspekte zur Frage eines garantierten Einkommens für alle,
in: Erich Fromm: Gesamtausgabe in 12 Bänden, Band V, München 1999 (1966):310]
Aktuelles zum BGE
Die Diskussion um das Bedingungslose Grundeinkommen hat in letzter Zeit an Fahrt zugenommen. Finnland testet das BGE mit zufällig ausgewählten 2000 Arbeitslosen.
Es hat sich die Ein-Themen-Partei „Bündnis Grundeinkommen“ gegründet, seit
Januar mit einem Bremer Landesverband. Und der bekannte (eigentlich eher konservative) Ökonom Thomas Straubhaar (bis 2014 Leiter des Hamburger Weltwirtschaftsinstitutes) spricht sich im Weser-Kurier vom 13. Februar 2017 eindeutig für die Einführung des BGE aus.
weitere Informationen zum Thema:
www.grundeinkommen.de
www.grundeinkommen-attac-bremen.de
www.woche-des-grundeinkommens.eu
www.gewerkschafterdialog-grundeinkommen.de
www.archiv-grundeinkommen.de
www.basicincome.org/bien
www.ubie.org/