Ich bin 27 Jahre alt. Kurz nach meinem 25 Geburtstag musste ich Arbeitslosengeld II beantragen, besser bekannt unter dem Namen Hartz IV.
In den Medien werden Hartz IV Empfänger oft als Sozialschmarotzer bezeichnet. Sie nutzen das soziale Netz aus, das für sie offensichtlich als Hängematte fungiert, in der sie sich schön ausschlafen und ihr Leben genießen können.
Und dann wird sich am Ende auch noch beschwert, dass das Geld nicht zum Leben reicht.
Dabei scheint das Leben als Hartz IV Bezieher doch schon fast paradiesisch. Für Essen und Wohnung ist gesorgt, und Vergünstigung gibt’s noch oben drauf.
Hier möchte ich nun mein „Paradies“ vorstellen. Für mich persönlich kein Ort, an dem ich noch länger verweilen möchte.
Nachdem ich zum ersten Mal Hartz IV beantragt hatte, musste ich als erstes eine Art Weiterbildung besuchen. Dort bekommt man Hilfe beim Ausfüllen des Antrags und das SGB II in die Hand gedrückt. Man muss Fragen beantworten, was zum Beispiel eine „Bedarfsgemeinschaft“ sei.
Es ist ein bisschen wie in der Schule. Der Gesetzestext nervt, eine klare Antwort findet man irgendwie nicht so ganz und zum Schluss schreiben alle von dem einen ab, der scheinbar die richtige Stelle gefunden hat.
So richtig verstanden hat es danach keiner.
Der Kurs geht zwei Wochen, in denen man zum gefühlt hunderttausendsten Mal seine Bewerbungsunterlagen anfertigt oder verbessert.
Ja, manchen ist das schon eine Hilfe, aber ich falle meist durch das Raster. Meine Bewerbungsunterlagen sind schon längst in Ordnung, ich habe eher Probleme beim Bewerben.
Mein Problem ist etwas speziell, nicht zuletzt durch die irrationalen Ängste, die mich quälen.
So richtig qualifiziert sind die Leute, die einem dabei helfen sollen, nicht. Die eine Dozentin, wie dort alle Unterrichtenden genannt werden, weiß noch nicht mal, wo sich die Löschtaste auf der Tastatur befindet. Generell scheint ihr ein Computer nicht sonderlich vertraut zu sein. Dass in mir dann der Gedanke hoch kommt, dass ich in dem Job viel kompetenter wäre, lässt sich nicht vermeiden.
Aber im Gegensatz zu der leicht inkompetenten Dozentin, schaffe ich es ja noch nicht mal, mich zu bewerben.
Die nächsten Tage wird man acht Stunden vor den PC gesetzt, soll Stellen raussuchen und Bewerbungen schreiben. Als hätte ich das nicht schon die ganzen letzten Wochen getan.
Es ist furchtbar quälend nichts zu tun zu haben.
Nur weil ich jetzt in einer Maßnahme sitze, tauchen ja nicht wie durch ein Wunder jeden Tag neue Stellenanzeigen auf.
Wenn man in meiner Branche etwas sucht, kann man froh sein, wenn sich einmal die Woche etwas auf dem Stellenmarkt tut.
Deshalb bin ich froh, als es heißt, dass uns am nächsten Tag andere Dozenten unterrichten werden, sogenannte „Job-Coachs“, die uns helfen sollen, uns in Bewerbungsgesprächen richtig zu verhalten.
Die Job-Coachs kommen rein und reden ohne Punkt und Komma.
Übrigens sind die Job-Coachs, oder auch Dozenten genannt, je nachdem was sich gerade besser anhört, allesamt Ex-erfolgreiche Selbständige.
Diese Dozenten prahlen den ganzen Tag, wie toll sie sich hochgearbeitet haben. Vom einfachen Lagerarbeiter zum Personalchef und dann zur Selbständigkeit.
Jetzt natürlich schon in Rente, aber mit dem Dozentenjob kann man sich ja noch ein paar Euro hinzuverdienen.
Einer schwärmt stundenlang davon, dass er ohne Geld und festen Job nach Indien gegangen ist. Sich mit Schreiben das Geld verdient hat und schon fast überall auf der Welt war.
Nicht nur mich zieht das runter.
Im Nachhinein zieht mich das vorgelebte Glück aber viel weniger runter, als der eine Satz über Liebe, den ein Dozent in meinen Kopf brannte.
Eine Lebenserfahrung von ihm, die ich mir nicht zu sehr zu Herzen nehmen wollte, die mich dennoch stetig verfolgt.
Er sagte etwas zum Thema Beziehungen und Hartz IV. „Wenn ein Partner in Hartz IV rutscht, gehen fast alle Beziehungen kaputt.“
Damals hatte ich noch vor, mit meinem Freund zusammen zu ziehen, und hielt die Aussage für absoluten Schwachsinn und wollte sie auch gleich wieder vergessen.
Mittlerweile verfolgt sie mich wie ein böser Geist.
Hartz IV & die Liebe
Zurzeit bin ich Single. Ein Zustand, der mir nicht wirklich passt. Ich wünsche mir, wie viele andere, eine Familie. Einen Ehemann und zwei, drei Kinder. Vielleicht irgendwann in ferner Zukunft eine kleines Haus und ein Auto.
Aber es ist schwer den Richtigen zu finden. Und erst recht, wenn man keine Arbeit hat. Denn die erste, okay, vielleicht die zweite Frage bei einem Date ist meistens: “Und was arbeitest du?“
Blöde Situation.
Meistens versuche ich drum herum zu reden. Wenn ich das allerdings mache und der andre nicht rafft, dass ich auch einer von den elenden Hartz IV Schmarotzern bin, dann wird es schnell unangenehm. Ich erzähle, dass ich noch auf der Jobsuche bin und zurzeit nur ehrenamtlich arbeite. Dass ich im Prinzip schon seit der 8. Klasse verzweifelt auf der Suche nach einem Arbeitsplatz bin, verschweige ich natürlich beim ersten Date.
Selbst wenn ich jemanden gefunden habe, eine Beziehung eingegangen bin, dann kommt es trotzdem wieder hoch.
Ich fühle mich nun mal sehr allein und nutzlos. Und ja, ich habe tatsächlich um einiges mehr Zeit als einer, der eine 40 Stunden Woche hat.
So kommt es immer wieder zum Streit, in dem dann irgendwann der Satz fällt: „Wenn du einen Job hättest…“
Da kommt mir dann der gute alte Dozent wieder in den Kopf. Ja, er scheint recht gehabt zu haben. Hartz IV & Liebe, das passt einfach nicht.
Hartz IV & Die verdammten Spendensammler in der Stadt
Ich fühle mich regelrecht diskriminiert. Diese ganzen doofen Spendeneintreiber von „Plan“, „greenpeace“, „Kinder in Not“ und wie die alle heißen. Sie machen den Weg durch die Stadt zu einem Spießrutenlauf.
Nur um denen zu entkommen, wäre ich einmal fast vor eine Bahn gelaufen. Es ist so beschämend. Eigentlich finde ich es gut, dass es solche Organisationen gibt, aber sie machen mir mein Leben echt schwer. Ich würde ja auch gerne was spenden, aber wovon?
Okay, sein wir mal ehrlich. Selbst ich könnte etwas spenden, aber ich komm ja so schon nicht hin mit dem Hartz IV Geld.
Mich stört es, dass die so aufdringlich sind.
Selbst wenn ich mit einem Kopfschütteln vorbei gehe, verfolgen die mich manchmal noch. Und dann kommen so Sprüche wie : „Nicht mal einen Moment für die armen Kinder???“.
Am liebsten würde ich die anschreien. Denen lauthals entgegen schreien, ob die denn nicht sehen, dass ich kein Geld habe.
Dass die mich in Ruhe lassen sollen.
Ich fühle mich jedes mal so gedemütigt von ihnen.
Gerne würde ich etwas spenden, aber ich kann es mir nicht leisten. Und schwups, da meldet sich wieder mein schlechtes Gewissen…
“Kann ich es mir wirklich nicht leisten??? Könnte ich nicht doch auf ein bisschen was verzichten???
„Hartz IV & das Verzichten
Mit Verzichten kenne ich mich ja mittlerweile aus. Eine Zeit lang habe ich auf Fleisch verzichtet, weil mein damaliger Freund meinte, als Hartz IV Empfänger kann man sich halt kein Fleisch leisten.
Er meinte, auch das Sprudelwasser für 19 Cent wäre ein zu großer Luxus für Hartz IV Empfänger.
Das allerschlimmste ist, dass ich ihm mittlerweile sogar fast Recht geben würde.
Okay, ganz so dramatisch ist es nicht. Aber gegen Ende des Monats gibt’s halt doch öfter Brot und Leitungswasser, als mir lieb ist.
Wo mir das Verzichten wirklich schwer fällt, ist in Gesellschaft. Wenn ich mit Freunden unterwegs bin und ich in Erklärungsnot gerate, weil ich nicht spontan ins Kino will.
Oder ich den ganzen Abend an einem Glas Cola sitze, das wenn ich ehrlich bin, gar nicht in mein Budget gepasst hat.
Trinkgeld geben in Restaurants, finde ich immer schrecklich. Es ist schon alles so übertrieben teuer da, und dann soll ich auch noch Trinkgeld geben?
Zurzeit beuge ich mich dem Druck und gebe Trinkgeld, obwohl ich es mir definitiv nicht leisten kann. Meine Befürchtung ist, dass mich der Kellner für einen widerlichen Egoisten hält.
Einen Geizhals, der nicht mal 30-50 Cent für eine nette Bedienung über hat.
Außerdem ist der Kellner nicht so ein widerlicher Hartz IV Schmarotzer wie ich, der verdient sich sein Geld wenigstens auf ehrliche Art und Weise.