Autor:in: Cornelia Burmeister

Wenn Dinge sich zum positiven verändern

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Sie wacht auf, liegt noch etwas mit geschlossen Augen unter der warmen Decke.
Da ist wieder dieses fiese Gefühl von totaler Leere. Sie hat nun auch die Augen aufgemacht. Alles drum rum wirkt irgendwie grau und fade.
Schon wieder so ein Tag der sich zäh dahin zieht.
Scheiß Depression.

Sie ist seelisch zusammengebrochen, selbst das aufstehen fällt ihr schwer. Ist morgens aufgewacht und konnte nichts mehr. Ist seit dem Krankgeschrieben.
Ihre Frauenärztin, erklärt ihr dass sie von nun an nicht mehr in der männlichen und in der weiblichen Welt gleichzeitig leben kann. Sie hatte versuch Spagat zu machen und so beides zu bewältigen. Das ging aber gründlich schief.
Zu allen Problemen kam noch die der Transidentität dazu.
Von nun an lebt sie in der weiblichen Welt so gut wie das eben geht.
Nächste Woche soll sie zur Reha.

Auswärts, fünf Wochen in einer fremden Umgebung. Das macht ihr Angst. Hoffentlich geht das alles gut.
Der Verstand sagt dass es sicher kein Problem darstellt, und doch triggert das Unbekannte sehr.
Sie bekam sogar noch eine Aufgabe mit auf den Weg. Sie soll sich dort soziale Kontakte suchen, nicht allein rumhängen. Leicht gesagt ist das denn sie hat eine Sozialphobie.
Das ist alles ein wenig viel für sie, aber es reizt auch. Es ist ein Weg heraus aus dem täglichen einerlei.
Mal etwas Neues erleben. Das ist auch immer eine kleine Herausforderung. Sie rechnet mit einer Besserung ihrer Situation. Schließlich können sich Probleme auch zum Guten ändern.
Noch ein paar kleine Dinge sind zu erledigen und noch zum Bahnhof, abklären wann der Zug losfährt und wann und wo umgestiegen werden muss.
Es geht von Bremen nach Hamburg und weiter nach Lübeck von dort mit einem Bummelzug nach Malente.
Dann ist der Tag X da, sie hat sehr schlecht geschlafen und steht früh auf. Macht sich Frühstück und schaut sich in der Wohnung noch einmal um. Es ist alles OK.
So, nun ist es soweit: es geht los in die Reha Klinik.

So gegen 11:00 Uhr kommt sie dort an. Es ist sehr warm und die Tasche wird langsam schwer.
Eine Frau aus der Klinik begrüßt sie und weist auf den Container hin, in dem das Gepäck zwischengelagert werden kann.
Darauf geht es Schlag auf Schlag, erst mal ein Coronatest (negativ), danach ein Arztbesuch und danach noch eine Klinikführung. Zwischendurch war dann noch Mittagspause und es gab etwas zu essen.

Dann erfolgt die Mitteilung dass sie nun auf das Zimmer durfte. Sie wird in den zweiten Stock begleitet. Betritt dort ein kleines Zimmer mit Flur und Dusche.
Das Zimmer hat einen kleinen Balkon mit Blick auf den See. Der strahlt eine große Ruhe aus. Dieser Anblick erstaunt sie so sehr das sie es kaum glauben mag.
Sie ist nun allein auf dem Zimmer und packt erst einmal aus. Setzt sich auf das Bett und zieht ihre Schuhe aus. Nur mal kurz die Beine austrecken. Sofort geht bei ihr das Licht aus, und sie schläft fest ein.

Zweieinhalb Stunden später wird sie wieder wach. Auf den Schreibtisch liegt ein Terminplan. Da ist nur noch eine Sache für diesen Tag drauf, 18:00 Uhr Abendbrot.
Es ist ihr etwas unangenehm dass sie dort einfach eingeschlafen ist.
Es ist noch etwas Zeit bis zum Abendbrot und so beschließt sie, sich im Haus mal umzuschauen. Sie geht auch vor die Tür und spürt auf einmal die Ruhe die in ihr hochkommt und wie ihr das gut tut. Diese Ruhe wirkt wie ein Medikament.
Diesen See schaut sie sich mal genauer an und macht am Ufer entlang einen Spaziergang. Sie ist seit langer Zeit mal wieder völlig ruhig und entspannt. Die ganze Umgebung strahlt eine gewisse Ruhe aus.

Nach dem Abendbrot trinkt sie noch eine Tasse Tee und kommt mit einigen Leuten ins Gespräch. Stellt dabei erstaunt fest, dass diese Müdigkeit auch andere Menschen überwältigt hat.
Und nun soll es ins Städtchen gehen etwas Einkaufen, „Kommst du auch mit?“ wird sie von einer jungen Frau gefragt.
„Ja gerne“ lautet die Antwort. Gleichzeitig erfüllt sich die Bitte nach den sozialen Kontakten. So lernt sie den Ort und einige Menschen näher kennen.
So vergeht etwas Zeit und sie lebt sich dort ein. Lernt Menschen kennen und unternimmt dies und das mit ihnen.
Dann entdeckt sie etwas Besonderes auf dem Tagesplan des Folgetags, Aquasport. Und nun? Wie soll sie als Transgender damit umgehen?
Alles oder nichts, sie wird in den Badeanzug steigen und die Sache hinter sich bringen.
Ist gespannt wie die Leute darauf reagieren werden.

Am nächsten Morgen ist es soweit, im Badeanzug und Bademantel geht es auf in das Schwimmbad im Haus.
Dort macht sie eine Erfahrung, die sie sehr erstaunt.
Nicht sie hat die Probleme mit der Badebekleidung sondern es sind einige Frauen die eigentlich keine Probleme damit haben sollten. Da passt alles, die Figur und das Gewicht, alles wirkt ihrer Meinung nach normal.

Doch diese Frauen schämen sich sehr.
Das Gefühl im Badeanzug akzeptiert zu werden ist für sie ein unbeschreibliches und es hat sich gelohnt, sich diesem Problem zu stellen. Keiner lacht oder macht blöde Bemerkungen. Davor hatte sie sich sehr gefürchtet.

Warum war sie als Transgender eigentlich allein beim Aquasport? Es sind zu dem Zeitpunkt noch drei weitere im Haus. Nur zu denen hat sie nur wenig Kontakt. Hat den Eindruck dass diese sich verstecken.

Von einigen Frauen wird sie aufgefordert nun auch mal im See zu schwimmen. Einige Tage später setzt sie das auch um und erlebt Ähnliches wie beim Aquasport. Sie wird akzeptiert.
Beim Schwimmen selbst erlebt sie ein großes Freiheitsgefühl.

Wieder überkommt sie ein großes Ruhegefühl beim schwimmen. Nur das Wasser plätschert und sie beobachtet die Vögel um sie herum. Graugänse, Enten und andere.
Zu Hause hätte sie das so nicht erlebt.

So nach einigen Tagen wird ihr aber plötzlich bewusst, dass sie in einer Klinik ist. Ein unwohles Gefühl kommt hoch.
Etwas später beschließt sie, sich nicht verrückt zu machen. Sie wird sich an allen Maßnahmen beteiligen und dort ihr Bestes geben. Diese Entscheidung sollte noch sehr wichtig werden.
Den mit dieser Einstellung geht sie anders als sonst an die Dinge heran und schafft Herausforderungen die ihrer zuvor große Angst machten.

Einige Tage später beginnt eine neue Maßnahme, Nordic Walking. Zwei Stunden sind dafür eingeplant. In der der ersten Stunde etwas Theorie in der zweiten Stunde dann ein erster Lauf.
Eine Physiotherapeutin erklärt, wie das gemacht wird und lässt jeden etwas laufen. Korrigiert dies und das. Das alles läuft ruhig und entspannt ab.

Darauf folgt direkt der erste Lauf. Es gibt drei Gruppen, ein schnelle, eine gemäßigte und eine für alle anderen. Sie schlisst sich der gemäßigten Gruppe an.
Sie versucht ihr eigenes Tempo zu finden und findet sich gut damit zurecht. Die Gegend ist teilweise recht steil, die Bezeichnung Holsteinische Schweiz stimmt, es ist teilweise sehr anstrengend. Sie läuft ihrer Gruppe förmlich davon. Nähert sich der Gruppe vor ihr, die sind sehr sportlich und die kennen sich aus.

Kurz vor dem Ziel wird ihr bewusst das sie im vorderen Viertel mitläuft. Das hielt sie mal für absolut unmöglich.
So etwas kannst du nicht – Das schaffst du doch nie – Du bist unsportlich usw. bekam sie oft zu hören.

Sprüche, die sie ewig begleiten. Sprüche, die ihre Spuren hinterlassen haben.
Und jetzt das. Sollte sich das etwa auch auf andere Bereiche des Lebens übertragen lassen?

Das gewisse Probleme nur darauf beruhen das sich diese Leute das Maul zerrissen haben. Sie wird sehr nachdenklich.
Sie spielt abends mit anderen Patienten Gesellschaftsspiele, geht ins Örtchen zu einem Einkaufsbummel mit. Geht Eis essen und macht eine Seerundfahrt. Macht eine Radtour die sehr anstrengend wurde. Die Gegend ist nun wirklich steil, Puh.

Schaut sich ab und an Filme mit anderen auf der großen Leinwand an.
Das alles gemeinsam und nicht allein wie zu Hause.

Das alles erlebt sie nun aus weiblicher Sicht, sie kann auch nicht anders. Wird nicht nur von den anderen Frauen akzeptiert sondern auch von den Herren. Ihr wird bewusst wie extrem sie sich in der Vergangenheit verbogen hat und beschließt, das nie wieder zu machen.
Die Zeit die sie dort verlebt, empfindet sie als wunderschön.

Die Hilfe, die sie dort bekam war auch dringend nötig. Der Zusammenbruch war Hart, und ohne Hilfe wäre nicht es ihr nicht gut gegangen.
Sie hatte noch keine Suizidgedanken, aber das Schreckgespenst kam langsam immer näher.

Ohne die Unterstützung der Reha der Frauenärztin und des Psychologen wäre das nicht gutgegangen.

Es ist doch wirklich schön, dass es Hilfe gibt und es so langsam wieder bergauf geht. Während dieser Reha sind so viele schöne Dinge passiert und es fiel ihr nicht schwer, mal etwas neues auszuprobieren.
Gruß Conny

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