Die Umstrukturierung im Klinikum Bremen-Ost, hier konkret die Installation einer neuen Abteilung für Ambulante Psychotherapie/ Suchtherapie, hat zur Folge, dass ein langjähriges, traditionelles Angebot für Ambulante Kunsttherapie weichen muss. Es wird also eine schon Jahrzehnte bestehende kreative Therapieform geopfert, um andere Behandlungsangebote zu ermöglichen, die mehr Wirtschaftlichkeit versprechen.
Ende Juni wurde uns erzählt, dass die Schaffung eines neuen Behandlungskonzepts namens BRAVO-Projekt (Ambulante Psycho- bzw. Suchttherapie) Auswirkungen auf die Nutzung der Räumlichkeiten für die Ambulante Kunsttherapie haben würde. Diese sollte ihre bisher genutzten Räumlichkeiten für das neue Projekt abtreten. Ab sofort sollten alle Patienten, die das Angebot der Ambulanten Kunsttherapie nutzten, in einen Raum im Erdgeschoss ohne Waschbecken und genügend Licht umziehen. Für die Reinigung der Malutensilien stand bisher nur ein Waschbecken im Toilettenraum zur Verfügung. Man signalisierte uns, dass ein kleines Budget bereitstünde, um demnächst große Lichtlampen und ein Waschbecken beschaffen zu können. In Gesprächen mit den Teilnehmern der Kunsttherapie machte sich keiner von uns Hoffnung, den Umzug mit all den damit einhergehenden Qualitätseinbußen verhindern zu können. Viele weigerten sich, unter diesen Umständen weiter an der Kunsttherapie teilzunehmen. Doch ich wollte nicht aufgeben und bat um ein Gespräch mit der Klinikdirektion, Herr Professor Dr. Reimer. Wir wollten erfahren, wie er zu der Entscheidung, die Kunsttherapie ins Abseits zu drängen, gekommen war. Schließlich ist die Kunsttherapie eine Alternativtherapie, die sowohl von psychisch Kranken als auch Medizinern sehr hoch geschätzt wird. Am 2. Oktober fand dann das Treffen mit Herrn Prof. Dr. Reimer und vier Patienten statt. Herr Prof. Dr. Reimer war sehr höflich und konkret. Er berichtete uns: Das Krankenhaus Mitte schreibe rote Zahlen und bringe zurzeit mit 17 Millionen € Schulden große Herausforderungen mit sich. Er müsse die Suchtstation schließen und wegen des Vorhabens der Einrichtung eines neuen ambulanten Therapieangebots müsse auf unsere Räume zurückgegriffen werden. Weiterhin erzählte er uns, dass wir für das Haus nicht von großem Nutzen seien und kein Geld in die Kassen des Hauses brächten. Es fühlte sich so erniedrigend an, dass eine von uns sich sogar bereiterklärte, die Kosten für ein Waschbecken zu übernehmen; denn für uns war die Nutzung des Waschbeckens im Toilettenraum zur Reinigung unserer Malwerkzeuge und Materialien, allein aus hygienischen Gründen, undenkbar. Schließlich wurden die von uns vorgetragenen Mängelstände und von uns als nicht hinnehmbar betrachteten Einbußen von Professor Doktor Reimer als zumutbare Veränderungen der Rahmenbedingungen eingestuft. Nach dem Gespräch mit Herrn Prof. Dr. Reimer fühlte ich mich, trotz der plausiblen Erklärungen, noch mehr gedemütigt und verletzt als zuvor.
Nach 25 Jahren Traumatisierung, Sucht und Fehldiagnose, nach 25 Jahren Isolation, hatte ich endlich in der Ambulanten Kunsttherapie einen Ort gefunden, in dem ich wieder versuchte, Vertrauen zu gewinnen! Die Aussagen von Herrn Prof. Dr. Reimer betrafen nicht nur meine Arbeit, sondern auch meinen Stolz. Ich war als gebürtige Iranerin immer stolz, einem Land zu dienen und zuzugehören, das auch in schweren Zeiten wie 2015 die Menschenwürde respektiert und beherzigt hatte. Vielleicht habe ich die Definition von Demokratie und Menschenwürde zu ernst genommen? Vielleicht greifen diese Definitionen nur in Zeiten des wirtschaftlichen Wohlstands. Vor allem stellen sich für mich nun folgende Fragen:
Warum treffen all die Maßnahmen Menschen, die nicht in der Lage sind, sich zu wehren? Warum bleiben die Verursacher dieses Kostendrucks verschont, während wir dafür büßen müssen?
Wieso werden sogar in Zeiten der Schwarzen Null sechzig Prozent Gehaltserhöhung der Abgeordneten befürwortet und vermutlich auch hohe Gehaltskosten für die Leitung des Hauses stabil gehalten, während andere Sektoren von Kürzungen betroffen sind? Da ich auf diese Fragen keine Antwort kenne, wende ich mich in letzter Instanz an die Öffentlichkeit und wünsche mir, dass die Stimme der Stummen ein Gehör findet.