Autor:in: Ulrike Wiedemann

Hitze

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Eine lähmende Hitze legte sich über den kleinen Ort. Kein Lüftchen wehte, jeder der konnte, hatte sich in seine eigenen vier Wände zurückgezogen. Schon um 10 Uhr war es heiß. Einige zogen die Vorhänge zu oder ließen die Rollos herunter. Nur ein paar Kinder trotzten dem Wetter. Als die Sonne ihren höchsten Stand am Himmel erreichte, zogen sich diese müde vom Spielen und der Hitze in Ihre Elternhäuser zurück.

Nun war es so leise, dass man den Asphalt knacken hören konnte. Selbst die Vögel zogen sich in ihre Nester unter dem schützenden Blätterdach zurück. Kein Lüftchen wehte, die Luft flirrte. Eine durch die Hitze erzeugte Fata Morgana gaukelte Trugbilder vor. Der Ort wirkte wie ausgestorben. Die Ventilatoren oder Klimaanlagen liefen auf höchster Leistung. Wer diesen Luxus nicht besaß, versuchte sich auf andere Weise Kühlung zu verschaffen.

Dann geschah etwas. Mit einem Knacken stand alles still. Durch diese ungewöhnliche Überlastung des örtlichen Stromnetzes brach dieses zusammen. Nun war das allerletzte Geräusch verstummt. Es war so ruhig, dass selbst das kleinste Geräusch wie ein Paukenschlag wirken würde.
Funny, die unter dem Dach lebte, hielt es nicht mehr im Haus aus. In Ihrer Wohnung herrschten 45 Grad. Das zeigte ihr das Thermostat am Wecker an. So schnell es ging, packte sie ein paar Dinge zusammen und floh aus der überhitzten Wohnung. Ihr Weg führte Sie geradewegs zum kleinen Park mit See, der nur ein paar Schritte von Ihrer Wohnung entfernt lag. Dort, direkt unter einer großen Weide, fand Funny einen schattigen Platz. Nach und nach trudelten immer mehr Menschen ein. Überall wurden Sonnenschirme aufgestellt und Decken ausgebreitet. Jeder rückte enger zusammen, sobald neue dazu stießen. Jemand stellte ein Radio an, welches mit Batterien lief. Eine Melodie säuselte. Dann nach dem Ende, ertönte die Stimme des Moderators:

„Das örtliche Stadtwerk meldet, dass durch die Überbelastung das Stromnetz zusammengebrochen ist. Sie versuchen so schnell wie möglich, diesen Schaden zu beheben. Wir melden uns, sobald wir was neues Wissen.“

Mit tiefem Dröhnen fuhr nun ein Feuerwehrwagen die Zufahrt zum Bootsanleger herunter. Männer der freiwilligen Feuerwehr sprangen, leicht bekleidet, aus dem Wagen. Aus dem Laderaum holten sie schwere Ständer, die sie aufbauten. An diesen befestigten sie Schläuche. Zur Freude der Kinder sprudelte bald kühlendes Wasser heraus.
Auch einige Erwachsene nutzten diese Gelegenheit. Viele von Ihnen hatten Sachen mitgebracht. Ein Nachbar von Funny stellte sich direkt am Wasser einen alten Tapeziertisch auf, legte mehrere Tischdecken hin und fing an, aus einem Korb Essen darauf zu verteilen. Dann, nach und nach, eiferten einige ihm nach und im Nu war eine riesige Tafel für alle ausgebaut. Es herrschte Sommerfest – Stimmung.

Überall unterhalten sich die Menschen. Sogar solche, die bisher nie miteinander geredet hatten. So auch der alte Herr Meier, der sonst so wortkarg war, unterhielt sich mit Mustafa, der den türkischen Lebensmittelladen hatte. Beide entdeckten ein gemeinsames Hobby, Briefmarken. Mustafa schlug vor: „Bei der nächsten Ausstellung fahren wir gemeinsam hin!“
Es herrschte so eine ausgelassene Stimmung, dass keiner merkte, wie sich der Himmel immer mehr bewölkte. Ein Gewitter drohte. Da, das erste Grollen. Dumpf erklang es. Doch keiner nahm es wahr. Dann folgte ein lauter Donnerschlag und es wurde schlagartig stockdunkel. Ein Blitz erschien. Der Himmel öffnete seine Pforten und es regnete. Keiner blieb trocken. Jeder rannte so schnell er konnte heim. Dabei wurden all die Dinge stehen gelassen, die vorher mühsam herbeigeschafft wurden.
Doch auch etwas Gutes geschah, mit einem kaum merklichen Knacken sprang der Strom wieder an.

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