Autor:in: Volker Althoff

App Actiself geht an den Start

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Mit Smartwatches Stimmungen und Aktivitäten bei Depressionen messen –
App „Actiself“ erfasst Daten wie Schlaf oder Bewegung

Mobile Geräte wie Smartwatches können physiologische Daten wie die Herzrate und körperliche Bewegung sowie Selbstratings über Schlaf und Stimmung über einen längeren Zeitraum messen. Diese Daten sind ganz wichtig für die Symptome von Depressionen, die ganz gegensätzlich sein können. Manche Betroffene haben Probleme, ein- oder durchzuschlafen, andere schlafen sogar mehr. Manche bewegen sich verlangsamt, andere verspüren eine innere Unruhe. Symptome können sich auch über die Zeit verändern. Für Behandler:innen ist es schwierig, eine optimale Therapie zu finden. Die Wissenschaftlerin Jeanette Tamm vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie (MPI) in München und ihre Kollegen Markus Friedrich und Victor Spoormaker haben eine SMART-Studie erstellt, mit der sie gezielt die vielfältigen Symptome in den Blick genommen haben. „Wir haben die Studie mit der App Actiself, die smartwatchgestützt ist, durchgeführt. Diese App ist ein Prototyp“, erklärt Jeanette Tamm. „Es gab unterschiedliche Fragestellungen, die uns interessiert haben.“ Das Team hat untersucht, wie physiologische Parameter und Verhaltensmuster wie Schlaf oder Bewegung mit psychischen Erkrankungen, insbesondere bei einer Depression, zusammenhängen. „Die Patienten sind zu uns in die Tagklinik des MPI gekommen, und wir haben sie gefragt, ob sie Interesse hätten, an der Studie teilzunehmen. Bei Einwilligung haben sie von uns eine Smartwatch bekommen, die dann im Zeitraum von zwei bis zwölf Wochen (je nach Ausrichtung der Studie) Bewegung und Schlaf sowie Anspannung und soziale Kontaktgestaltung gemessen hat.“

Mit der Leiterin der MPI-Tagklinik für wissenschaftliche Psychotherapie, Julia Schwind, hat Tamm die App getestet. „Die Patient:innen hatten sehr viel Spaß an der Auswertung“, hat Schwind beobachtet. Die Therapie habe die Patient:innen motiviert, sich zu bewegen. Das habe die Aktivität erhöht. „Am Samstag oder Sonntag wurde beispielsweise extrem viel Aktivität gemessen. Dann sind die Patient:innen gejoggt“, berichtet Schwind. Auch die Diversität der Orte habe die App erfasst, so Tamm. „Sie hat uns darüber Aufschluss gegeben, ob sich die Studienteilnehmer:innen mehr zu Hause aufhalten und inaktiv sind oder auch mal die Orte wechseln. So sind beispielsweise Orte hinzugekommen. Die Proband:innen haben sich mit Freunden getroffen, sind in den Park gegangen. Ihr Radius hat sich erweitert.“

Sehr arbeitserleichternd sei die App, erzählt Julia Schwind. „Es ist ein gutes Basiswissen vorhanden, auf das wir Therapeut:innen aufbauen können. Somit können wir die Entstehung einer psychischen Erkrankung besser erklären. Die App ist also sehr hilfreich für die Therapie.“ Der Sinn solcher Apps sei nicht, die Therapie zu ersetzen, sondern die Wartezeiten für Psychotherapien zu überbrücken. Ein Vorteil der Anwendung ist, dass die Patient:innen diese sehr gut annehmen. „Sie haben eine hohe Affinität zu Technologien wie der Smartwach“, erklärt Jeanette Tamm. Ein Nachteil ist, dass die Daten nicht direkt an die Therapeut:innen weitergegeben werden. „Es gibt also keine Schnittstelle zum Therapeuten“, so Tamm. Die Studie sei ein schönes Beispiel dafür, wie Digitalisierung und Therapie zusammenarbeiten könne. Technisch wäre noch viel mehr möglich, betont Tamm.

Noch kann die App nicht heruntergeladen werden. Das Forschungsteam arbeitet jedoch fest daran, dass diese im Sommer auf den Markt kommt. So soll sie therapiebegleitend eingesetzt werden und die Kosten sollen von den Krankenkassen übernommen werden. „Man kann sie vom Psychotherapeuten und Arzt verschreiben lassen. Dann bekommt man von der Krankenkasse einen Zugangscode“, erklärt Tamm das Vorgehen. Die erste Anwendung hat sich an depressive Menschen gerichtet. „Wir planen weitere Indikationsmuster wie Schlaf- und Angststörungen. Auch bei ADHS-Patient:innen kann die App Vorteile aufzeigen.“

Peter Brieger, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Münchner Bündnis gegen Depression e.V., kann sich mit der „Actiself“-App anfreunden: „Ich kann mir vorstellen, dass so eine Anwendung eine unterstützende Maßnahme ist. Wenn ich als depressiv Betroffener viel im Bett liege und ich mein Aktivitätsmuster überprüfen kann und eine Intervention habe, dass ich aktiviert werde, dann kann ich in dieser Sphäre der Aktivierung einen Erfolg erkennen.“

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