Fördermittel der Aktion Mensch und die antragsgemäßen Eigenanteile zusammen genommen, sollen in drei Jahren mindestens 357.000,- €uro aufgewendet werden, um eine professionell ausgestattete unabhängige Beschwerde und Fürsprache stelle aufzubauen und zu betreiben. Die Idee ist populär, Überlegungen, wieweit Beteiligung und Qualitätsverbesserung dadurch nachhaltig und für alle Menschen mit Psychiatrieerfahrung zu erreichen sind, haben es schwer. Was brauchen wir wirklich?
Zunächst einmal: Transparenz und Niedrigschwelligkeit. Bremen benötigt einen vollständigen und kundengerecht aufbereiteten Führer durch das Hilfesystem, in gedruckter Form und Online. Informiert zu sein ist die Basis einer bewussten Inanspruchnahme von Hilfen. Bremen benötigt ein auf den einschlägigen Qualitätsindikatoren (S3 Leitlinien, UN Konvention, Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Qualität“ des Landespsychiatrieausschusses) aufgebautes Berichtswesen und eine verbindliche psychiatriepolitische Befassung damit. Hierzu würden auch standardisierte Befragungen des Klientels gehören, bei denen alle zu Wort kommen und nicht nur diejenigen, denen es leichter fällt, unaufgefordert Stellung zu beziehen. Die schweigende Mehrheit muss sich artikulieren können.
Zu ergänzen wäre das durch objektivierbare Messungen der Ergebnisqualität: Wie viele Menschen haben durch Unterstützung den Weg in sinnstiftende Arbeit gefunden? Wie viele Menschen konnten durch schnelle und intensive Behandlung davor bewahrt werden, längerfristige Hilfen zur Eingliederung in Anspruch nehmen zu müssen? Wie viele Menschen haben ihre Wohnsituation verbessern können?
Bremen sollte Vorreiter sein bei der Übererfüllung gesetzlicher Vorgaben: Wenn die Wohnheime mit ihrer in Bremen erfreulich geringen Platzzahl verpflichtend Heimbeiräte initiieren und unterstützen müssen, ist kaum zu verstehen, dass es solche Auflagen im wesentlich größeren ambulanten Bereich nicht gibt. Das Eine (gerade genannte) benötigt man, das Andere (die Beschwerdestelle) aber auch? Dann geht es um Prioritätensetzung und Nachhaltigkeit. Wenn man soviel Geld in die Hand nehmen will, dann lieber um zu den skizzierten Strukturverbesserungen zu kommen, die Interessenvertretung wesentlich fundierter aufzustellen gestattet, als über hundert oder zweihundert Beschwerden pro Jahr. Wer Nachhaltigkeit will, schafft nicht eine weitere, vermeintlich unabhängige Institution, sondern organisiert den „Marsch durch die Institutionen“ z.B. durch Kooperationen mit bereits existierenden Angeboten und durch Ansiedelung bei denen, die einen Sicherstellungsauftrag für eine ausreichende und wirtschaftliche Versorgung haben. Dann bestünde keine Unabhängigkeit mehr?
Unabhängigkeit ist dann eine Fiktion, wenn man glaubt, es gäbe bei Behandlungs- und Betreuungsangeboten eine reine Lehre. Und wer glaubt, hier werde mit der Keule der begrenzten finanziellen Ressourcen gedroht, mag auch diesen Satz noch lesen: In Bremen wird seit Jahr und Tag mehr als genug Geld für psychiatrische Versorgung ausgegeben: für Psychotherapeuten, die lange Wartezeiten organisieren, weil ihnen Niemand Regeln zur vorrangigen Behandlung der bedürftigsten Menschen auferlegt; für psychiatrische Kliniken, die über das Finanzierungssystem der Psychiatrie unterfinanzierte somatische Bereiche und über ausgestattete Verwaltungen subventionieren, dabei die Qualität in der Psychiatrie abbauen und in einer bemerkenswerten stillschweigenden Koalition mit den Krankenkassen den Ausbau evidenz basierter Arbeitsweisen vermeiden. Richtig viel Geld. Will sagen:
Wer sich mit denen zusammen tut, die die Mittel verteilen, kann dazu beitragen, dass mit den vorhandenen Mitteln bessere Arbeit geleistet wird. Das ist strategisch sinnvoller als der Verbleib in einer Unabhängigkeit, die dann eher Wirkungslosigkeit bedeutet.