Wie bist du als Kind Gewalt in der eigenen Familie begegnet?
Ich war ihr ausgeliefert. Ich fühlte mich klein und hilflos. – Und litt außerordentlich daran. Die Großen haben das nicht beachtet. Oder nicht gesehen. Oder auch nicht verstanden, was meine Zeichen bedeuten könnten. Sie haben sich hingegen mächtig gefühlt, da sie ein Wesen neben sich hatten, das gefügig war. – Von ihnen zur Gefügigkeit gestaltet.
Meine Überlebensstrategie musste den Bedingungen entsprechend passend sein, um bestehen zu bleiben. Schmerz der Strafe und Angst vor einer erneuten Bestrafung bereiteten die Zwangslage. Je nachgiebiger und angepasster ich reagierte, desto bequemer war das für die Großen, ihre Strategie fortzusetzen. Für meinen Gehorsam erntete ich jedes Mal ein schwulstiges Lob: sie wollten doch aus mir einen guten Menschen machen.
Ich habe nie alternative Umgangsformen mit Kindern erfahren, darum habe ich vor, der mitbekommenen Lebenslüge lebenslänglich zu glauben. Ich behalte das Kind von den mich erzogenen Personen bei mir, solang es mich lebt. Das Kind hat seine Kleider nicht gewechselt. Es leidet durch die längst zu kleine Größe eingeschränkt, wie man es an meinem Alter und Körperausmaß wahrnimmt. Auf diese Art und Weise repräsentieren ich und das Kind, der Umwelt, von welchem Familienstamm und aus welchem Bezugspersonenkreis wir kommen. So sehen mindestens unsere Mitmenschen, was sich in der Familie abgespielt hat, wie unsere Wurzeln waren. Genau das, was die Großen so bemüht waren, im Privaten verborgen aufzuheben.
Wir haben Angst davor, die stolze Dopplung an weitere zu verteilen. Wir haben den Konsens erreicht, keine festen Beziehungen einzugehen, uns davor zu hüten, Kinder zu bekommen oder mit Kindern und jungen Menschen, die sehr empfänglich für Prägungen in Beziehungen sind, zusammen zu sein. Unsere eigene Art behalten wir den Großen vor. Alle von ihnen sind wie wir: das Denken und das Kind. Zusammen lästern wir über die gesellschaftlichen Mängel, die solche menschlichen Verhältnisse aufrecht erhalten. Andere Große verstehen mich nicht, warum ich das Kind bei mir wahre. Sie nennen mich wie die Mediziner es gern haben: psychisch krank, wir sehen jedoch unsrige Lebensweise als Lebensstrategie an. So bewahre ich das Kind auf samt aller Vergangenheit und freue mich nach wie vor, wenn andere uns statt beim Namen zu rufen, Kind nennen, denn das bezeichnet die tatsächliche Herkunft und den aktuellen Stand aller Angelegenheiten im Leben.
Wir interessieren uns sehr für Geschichte, Archäologie und Ausgrabungen. Und besonders für die Spuren von Dinosauriern in der Weltgeschichte. Wir glauben nämlich, dass Mensch vom Dino abstammt. Unser Vorfahre war groß, laut und furchteinflößend. So versuchen wir ihn auch nachzuahmen, denn Größe und Macht regierte jederzeit. Nur falls wir mächtigeren als Dinos begegnen, müssen wir Flucht ergreifen und uns später aus Scham über den Feind ärgern. Sonst ist unser Leben geordnet.
Krank sind wir nie gewesen. Den Gegensatz zu behaupten und daran zu glauben, wäre falsch. Es wäre eine Formgebung von denen, die mich verarzten wollen. Die, die mich gehütet haben, wollten etwas zuerst und wollten etwas anderes: dass ich Ahnenverehrer bin. Ich habe ihre strukturellen Feinheiten geerbt und nicht allein das. Unsere Erbfolge heißt Fein. Was fein erscheint, ist keinesfalls anders. Feinkariert habe ich uns genannt. Ich schätze feine Karos. Sie gibt es auch als Landschaftsbild. Das sieht man aus dem Flugzeug. Diese Karos fallen nicht immer gleichmäßig aus, sind aber kreativ geformt und farbig. Nicht alle von ihnen sind rechteckig, doch immerhin eckig genug.
Innere Karos sind dabei verlässlich verdeckt. Sie sind wie die karierte Kleidung, die wir aus unserer Erbfolge Fein unter der Haut tragen. Somit kann ich sie nicht direkt vorzeigen, um als Zeuge der Angehörigkeit meiner Familie aufzutreten. Noch ausziehen – wie zieht man schon das vertraute feinstrukturierte familiale Muster der Gewalt aus. Und wozu? Ich halte mich doch für sein Spiegelbild. – Für einen feinen Ausschnitt aus der ganzen Landschaft der Informationsfamilie.
Und wie sieht deine Geschichte aus? Woran glaubst du?