Inhalt
Frisch erschienen im November 2022 hält Dominik Wendland in „Antidepritage“ seine ersten Erfahrungen mit dem Antidepressivum Mirtazapin in Form kleiner Sketches fest. Die Antidepri-Tage sind nummeriert und reichen bis Tag 49. Die Erfahrungsberichte erfolgen täglich, nur gegen Ende mit etwas, nicht weiter störender, Unregelmäßigkeit. Die Comics beschreiben die breit gefächert erlebte Gedanken- und Gefühlswelt während der Einstellungsphase. Wendland berichtet mal mit Witz, mal apathisch, mal mit und mal ohne Wertung aus einer Beobachterperspektive über seinen eigenen Zustand, sein Schlafverhalten und alles, was ihm auffällt oder ihn wundert.
Jedem Tag ist eine Doppelseite gewidmet: Auf grauem Hintergrund befindet sich eine einfache digitale Zeichnung, auf der weißen Seite eine weitere Zeichnung im selbigen Stil mit eingearbeiteten oder dazu ergänzenden Text. Die Motive funktionieren teils eigenständig, teils sind es zusammenhängende Bilder. Egal ob als Reim, Sprichwort oder mit einer Portion Sarkasmu: er schafft es, dabei stets schonungslos ehrlich und authentisch zu bleiben.
Genaue Angaben zu Dosierung der Medikation und Zeitraum der Dokumentation befinden sich so wie eine persönliche Danksagung auf den ersten Seiten.
Rezension
Herrlich stumpf, aber geniale Aufarbeitung
Der Comic eignet sich hervorragend, um ihn in einem Rutsch zu verschlingen! Als psychisch Erkrankte mit eigenen Erfahrungen unterschiedlicher Antidepressiva und Fan sowohl von Kunst, als auch von Literatur, muss ich sagen: Chapeau! „Antidepritagebuch“ ist ein kleines Meisterwerk und hat ein bisschen was von einem (satirischen) Forschungsbericht eines wissenschaftlichen Experiments. Schwere Themen werden mit Leichtigkeit erzählt, die Komplexität der Stimmungsschwankungen wird auf leicht verdaulicher Ebene herunter gebrochen. Und das, ohne Nebenwirkungen zu verharmlosen! Insgesamt empfinde ich die Darstellung des Erfahrungsberichts als hilfreich für Betroffene, wie Angehörige.
Es hätte mich massiv beruhigt ein derartiges Buch zur Hand gehabt zu haben, als ich selber im Gedankenschlamassel steckte. Welche Wirkung nun „normal“ ist, in welchem Stimmungszustand ich mich überhaupt befinde, welche Veränderung bloß Einbildung ist, weil manchmal doch wieder alles scheint wie zuvor. Das Buch vermittelt mir: Alles nicht so wild, es ist nun mal nicht einfach und jeder Weg, mit allen Unsicherheiten, ist o k a y. Die Tiefen sind genauso in Ordnung wie die Höhen. Für Außenstehende kann es ein lehrreicher Einblick sein, wie intensiv und von Mensch zu Mensch verschieden sich eine Medikamenteneinstellung, als auch Depression im Allgemeinen anfühlen kann. Der Autor und Zeichner verfügt zudem über einen aussagekräftigen charakteristischen Eigenstil, sodass ich ohne zu zögern auch ein weiteres Werk lesen würde.
Eine interessante Erkenntnis
Ebenfalls sehr spannend: Wendland porträtiert hier sich selbst unter dem Einfluss von Mirtazapin, eines der Psychopharmaka, die ich selbst auch bereits probiert habe. Meine Erfahrungen weichen stark von seinen ab, ähneln dafür aber meinem Erleben unter dem Einfluss anderer Tabletten. Ein weiterer Beweis dafür, dass jeder Wirkstoff individuell anders wirken kann, so wie auch die Krankheit sich verschieden äußert. Und doch lassen sich irgendwo immer wieder Parallelen erkennen.
Etwas wie Kritik
Eigentlich gibt es nichts auszusetzen, eher würde ich applaudieren. Ein paar Seiten sind mit feinerem Radius gezeichnet worden, das hat meinen Lesefluss gestört. War allerdings auch nicht weiter dramatisch. Kurz kam mir der Gedanke, ob das wohl Absicht war, um Leser:innen zu ärgern. (Ich hoffe nicht!)
Letztendlich passt es zum Stil des Autors und unterstützt den Gesamteindruck: Alles scheint ein wenig wirr und durcheinander, doch gerade diese regelmäßig dokumentierte Unregelmäßigkeit macht das Werk so einzigartig.
Eckdaten
Antidepritagebuch
Dominik Wendland
Erstausgabe (2022)
Jaja Verlag
ISBN: 978-3-948904-45-6
Preis: 10€