Es ist der 26. Tag auf offener See, immer noch kein Land in Sicht. Der Wind ist seit 2 Tagen still und uns gehen die Vorräte aus. Essen reicht noch für drei Tage. Wenn wir nicht bald auf Land treffen, werden wir das neue Jahr nicht erleben. Die Luft hier draußen bereitet mir merkwürdige Gefühle. Die Träume tauchen in Finsternis und Blut, das lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Verzweifelte Gesichter, die mich umgeben und Blicke, die ihr Ende betrachten, weit ab von jeder Hoffnung. Als Kapitän war es nie meine Bestimmung, diese Leute zu bestatten, noch ihre Kinder und Frauen allein zurückzulassen. Wenn ich meine Herzensdame nicht in Erinnerung hätte, dann wäre ich nicht standhaft in dieser Lage. Oh Herr, oh du Märtyrer, halte Verzweiflung von uns fern und schenke uns Hoffnung, wo es Hoffnung gibt, in deinen Händen sind wir hier und mit deinen Händen kehren wir heim. Zu denen, die wir lieben und zu denen, die auf uns warten und zu denen, die wir zurückließen.
Ich erinnere mich jede Nacht an den Tag als ich sie traf, die Frau, die mir sogar mit ihrer Abwesenheit Kraft schenkt und in tiefster Dunkelheit mich lächeln lässt. Ich ging mit meinen gerade erlangten Seekadettenabzeichen in die Schänke, um mit meinen Kameraden zu feiern. Ohne eine Erwartung oder einen Gedanken an eine Frau saß ich da. Ich trank, ich lachte und schwang das Tanzbein. Laut war die Schenke, und laut waren wir, und jeder machte mit, bis auf eine Frau. Sie saß einfach da, in edler Sitzhaltung, mit erhabener Ausstrahlung, stolzen Blickes und ehrwürdigen Hauptes. Einmal tief Luft geholt ging ich zu ihr rüber. Ich holte einen Zettel raus und schrieb darauf „Welchen Stern soll ich dir vom Himmel holen?“. Als sie lächelte, reichte ich ihr nur meine Hand und sagte „Ich bin Jake… Jake Robinson.“ Ein Flimmern in ihren Augen und ein Lächeln, ein kurzes Zögern und dann schüttelte sie mir die Hand „Diana… Diana Robinson“. Ich schmunzelte, tat aber unwissend, „Ist nicht wahr, du heißt auch Robinson?“ – „Noch nicht. Wer weiß schon was auf uns wartet“ sagte sie mit einem Lächeln. Ich lächelte und fragte sie, ob ich ihr einen Drink spendieren dürfte. Die laute Schänke kam mir nicht mehr so laut vor. Es war, als würde ich nur noch ihr lauschen, und sie mir. An jenem Abend brachte ich sie noch nach Hause, verbeugte mich wie es üblich war und ging heim. Am nächsten Tag und die Tage darauf traf ich sie immer wieder, wir lachten, wir sangen und wir nahmen uns in den Arm. Einmal stieg ich zu ihrem Fenster hoch, um ihr einen Kuss zu geben. Nur damit ich draußen im oberen Stock vor dem Fenster bin und sie drin. Eine Geste, die sie Jahre später noch wertschätzte. Jedes Lachen und jedes Lächeln von ihr ist mir in mein Herz gebrannt, so tief, dass auch unsere Lage mich abends schmunzeln lässt.
Vor meiner Abreise nahm sie mich in den Arm und sagte „lass mich deine Wärme nicht zu lange vermissen.“ Und ich schwor mir und ich schwöre mir, das werde ich nicht! Ich werde zu ihr zurückkehren und ich werde sie wieder in den Arm nehmen. Nichts wird mich davon abbringen, keine raue See, kein Hunger, kein Leid und kein Versagen. Nicht einmal die Zeit selbst. Und wenn ich den Ozean verschlingen muss und die Erde wenden muss und den Himmel legen muss und den Wind mächtigen muss, ich schwöre bei allem, was dem Märtyrer heilig ist, ich werde zurückkehren.