Autor:in: Sarah Hulmes

Frühlingserwachen

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Die Sonne schien durch die geschlossenen Lamellen der Jalousie an seinem Fenster. Es war schon weit nach Mittag, doch er konnte sich an diesem Tag einfach nicht aufraffen aufzustehen. Sein Wecker klingelte zum dritten Mal, nachdem er ihn die anderen zwei Male auf Snooze gestellt hatte. Gut, dass es Wochenende war, denn sonst wäre sein Vater wahrscheinlich in sein Zimmer gestürmt und hätte das Fenster aufgerissen, damit er aufstand und zur Schule ging. Aber so kümmerte sich niemand darum, ob er länger schlief oder aufstand und das obwohl er eigentlich so viel geplant hatte. Er wollte sein Zimmer aufräumen, hatte sich zum Skaten mit Freunden verabredet und wollte seinem jüngeren Bruder eigentlich noch bei einem Schulprojekt helfen. Doch diese verdammte Depression hatte ihn wieder in ihren Fängen.

Wie oft hatte er versucht, da raus zu kommen und wie oft war er gescheitert? Inzwischen wusste sein Umfeld immerhin davon und der Arzt verschrieb ihm Tabletten, die seine Stimmung heben und mehr Antrieb geben sollten. An und für sich taten sie das auch, aber es gab Tage an denen er wieder einbrach und sich fragte, warum er nicht wie ein normaler Mensch funktionieren konnte. Leute die keine Ahnung hatten, wie Depressionen sich anfühlten, sagten ihm oft Dinge wie: „Dann hör doch einfach auf traurig zu sein.“ oder „Steh einfach auf und mach was dagegen.“ Aber so verdammt einfach wie die sich das vorstellten, war das eben nicht. Das Aufstehen an sich war schon so schwer, dass es sich anfühlte, als würde er die gesamte Last der Welt auf seinen Schultern tragen.

Draußen zwitscherten Vögel und er hörte das Lachen der Nachbarskinder. Aber sich die Decke über den Kopf ziehen, fühlte sich gerade einfach richtig an. Richtig und vor allem sicher! Keiner stellte dumme Fragen oder guckte ihn blöd an, wenn er in seinem Bett lag. Niemand machte sich ein Bild von ihm, welches ja wahrscheinlich doch das falsche war und er musste niemandem erklären, warum er so drauf war. Eigentlich ging das ja auch niemanden etwas an und verstehen taten es die meisten Menschen dann auch nicht. Jedenfalls war das, was er sich dachte.

Sein Handy begann zu klingeln und er hörte schon am Klingelton, dass es seine Freundin war. Verdammt, was wollte die denn jetzt? Konnten ihn nicht einfach alle in Ruhe lassen!? Als das Handy verstummte, atmete er erleichtert auf und schloss die Augen wieder. Diese verdammte Müdigkeit hing über ihm wie ein Schleier und allein der Gedanke daran, dass er aufstehen sollte machte ihn noch müder.

Es klopfte an der Tür und automatisch zog er die Decke noch etwas höher, so als wenn er sich damit vor der Person davor verstecken könnte.

Er hörte Schritte und merkte, wie sich jemand auf die Bettkante setzte und ihm, durch die Decke, über den Rücken streichelte. „Hey, hast du Hunger?“, ertönte die Stimme seines Vaters und er bewegte sich, so dass er die Hand abschütteln konnte, was wahrscheinlich schon Antwort genug war. Doch das schien seinen Vater nicht zu interessieren. „Hör zu, du musst etwas essen und draußen scheint die Sonne! Alle warten unten auf dich.“ Die Stimme seines Vaters war sanft und doch bohrte sie sich wie ein spitzer Pfeil in seinen Kopf. Etwas in ihm wollte schreien, dass er gehen und ihn in Ruhe lassen sollte, doch irgendwie kam kein Wort über seine Lippen.

Ein leises und verzweifeltes Seufzen durchdrang den Raum und für einen kurzen Augenblick schien es, als hätte er gewonnen und sein Vater würde den Rückzug antreten. Doch leider hatte er sich zu früh gefreut. Sein Vater blieb einfach sitzen und strich ihm weiter über den Rücken, der wie sein gesamter Oberkörper immer noch unter der Decke lag. Und irgendwie fing das an, gut zu tun.

Es dauerte noch ein paar Minuten, bis er sich endlich bewegte und unter der Decke hervorkroch.

„Meinst du, die anderen warten noch?“, fragte er und sein Vater lächelte etwas und strich ihm die dunklen Haare nach hinten, die wirr ins Gesicht hingen. „Ja, sie warten noch und es gibt dein Lieblingsessen.“ Die Stimme seines Vaters war ruhig und er schwang die Beine aus dem Bett. „Ich warte unten, okay? Und wenn du willst kann ich Dr. Martin anrufen!“, sagte sein Vater und der Name seines Psychologen wurde erwähnt. „Ja, das wäre gut.“ Seine Stimme hatte immer noch einen leicht verzweifelten Ton, doch er atmete tief durch und sah zur Tür. „Dad?“, fragte er und sein Vater, der schon fast auf dem Weg nach unten war, steckte seinen Kopf wieder zur Tür herein und sah ihn fragend an. „Danke“, sagte er mit einem Lächeln, welches sein Vater erwiderte.

Diese Geduld und auch dass der Ältere nicht weggegangen war, zeigten ihm wieder, dass er nicht alleine war und auch, dass ihm Hilfe angeboten wurde, wenn man merkte, dass er wieder in einer Phase steckte.

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