In den letzten Jahren hat sich einiges verändert. Die Notwendigkeit von Beratung und Hilfestellung für Menschen in seelischen Belastungssituationen und mit psychischen Erkrankungen wird nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand benannt, sondern ist in unserer Gesellschaft seit längerem aus der Schublade der Tabuthemen genommen worden. Die Möglichkeiten der verschiedenen Formen der Unterstützung sind bestimmt noch längst nicht genug ausgebaut, doch Menschen, die in diesen Bereichen tätig sind, tun ihr Bestes, um den Anforderungen dieser verantwortungsvollen Arbeit gerecht zu werden. Nicht erst seit Corona- Zeiten gibt es neben telefonischer Beratung auch die Möglichkeit, online Hilfe zu suchen. So berichtet ein Kollege in seinem Artikel über ein vom Bundesministerium für Gesundheit gefördertes Pilotprojekt: OBEON.
Auch ich bin Betroffene. Seit 13 Jahren führe ich eine Klage auf Entschädigung nach OEG (Opferentschädigungsgesetz) wegen Kindesmissbrauch. Im August letzten Jahres musste ich in diesem Zusammenhang eine Verhandlung vor dem Landessozialgericht führen. Nach Bewältigung dieser schwierigen Situation fühlte ich mich wie gelähmt. Zeitgleich schrieb der Kollege den Bericht über OBEON. Bis jetzt hatte ich in Krisensituationen noch keinen Online-Kontakt genutzt, aber offenes Reden oder telefonieren waren mir zu der Zeit kaum möglich. Nach durchwachten Nächten und gefühlter Isolation setzte ich mich an den PC, suchte etwas länger nach Kontaktdaten von OBEON und füllte dort ein Formular aus mit Anliegen und Bitte um Unterstützung. So hatte ich meine lähmende Angst erst einmal überwinden und in Handlung gehen können. Ich bekam zeitnah einen Rückruf aus Dresden, was mich erstaunte. Das war aus dem Bericht nicht ersichtlich gewesen. Die Frage, warum ich aus Bremen diesen Dienst in Anspruch nehme, erklärte ich mit dem Verweis auf das bundesweit nutzbare Projekt. Nach Beratung der Kontaktpersonen dort untereinander verabredeten wir einen ausführlichen Gesprächstermin. Bei diesem konnte ich meine Not und momentane Handlungsunfähigkeit bzw. Ratlosigkeit nochmals gut erklären. Am Ende bat die Kontaktperson Frau P. um ein weiteres Gespräch, sie wollte sich dafür vorbereiten und nach Hilfsmöglichkeiten suchen. So erlebte ich auch das nächste Telefonat. Frau P. benannte einiges und wir suchten gemeinsam nach Lösungen. Am Ende wies sie darauf hin, dass sie gerne Rückmeldung lesen würde und ich mich jederzeit per Mail melden kann, falls sprechen nicht möglich ist.
Lösung für meine Situation war am Ende nicht eine der Möglichkeiten, die wir besprochen hatten. Aber ich war ins Handeln gegangen. Dies half mir im Endeffekt, die wieder größer gewordenen Ängste soweit zu überwinden, dass ich hier vor Ort weitermachen konnte. Meine Rechtsberatung hatte mir weitere Unterstützung versagt. Nach den Gesprächen mit OBEON gelang es mir, neuen Rechtsbeistand zu finden, denn der Prozess ist nicht zu Ende. Der Gedanke an den weiteren Weg in dieser Rechtssache lässt mich nicht lächeln. Aber in meiner damals fast lebensbedrohlichen Notsituation so kompetent Hilfe bekommen zu haben, macht mir noch im Nachhinein das Weiterleben leichter.
Nicht alle Menschen haben die Möglichkeit, einen Weg über Online-Hilfe zu nutzen. Nicht jeder kann mit den Medien so umgehen, wie ich es mir erarbeitet habe. Ich wünsche uns betroffenen Menschen mehr und niederschwellige kompetente Hilfsmöglichkeiten.