Autor:in: Christian Kaschkow, Sabine Weber

Das Blauhaus-Projekt

Drei Jahrzehnte nach Auflösung der Langzeit-Psychiatrie Blankenburg

 

Der Speicher XI, denkmalgeschützt, im früheren Überseehafen, der zugeschüttet wurde, um zu einem neuen Quartier Bremens zu werden. Schon von Weitem sieht man das Blaue Kamel stehen (12m lang und über 5m hoch), seit 1994 das imposante Symbol der Blauen Karawane, die in den 70er Jahren gegründet wurde, und sich 1985 das erste Mal auf den Weg machte, vom italienischen Triest durch die Bundesrepublik, um auf veraltete Strukturen unmenschlicher Behandlung in den psychiatrischen Kliniken aufmerksam zu machen. Passenderweise steht das Blaue Kamel heute vor dem Cafe Blau, das es schon seit 1987 in Walle gibt und das 2003 in den Speicher zog.

 

Dort findet die Preisverleihung statt, wo die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie das Projekt BlauHaus prämiert. Damit wird die Einzigartigkeit und Vorbildfunktion des Projekts gewürdigt, wie auch die Beharrlichkeit der Beteiligten.

Die war die ganzen Jahre vonnöten, denn wie Herr Brettschneider vom Martinsclub  erzählte, schien das Projekt schon mehrmals begraben, flammte dennoch immer wieder auf, wie bei einem außergewöhnlichen Treffen mit vier Staatsräten (Vertreter der Senatoren im Amt). Die Beharrlichkeit ist auch weiter nötig, denn die benötigten acht Millionen Euro sind bei Weitem nicht gedeckt.

 

Die Idee für das BlauHaus kam der Blauen Karawane vor fast zehn Jahren. Klaus Pramann, Psychotherapeut und schon lange in der Karawane, knüpfte Verbindungen zu anderen Institutionen, wie der Gewoba, dem Martinsclub und dem Verein “Quirl”-Kinderhäuser e.V..

Dieser Zusammenschluss bewirkt, dass bestimmte Inhalte bedeutend sind:

Die Inklusion von Menschen mit oder ohne Betreuungsbedarf, die Förderung von erschwinglichen Wohnungen, die breite Altersstruktur mitsamt der KiTa und dem Angebot für Demenzkranke.

 

Im BlauHaus soll es in zwei Gebäuden 84 Wohngemeinschaften geben für rund 160 Bewohner. Der Verein “Quirl” plant eine KiTa für ca. 60 Kinder. Frau Petersen-Caspari vom Quirl erzählte hierzu, dass Kinder merken, wie unterschiedlich Menschen sind, mit diesen Unterschieden aber direkter und unbefangener umgehen. Sie sollen im BlauHaus auch Kontakt zu älteren Generationen bekommen.

Dann soll es noch die Blaue Manege geben, auf 700m² mehrere Räume für Ateliers (Malerei, Bildhauerei, Keramik), Werkstätten (Holz, Metall, Elektro), Verwaltung, dazu Räume für Besprechungen und Begegnungen. Im BlauHaus können die Bewohner nicht nur miteinander wohnen, sondern gemeinsam in Projekten arbeiten sowie Besucher und Freunde treffen. Ein viertes Gebäude soll ein Theater plus Cafe beherbergen. Die Bewohner werden sich regelmäßig treffen, um Veranstaltungen zu planen.

Wie Frau Trey, seit 2000 in der Blauen Karawane, anmerkte, sei dort eine gute Mischung von Leben und Arbeit, Rückzug und Miteinander, vorhanden.

 

Ein Blick zurück: 1975 kam die Psychiatrie-Enquete (Untersuchungskommission) der Bundesregierung zu dem Fazit, dass in den psychiatrischen Einrichtungen Deutschlands unhaltbare Zustände herrschten. Nur wenige Jahre später übernahm das Bundesland Bremen die Vorreiterfunktion und entschied, die Behandlung seelisch Erkrankter von stationär auf überwiegend ambulant umzustellen. Die psychiatrische Klinik Blankenburg, 40km entfernt von Bremen, nahe Oldenburg, mit 300 Insassen, sollte schrittweise geschlossen werden, 1985 war das beendet. Statt einer zentralen Großeinrichtung gab es dann ambulante Versorgung und betreutes Wohnen. Dazu hat Herr Dörner (emer. Universitätsprofessor und früherer Klinikleiter in Gütersloh) erzählt, wie wichtig für die Erkrankten das soziale Umfeld sei. Zudem seien in der Betreuung nicht nur Profis wichtig, sondern einfach Menschen mit Zeit.

 

Die Verwirklichung des Projekts BlauHaus könnte ein weiterer Fortschritt sein. Vielleicht kann es gar zum Virus werden, der auf andere Orte, Institutionen und Vorhaben ausstrahlt, wie Moderatorin Annelie Keil mehrmals in die Runde fragte. Statt Isolation wie in früheren Zeiten, könnte nun eine ambulante Betreuung möglich werden, mit viel Kontakt zur Nachbar-schaft und dem Stadtteil.

Vielleicht wird das BlauHaus gar das Herz der Überseestadt.