Ortstermin in Hemelingen in der ruhigeren Godehardstraße 4, vor einem Backsteingebäude: dem Bürgerhaus Hemelingen. Zwei Stufen bis zur schweren Eingangstür mit einem Aufkleber “die nette Toilette”, weitere sechs Stufen, dann nach rechts in die Büroräume.
Die Türen laden ein zum Hereinschauen, sie stehen Allen offen und signalisieren einen herzlichen Empfang mit Neugier für die Besucher. Im hinteren Raum stehen zwei Schreibtische, unter anderen, der von der Leiterin des Bürgerhauses, Eva-Maria Arndt. Ihr Schreibtisch ist übervoll mit Programmheften und Papierbögen; ganz unkonventionell schiebt sie alles zur Seite, um Platz zu schaffen.
Hinter ihr und links von ihr raumhohe Regale, in denen sich Ordner um Ordner drängeln. Die älteren oben, auf dem Boden griffbereit die jüngeren Ausgaben. Es sind einige Jahre an Kulturarbeit des Bürgerhauses versammelt, das in diesem Jahr das dreißigste Jubiläum feiert.
Und sozusagen ein „Geschenk“ ist der seit dem Frühjahr installierte Treppenlift, der eine Verbindung vom Erdgeschoss der rückwärtigen Gebäudetür, über das Hochparterre zum 1. Obergeschoß führt. Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte haben nun die nötige Barrierefreiheit, mit der sie auch das kleine Cafè erreichen können und ebenfalls das vielfältige Kursangebot im Obergeschoß. Der Lifter ist auch während eines Stromausfalls durch die Anbindung an das Haus eigene Notstromaggregat nutzbar.
Acht Bürgerhäuser gibt es in Bremen, das letzte und kleinste wurde 1984 in Hemelingen installiert. Dabei gab es im Vorfeld verschiedene Standortfragen zu klären. So war das jetzige “Aladin” im Gespräch; das scheiterte an den zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten. Oder das “Kubiko”. Nicht zuletzt einigten sich die Stadt Bremen und Förderer des Bürgerhauses auf die ehemalige Polizeidienststelle in Hemelingen. Es bot die geeigneten Räumlichkeiten und die Option für einen späteren Anbau, dem heutigen Saal, sowie genügend PKW-Stellplätze an der Hemelinger Bahnhofstraße. Apropos Polizeigebäude: So mancher ältere Hemelinger erinnert sich mit Schmunzeln an die Räumlichkeiten im Keller des Polizeigebäudes: das waren einstmals die Ausnüchterungszellen, weiß die Geschäftsführerin zu berichten.
Die Anfänge des Bürgerhauses kennt die heute 50 jährige Arndt nur aus Erzählungen. Sie ist „erst“ seit 10 Jahren dabei und betreute im ersten Jahr die Kinder- und Jugendarbeit, später auch als Festangestellte. Seit einem Jahr ist sie die Geschäftsführerin des Bürgerhauses, als Nachfolgerin von Wilfried Mammes.
Aber sie weiß schon jetzt, wie schwer es ist, mit den Fördermitteln, die ihr die Kulturbehörde zur Verfügung stellt, auszukommen. Die circa 80 Mitglieder des Trägervereins, die zwölf Euro im Jahr einzahlen, sind da nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Bürgerhaus ist neben den Mitgliedsbeiträgen und den Geldern aus Vermietung der Räumlichkeiten auch auf Spenden von Firmen angewiesen. So hat zum Beispiel die Sparkassenzweigstelle Hemelingen anlässlich ihres hundertjährigen Bestehens 100 000 Mark gespendet. Das war neben den Fördermitteln von Mercedes ein Geldsegen, mit dem die Geschäftsführung des Bürgerhauses planen konnte, als der angrenzende Saalbau Realität werden sollte.
Der Saalbau, der mit dem ehemaligen Polizeipräsidium durch einen Laubengang verbunden ist und sich architektonisch gelungen dem Gebäude von 1875 sehr schön anpasst, wurde 1988 nötig. Das Bürgerhaus Hemelingen war zu klein geworden für alle angebotenen Aktivitäten; so sollten ja auch Theater- und Tanzgruppen vor mehr Publikum spielen können. Das Polizeirevier war eben mit seinen räumlichen Kapazitäten am Ende. Damals wie heute wurden unter anderem die Räume an verschiedenste Kulturschaffende vermietet, zum Beispiel für Sprachkurse und Tanzgruppen. Es gebe Lehrer, sagt Arndt, die schon über zwanzig Jahre auf diese Räumlichkeiten zurückgreifen.
Mittlerweile beschäftigt das Bürgerhaus über die Stadt Bremen drei Vollzeitmitarbeiter und Stundenkräfte, dazu zwei halbe Stellen im Reinigungsservice. Nicht vergessen will Arndt den Haustechniker: “Eine wichtige Person unter anderem bei den Veranstaltungen im Saal”. Da heißt es Haushalten mit dem 400.000 Euro-Budget, das die Kulturbehörde noch jährlich zur Verfügung stellt. Mithin wird vieles in Eigenregie auch durch Ehrenamtliche gemanagt, so zum Beispiel die Betreuung des Internetauftritts und die Veranstaltungsflyer. Beides soll zukünftig vorausschauend vierteljährlich aktualisiert werden.
Von den Bürgern Hemelingens ist das Haus seit langem gut angenommen worden. Auch die Hemmschwelle der Migranten baut sich langsam ab. Wie langsam, wollen wir wissen. Zu langsam, wie Arndt findet, viel Aufklärungsarbeit sei nötig. Aber die interkulturellen Tanzstunden, die verfügbaren Krippenplätze für die Kleinsten am Vormittag, sind vertrauensfördernd. Die jüngste Migrantengeneration wächst jedoch zum Teil im Bürgerhaus auf. So hat Arndt jetzt eine türkische Praktikantin angenommen, die sie schon als Kleinkind auf dem Armen wiegte.
Und immer wieder hören wir auch jetzt Kinderlachen und -geplapper. Es ist Ferienzeit. Im Bürgerhaus gibt es ein Ferienprogramm für acht bis 14jährige. Eine kleine Zuzahlung seitens der Eltern ist für diese Zeit gefragt. Arndt hofft, dass es weiterhin eine Förderung für das Projekt durch das Projekt WiN (Wohnen in Nachbarschaft) geben wird. Dem wöchentlich stattfindenden Frühstückskreis wurden die Gelder bereits entzogen, man trifft sich dennoch weiterhin und entrichtet einen Obolus.
Im Ausland sind die Förderer des Bürgerhaus’ Hemelingen ebenfalls seit über zwanzig Jahren aktiv und halten einen Freundeskreis-Kontakt zum palästinensischen Dorf Tamra/Israel. Es ist ein jährlicher wechselnder Austausch. Eine Delegation aus Hemelingen fährt zur Partnerstadt Tamra und im Gegenzug kommt eine Delegation von dort hierher. Nach dem Motto „Mein Haus ist dein Haus, dein Haus ist mein Haus“ übernachten alle in angebotenen Privatunterkünften. In diesem Jahr sind erstmalig auch Jugendliche aus Hemelingen mitgekommen, ihre Eindrücke sind abendfüllend.
Vor dem Gespräch sagte Eva-Maria Arndt, dass sie heute auch die Telefonzentrale sei. Sie ist allein in der Verwaltung. Das Telefon unterbrach unser Gespräch nicht. Also hätte sie in Ruhe Papierberge abarbeiten können. Stattdessen hat Sie sich aber für uns die Zeit zum Gespräch genommen.
Und wenn sie euphorisch über ihr Haus spricht, wird alles andere zur Nebensache.