Autor:in: Volker Althoff

Barrieren für ein freies und selbstbestimmtes Leben überwinden

0 Kommentare

In dem Dokumentarfilm “Zum Teufel mit den Barrieren” von Jürgen J. Köster und Elizabeth Dinh
berichten die Mitwirkenden anschaulich über räumliche, geistige, psychische, körperliche und/oder soziale Barrieren. Es sind Barrieren, die Menschen daran hindern, ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen. Diese Barrieren können, je nach Intensität, zu einer kompletten Isolation führen und Gefühle und Wissen blockieren. Das kann Folgeerkrankungen, wie beispielsweise Depressionen auslösen.“Wir haben den Protagonist:innen drei Fragen gestellt: ‘Wie habt ihr es früher mit den Barrieren erlebt?’, ‘Wie erlebt ihr es gegenwärtig?’ und ‘Welche Zukunftswünsche habt ihr?’, beschreibt Jürgen J. Köster, Filmemacher, den Inhalt. Er und die Regisseurin sowie Drehbuchautorin Elizabeth Dinh wollten verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen – ob geistig behindert, körperlich oder psychisch beeinträchtigt – zusammenbringen.

So erzählt zum Beispiel Francis Tobias Luce, dass sie aus der Religionsgemeinschaft Zeugen Jehovas ausgestiegen ist und dadurch so traumatisiert worden ist, dass sie schließlich psychisch erkrankte. Sie hat fast ihre Wohnung verloren und ist in eine Psychose abgerutscht. “Ich wäre beinahe auf der Straße gelandet”, sagt sie in dem Film. Die schlimmste Barriere, die sie damals erlebt habe, sei die fehlende Akzeptanz von der Gesellschaft gewesen, beim Versuch wieder in ein gesundes Leben zurückzukehren.
Sie habe festgestellt, dass ihre Beeinträchtigung Menschen daran hindert, Kontakt zu bekommen,
sagt sie im ZWIELICHT- Interview. “Ich war lange isoliert.” Sie denkt, dass das soziale Miteinander häufig eingeschränkt ist, wenn jemand eine Beeinträchtigung hat. “Andere Menschen wissen nicht, was darunter zu verstehen ist. Sie können das nicht einordnen und wissen nicht, worum es sich handelt. Und dadurch entstehen gedankliche Barrieren”, sagt sie. Ihre Hoffnung
ist, dass viele Menschen mit dem Film erreicht werden. “Ich wünsche mir, dass einige Menschen zum Nachdenken kommen, und dass die Gesellschaft merkt, sich mit den Themen auseinanderzusetzen.”

Florian Grams erzählt in dem Film, dass seine Behinderung während der Geburt entstanden ist: “
Durch einen Sauerstoffmangel und dadurch ist ein Gehirnschaden entstanden, was sich auf den
Bewegungsapparat niedergeschlagen hat.” Er sei auf der Straße angesprochen worden, wobei ihm
erzählt worden sei, dass sein Leben ganz traurig sei. Dann habe man ihm Geld zugesteckt. Er hat
dann gemerkt, dass es erst mal gar nicht stimmt, dass sein Leben so schlecht und traurig sei. “Daran habe ich erfahren, wie ein nicht geringer Teil von Menschen Behinderung wahrnimmt und das habe ich als sehr anstrengend empfunden.”
Grams findet es ganz wichtig, dass Inklusion das genaue Gegenteil von Ausgrenzung ist, betont er im Interview mit dem ZWIELICHT. “Ein gemeinsames Leben, eine gemeinsame Gesellschaft zu gestalten, in der eben kein Mensch ausgegrenzt wird – weder Menschen mit Behinderungen noch Menschen mit einer anderen Herkunft – das ist ganz wichtig.” Seine Hoffnung durch den Film ist: “ Die Menschen, die den Beitrag sehen, sollen merken, dass Ausgrenzung nicht passieren darf. Sie sollen ihr eigenes Handeln so verändern, dass sie nicht mehr ausgrenzen und/oder dass sie gemeinsam mit anderen aktiv werden, um gesellschaftliche Ausgrenzung zu bekämpfen.”

Bianca Bräulich, Dozentin und Sozialarbeiterin, ist Autistin und wurde in der Schule und auch in der Freizeit von anderen ausgegrenzt. “Es fing damit an, dass meine Eltern bei einem üblichen
Intelligenztest, der bei Vorschulkindern gemacht wird, gemeint wurde, dass ich eigentlich auf eine Förderschule gehen muss und nicht auf eine Regelschule passe, was meine Eltern zum Glück nicht umgesetzt haben. Sie haben sich dann dafür entschieden, dass ich doch auf eine Regelschule gehe, allerdings, weil ich eben nonverbal und auch verbal und in meiner sozialen Interaktion insgesamt sehr auffällig und sehr stark beeinträchtigt war”, erzählt sie im Dokumentarfilm. Das habe dazu geführt, dass sie massiv gemobbt wurde, nicht das Verständnis von Lehrkräften erhalten habe und oft der Fehler bei ihr gesucht wurde. Zudem konnte sie sich in ihrer Freizeit nicht entfalten, hatte keine oder kaum Freund:innen und keine langfristigen Freundschaften wie andere Kinder.
Ihr fällt auf, dass gerade Menschen mit geistigen, psychischen oder autistischen Beeinträchtigungen es schwer haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. “Es ist schwer, eine Wohnung zu bekommen, die Unterstützung, die man braucht. Und die Behörden arbeiten sehr langsam. Es ist immer ein Kampf. Wenn man nicht die Leute hat, die einen unterstützen, geht das manchmal nach hinten los und man schafft es alleine gar nicht, obwohl man eigentlich ein Recht darauf hätte.”

Jürgen J. Köster beobachtet in seinem Film, dass die Menschen mit Beeinträchtigungen nicht als
Opfer, sondern als Kämpfer wahrgenommen werden. “Sie sagen, ‘ich kann nichts dafür, dass ich die eine oder andere Einschränkung habe’”, erklärt er. Durch die verschiedenen Geschichten der
Protagonist:innen sollen die Barrieren und Hemmungen abgebaut werden.

Die Regisseurin Elizabeth Dinh fand es sehr schön, den Protagonist:innen bei den Dreharbeiten
zuzuhören: “Sie haben sich geöffnet und waren sehr emotional. Es ist nicht selbstverständlich, dass man sich so öffnet.”

Dr. Arne Frankenstein, Landesbehindertenbeauftragter der Freien Hansestadt Bremen, merkt im Film an, dass die Vorstellungen und Überlegungen, wie man eine gleichberechtigte, inklusive Gesellschaft gestaltet davon abhängen, wie die Behindertenbewegung angefangen hat und das jetzt teilweise dann auch ein einfaches Recht daraus geworden sei und rechtlich verbindlich geworden sei. Er gibt aber auch zu bedenken: “ Die Gesellschaft hat häufig noch die Haltung, die sich verfestigt hat, dass behinderte Menschen, zum Beispiel in Sondereinrichtungen leben, dass sie in großen Einrichtungen wohnen, dass sie in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten, wenn sie beispielsweise eine kognitive oder psychische Beeinträchtigung haben.” Es sei eine Daueraufgabe, die immer wieder zu bearbeiten ist, eine gesellschaftliche Vorstellung davon zu ändern, fordert Frankenstein.

Den Film gibt es als DVD bei den Compagnons – cooperative inklusiver Film – für 10 Euro zu kaufen. Mehr Informationen gibt es unter www.compagnons-film.com

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert