Wenn wir verstehen möchten was uns eine andere Person sagt, dann hören wir ihr zu. Wir hören mit unseren Ohren, vielleicht lesen wir ihre Gesichtsausdrücke und achten auf die Körperhaltung. Wir unterhalten uns mit unserer Sprache und versuchen uns mit ihr zu verständigen. Wir möchten mit ihr Verbindungen und Beziehungen eingehen. Sprache ist ein Mittel, um unseren Gedanken Ausdruck zu verleihen. Wir brauchen die Sprache, um unsere Gedanken, die zunächst ganz unsere eigenen sind, zu teilen und Wirklichkeit werden zu lassen.
Nach Paul Watzlawick (u.a. Kommunikationswissenschaftler), schafft Sprache Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit unterteilt er in zwei Bereiche. Der 1. Bereich ist das worauf wir uns sehr schnell einigen können: da ist ein Baum, ein Fahrrad, eine Katze. Der 2. Bereich ist etwas schwieriger. Er bezeichnet den Bereich als subjektive Bedeutungszuweisungen. Also ganz persönliche Beschreibungen von Gefühlen oder Dingen die jede Person aus ihren eigenen Erfahrungen gelernt hat. Sprache beschreibt also zunächst nur die Wirklichkeit einer einzelnen Person.
Zwei Beispiele: 1. Ein Glas ist zur Hälfte gefüllt. Für Kim ist es halb voll, für Alex ist es halb leer. 2. Kim sagt: „Die Ampel ist grün“ und freut sich endlich los fahren zu können. Alex antwortet wütend: „Ich bin doch nicht blöd“ und versteht eine Anschuldigung zu langsam zu sein.
Soweit so schlecht: es ist also gar nicht so einfach Sprache, Wirklichkeit und menschliche Beziehung unter einen Hut zu bringen.
Dorothy Lee (Anthropologin) schreibt, dass der kulturelle und soziale Hintergrund unsere Sprache beeinflusst. Gleichzeitig beeinflusst auch die Sprache unser Denken und unsere Wirklichkeit. Die Sprache der Menschen, die auf der Trobiander Insel leben, hat z.B. wenig Bezug zu logischen Ursache-Wirkungs-Prinzipien. Jedes Wort das sie benutzen, beschreibt zum Beispiel den Ist-Zustand einer Sache. Das heißt es gibt ein Wort für eine Süßkartoffel (taytu) und ein anderes Wort für eine reife Süßkartoffel (yowana). Es sind zwei unterschiedliche Worte die zwei unabhängigen Zustände ein und derselben Pflanze beschreiben.
Wenn wir miteinander sprechen, dann benutzen wir Sprache wie wir sie in unserer persönlichen Entwicklung gelernt haben. Ob es nun Menschen sind die wie die Trobriander auf einer Insel leben oder unsere Nachbarin im Haus gegenüber. Wenn wir miteinander reden, dann lernen wir die andere Person zu verstehen und ihre Sprache zu entschlüsseln. Jede Person hat also ihren eigen Sprachcode: die Worte haben wir schon einmal gehört, doch der Sinn ist uns noch nicht ganz klar.
Wenn wir uns gegenseitig verstehen, sind wir ehrlich und wirken authentisch. Für Carl Rogers (Psychotherapeut) ist das ein Grundsatz der Empathie. Kurz gesagt meint Empathie einen Prozess, in dem wir uns für die Gedankenwelt der anderen Person öffnen. Wir versuchen uns in sie hineinzuversetzen und ihre Wirklichkeit wertfrei zu verstehen. Hier können Menschen Wertschätzung und Akzeptanz erfahren und so ehrlich und leicht miteinander sprechen. Und dafür müssen wir zuhören.
Gendlin (u.a. Psychologe) und Hendricks (u.a. Psychologin) beschreiben das Zuhören als eine Methode, um sich gegenseitig kennen zu lernen. Zuhören ist dabei nicht nur zurücklehnen und die andere Person reden zu lassen. Es ist ein aktiver Prozess in dem wir Fragen stellen und wiederholen. Dadurch zeigen wir Interesse an der Person und versuchen ganz deutlich genau das zu verstehen was der andere Mensch uns sagen möchte. Dafür können wir unsere eigenen Worte benutzen oder, wenn wir unsicher sind, die Worte der anderen Person benutzen. So versuchen wir eine gemeinsame Sprache und eine gemeinsame Wirklichkeit zu finden.
Wir sprechen und so teilen wir uns mit. Es ist wichtig uns gegenseitig zuzuhören, um uns zu entwickeln. Wir lernen und wachsen. Es ist ein Prozess der lange dauert und den wir lernen und immer wieder neu entdecken. Missverständnisse erfahren und über Irrtümer reden lassen, Räume entstehen in denen wir uns auf Augenhöhe begegnen. Sprache schafft Wirklichkeit und Wirklichkeit lässt Beziehungen entstehen. Und am besten unterhalten wir uns in der Sprache die wir am besten sprechen: in unserer ganz persönlichen.