Autor:in: Andreas Roemer

Horizont, Tellerrand und mögliche Abgründe

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Ich persönlich schaue nicht gerne über den Tellerrand, denn da lauert der Abgrund, genauso wie im alten Weltbild von der flachen Erdscheibe, die abrupt zu Ende ist, und eben nicht horizontal erweiterbar.

Ich möchte auch den Horizont nicht erweitern, ich möchte ihn gerne erforschen, er wirkt ja so verlockend. Man erblickt in weiter Ferne verheißungsvolle Landschaften, verheißungsvolle Botschaften sowie verheißungsvolle Möglichkeiten. Natürlich würde ich sie gerne alle mal nutzen – falls es eine neue Situation erfordern sollte.

Im Moment tut sie das noch nicht, noch nicht ganz: Ich stehe wiedermal kurz davor, meinen Horizont zu erforschen, ich stelle Werkzeuge und Fahrzeuge bereit, um mich auf den Weg zu machen. Es winken neue Strand- und Dünenlandschaften für die körperliche Wellness, neue Erkenntnisse über das menschliche Zusammenleben für die geistige Wellness und neue Spielarten und Herangehensweisen für die seelische Wellness.

Jedenfalls bin ich z.Zt. zufrieden mit meinem Teller und mit meinem Horizont. Falls jemand glaubt, er müsse diesen durch schlaue Ratschläge noch erweitern, kann er das gerne tun, muss sich aber auf adäquate Gegenrede gefasst machen. Vor lauter Horizonterweiterung sehen manche nicht, wenn beim anderen schlichtweg der Kopf voll ist. Dann lässt sich da auch nix vermeintlich kluges mehr hinein katapultieren. Höchstens mittels Einwirkung halluzinogener Drogen oder mit Engelszungen.

Wir sind eine „hinterm Horizont geht’s weiter“ Gesellschaft. Aber doch nur, weil wir z.Zt. nicht genug bekommen können. Den Bauch nicht voll genug, das Haus nicht voll genug und den Kopf nicht voll genug.

Und mancher räumt denselben scheinbar leer mittels

Meditation, joggen oder auch Psychopharmaka, um Platz zu haben für was „neues“, noch schöner, noch spektakulärer, noch schockierender.

Das habe ich alles nachgeholt in den letzten Jahren – per Crashkurs. Ohne darum gebeten zu haben.

War aber nicht wirklich was Neues, denn das, was mich immer noch am meisten schockiert, sind die Bilder, die mich in meiner Kinderzeit überfordert haben. Die Unglücks – und Katastrophenbilder der letzten Jahre lassen sich noch relativ leicht neutralisieren, nicht aber die Bilder, die über meiner Pubertätszeit hereingebrochen sind. Über diesen Horizont – eines emotional beschädigten/behinderten Pubertierenden – komme ich scheinbar schwer hinaus.

Vielleicht, weil ich den erotischen Austausch mit dem anderen Geschlecht zu sehr schätze und sich dies daher gelegentlich mit dem sexuellen Austausch vermischt. Forcierte Infoaufnahme ist heute verbunden mit Katastrophenbildern, und für diese müsste ich erst einmal Platz schaffen und die alten Bilder löschen. Also lasst mich bitte noch eine Weile in Ruhe in meiner kleinen beschränkten Welt, wo mein Blick wieder zufrieden auf den verheißungsvollen fernen Horizont fällt.

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