Auf den ersten Blick fühlt es sich an als hielte man ein Kinderbuch in der Hand. Oder ist es eine Fabel?
Auf den zweiten Blick lese ich einen sehr verständlich mit relativ einfacher Sprache geschriebenen Text, der auch wieder den Eindruck verstärkt, das Buch sei für Kinder geschrieben. Einfühlsame, nach meinem Gefühl wohl gewählte Worte beschreiben Lebenssituationen aus dem Alltag eines Wesens mit Namen Irgendwie Anders, in denen es Ausgrenzung wegen seines von anderen Figuren benannten Andersseins erlebt. Diese im Buch beschriebenen Situationen ähneln zuerst denen eines kindlichen Alltagserlebens in Kindergarten oder Grundschule, andererseits lebt das „Irgendwie Anders“ allein in seinem Zuhause und gestaltet dort selbständig für sich den Alltag weiter. Dort erlebt es, wie ein „Etwas“ zur Tür und in sein Leben hereinkommt und einen Anspruch stellt, nämlich so gesehen werden zu wollen wie es ist. In der Entwicklung ihrer Begegnung steht am Ende, dass sie auf jeden Fall individuell und auch unterschiedlich sind, aber es zeigt sich als irrelevant für den Umgang miteinander. Bildnerisch gestaltet ist das Buch zusätzlich mit liebevoll gezeichneten abstrakten Figuren, die einen fast an Fabelwesen denken lassen. Der letzte Satz im Buch gibt sehr bezeichnend zusätzlich noch Raum für weiteres Anderes.
Ich hielt das Buch in den Händen und dachte: „meine Kinderzeit ist Jahrzehnte vorbei, ich will mich erwachsen fühlen, darf ich mir dann erlauben ein Kinderbuch zu lesen?“ Doch schon der Titel machte es so interessant für mich, dass ich es nicht weglegte und nun begleitet mich dieses Buch schon ein paar Jahre in meinem Leben. Für mich zeigt es viele Parallelen zum eigenen Erleben auf, zuerst diese gefühlte Einsamkeit „wie auf einem Turm lebend“ und die erlebte Ausgrenzung wegen meines eigenen „Andersseins“. Ich weiß, dieses Erleben kenne nicht nur ich. Im Buch aber erlese ich einen liebevollen Umgang mit dem Anderssein wie einen Trost, ein Umarmen und Mut machen. Mut habe ich eigentlich immer, doch hier erinnert es mich, manchmal die Dinge einfacher anzugehen und ohne lange zu zögern oder zu zweifeln. Und daran: Ich bin gut so wie ich bin, auch wenn ich anders bin, und so anders bin ich gar nicht, und ich bin nicht allein, erinnert es mich.
Gleichzeitig sehe ich in dem Buch den weiteren globalen Rahmen wie Diskriminierung, Rassismus, Intoleranz und Mobbing benannt. Man kann es nicht schaffen, alles und jeden mal eben zu tolerieren, aber ich denke und habe selbst schon erlebt, dass leider auch die eigene Unsicherheit und Ängste uns manchmal den Umgang miteinander schwer machen. Doch immer ausgeprägteres Konkurrenzdenken, alte diskriminierende Strukturen und fehlende Barrierefreiheit in Lebensraum und Köpfen der Menschen sind Tatsachen, mit denen wir uns gegenseitig belasten und selbst unsere Kinder und Kindeskinder immer mehr damit konfrontieren.
„Irgendwie Anders“: Mit einfachen klaren Worten, für Kinder UND Erwachsene sehr verständlich benannt, sehe ich in diesem Buch gelebte Toleranz und integratives Leben und denke, es ist für Menschen jeden Alters lesbar.
Im Nachhinein erst lese ich: Für das Buch „Irgndwie Anders“ wurde Kathryn Cave gemeinsam mit dem Illustrator Chris Riddell 1997 mit dem erstmals vergebenen Unesco-Preis für Kinder- und Jugendliteratur im Dienst der Toleranz ausgezeichnet. Das erfreut mich zusätzlich.