Die Psychiatrie-kritische-Gruppe Bremen hat zu einem Psychiatrie- und Forensik-kritischen Veranstaltungswochenende am 30.06. und 01.07.2017 in den Räumen der Blauen Karawane, Am Speicher XI, eingeladen.
Dieser Einladung bin ich neugierig gefolgt. Als ich am Freitag gegen 17 Uhr im Café Blau ankomme, sind schon einige Interessierte da, und dies, obwohl es regnet wie aus Kübeln und auf den Straßen ein einziges Chaos wegen diverser Baustellen herrscht.
Freitag (Tag 1)
Als Erstes kommt mir Julia Benz, ein Gruppenmitglied der Psychiatrie-kritischen-Gruppe, sehr aufgeregt entgegen. Zum ersten Mal hat sie mitverantwortlich eine solch große Veranstaltung auf die Beine gestellt. Als der angekündigte Referent um 17.30 Uhr noch nicht da ist, wird sie noch nervöser. Mittlerweile haben sich ca. 40 Interessierte eingefunden.
Julia Benz eröffnet um kurz nach halb sechs die Veranstaltung. Sie erklärt kurz, dass der Referent sich offenbar verspätet, sie aber dummerweise keine aktuelle Telefonnummer von ihm habe. Man spürt ihre Nervosität, das macht sie so sehr sympathisch. Und verzeiht auch ein wenig, dass es so unkoordiniert abläuft. Julia erklärt, wo wir uns befinden und wer und was die Blaue Karawane ist. Sie berichtet von ihrem Praktikum, welches sie dort absolviert hat und wie sehr erfüllt sie sei, und dass sie für sich festgestellt habe, dass Beziehungen in jedweder Form oft wichtiger seien als Therapien. Danach stellt sie noch den Programmablauf vor (welcher in dem Moment schon nicht mehr einzuhalten gewesen ist). Nach ca. 15 Minuten große Erleichterung, der Referent ist auf dem Weg.
Alex Steinweg
Mit ca. 30-minütiger Verspätung kann es dann nun mit dem Vortrag „Einführung in die Psychiatrie-Kritik“ losgehen.
Der Referent stellt sich als Alex Steinweg aus Oldenburg vor. Er sei Sozialpädagoge und habe diesen Vortrag auch schon im Alhambra (Kulturzentrum in Oldenburg) gehalten. Der Inhalt liest sich so: Würden wir eine Person verstecken, die zwangsbehandelt werden soll? Es heißt schnell, dass von außen nicht nachvollziehbares Verhalten ‘krank(haft)’ sei und die Betroffenen ‘professionelle Hilfe’ bräuchten. Aber wodurch legitimiert sich ‘professionelle Hilfe’ eigentlich? Und was ist eigentlich ‘krank’? Ziel dieses Vortrages ist es, einen Einblick in die Kritiken der ‘alten’ und ‘neuen’ psychiatriekritischen Bewegung zu geben.
Alex Steinweg ginge es darum, aufzudecken, was schief läuft in der Psychiatrie und wolle somit einen psychiatriekritischen Beitrag leisten, um auch aufzuklären. Er sagt, dass das Wissen der Menschen über Psychiatrie aus den 1980er-Jahren stamme. Er selbst sei nicht betroffen. Betroffen mache ihn aber, dass das Thema Gewalt in der Psychiatrie nicht wahrgenommen, Begrifflichkeiten wie ‘Irre’ und ‘wahnsinnig’ pauschale Wertungen nach sich ziehen, und wie Psychiatrie als solches immer noch nach außen hin wirkt. Die Gesellschaft spräche über Sexismus, Diskriminierung, Rassismus, aber nicht darüber, was mit psychisch kranken Menschen passiere. Nach wie vor sprächen die Leute lieber hinter vorgehaltener Hand über dieses Thema.
Er habe sich die Frage gestellt, welche Legitimation die Professionellen eigentlich haben. Bereits in den 1970/80er-Jahren wären die sogenannten Professionellen kritisiert worden. Erst seit ca. zehn Jahren würde hinterfragt werden, was denn die Professionalität ausmachen würde, und was jemanden befähigt, ein Professioneller zu sein. Die Ausbildung, das Studium?
Es gäbe auch keine ausreichenden Kontrollen der Professionellen – sie könnten machen und bescheiden, was sie für richtig bzw. für krank hielten.
In jedem Jahrhundert sei ein anderes Verhalten als wahnsinnig bezeichnet worden (die Nazis haben aus Wahn Menschen vernichtet). Die Fragen dazu seien, welche Gefahr geht von dem Verhalten des Menschen aus? Es gäbe dazu die unterschiedlichsten Erklärungsmodelle – mindestens genauso viele wie es ‘krankhaftes’ Verhalten gäbe.
Herr Steinweg habe sich die Frage gestellt, ob sich die psychische Erkrankung als solche verändert habe und wenn ja, wie. Den ‘Begriff’ gäbe es schon seit dem 15. Jahrhundert. Damals wäre der Zweck der Behandlung nur die Isolation gewesen – es wäre darum gegangen, die Gesellschaft vor diesem „Etwas“ zu schützen.
Es gibt nun eine wohlverdiente Pause. Während der gesamten Veranstaltung stehen Tee, Kaffee, Wasser, Kekse, Bananen, Pfirsiche und Melonenscheiben bereit. Jetzt gibt es einen kleinen Imbiss. Jeder der kann, tut was in den Spendentopf, denn die Veranstaltung soll für alle sein und nicht daran scheitern, dass jemand nicht kommen kann, weil ihm die finanziellen Mittel fehlen.
„Ensemble Zeitwende“
Fast pünktlich geht es dann um 20 Uhr weiter mit dem „Ensemble Zeitwende“, dass das Theaterstück „Immerwahr“ von Sabine Friedrich aufführen will.
Aus der Programmankündigung:
„’Immerwahr’ ist ein Theaterstück gegen das Vergessen. Gegen das Vergessen der Schrecken der Weltkriege und das Vergessen weiblicher Biographien”.
Die Journalistin Carla recherchiert für ein Buch das Leben der Clara Immerwahr. Die Geschichte dieser Frau ist tragisch. Sie ist Jüdin, Frauenrechtlerin, ist die erste promovierte Chemikerin vor dem 1. Welt-krieg. Ihr Vater hat gewollt, dass sie zur Schule geht, eine gute (Aus-)Bildung hat, allerdings war für ihn auch klar, dass die Pflichten als Frau und Mutter dennoch Vorrang haben.
Schließlich scheitert Clara an der Gesellschaft und dem herrschenden Frauenbild – sie landet in der Ner-venheilanstalt und erschießt sich später.
Die Solodarstellerin Jessica Coels, die – wenn ich mich nicht verzählt habe – 17 Mal die Rolle gewechselt hat. Sie hat es fertig gebracht, das Publikum 75 Minuten lang dabei sein zu lassen. Mal war sie Clara, dann Carla, die Mutter, der Vater, der Mann…… Sie hat dieses sehr berührende Theaterstück mit wenig und einfachen Mitteln kunstvoll in Szene gesetzt. Dies hat das Publikum mit einem nicht enden wollenden Applaus honoriert. Jessica Coels hat den Spagat zwischen früher und heute gut umgesetzt und konnte deutlich machen, dass es auch heute noch nicht selbstverständlich für eine Frau ist, Familie und Karriere leben zu können.
Hochachtung dafür, wie einfühlsam und berührend dieses Thema behandelt und letzten Endes auch umgesetzt worden ist. Clara Immerwahr ist keine Fiktion……
Samstag (Tag 2)
Am Samstag trudeln die Leute nach und nach ein, bis um ca. 12 Uhr sind dann etwa 30 Besucher anwesend. Das Programm bzw. der Ablauf wird geändert.
Jürgen Karwath von der psychiatrie-kritischen Gruppe Bremen trägt per Beamer den Verlauf der Vorfälle der letzten Monate in der Forensik des Klinikums Bremen-Ost vor. Es werden Zeitungsartikel gezeigt. Auch wird über die Umgehensweise des Klinikum-Ost mit der Kritik und der „Aufdeckung der Missstände“ gesprochen. Es wird über die Geschichte des Klinikums referiert, darüber, dass es die forensische Psychiatrie in Bremen-Ost schon über 100 Jahre gibt.
Herr Karwath sagt, dass immer mehr Menschen im Maßregelvollzug landen würden, im Moment seien es 127. Vor zehn Jahren wären es 78 und noch vor 20 Jahren ‘nur’ 20 Insassen gewesen. Warum hat sich die Anzahl der ‘Inhaftierten’ um so viel mehr erhöht, wird als Frage in den Raum gestellt.
In der Forensik gibt es wohl max. 136 belegbare Betten. Dort arbeiten 170 Mitarbeiter, also fast genauso viele wie Insassen/Patienten. Die Kosten pro Tag und Insasse belaufen sich auf 350 €. Das seien bei 136 Betten 17 Mio. Euro pro Jahr an Einnahmen. Die forensische Psychiatrie sei somit eine gute Einnahmequelle.
Dass mehr Menschen in der Forensik landeten, hätte Herr Dr. Schwerdtfeger (ehemaliger Chefarzt der Forensik im Klinikum-Ost) sich damit erklärt, dass immer mehr vom Knast in die Forensik geschickt würden. Das Netzwerk sei gut in Bremen, nach der Klinik ginge es drei bis fünf Jahre außerhalb der Klinik erstmal (wie auf Bewährung) weiter.
Jürgen Karwath, der das Material offenbar aufbereitet hat, dies auch vorführt und auch versucht, es zu erklären, verzettelt sich ein wenig…. es wird die allgemeine Psychiatrie mit der Forensik vermischt (die Missstände aufzudecken, ist natürlich in beiden Fällen gleich wichtig).
Hierzu werden verschiedene Sendungsbeiträge vom SWR ‘Odysso’ vom 02.06.2016 gezeigt. In einem Fernsehbeitrag behauptet ein Dr. Michael Axt, dass von 121 Gutachten 85 % falsch seien. Wer denn eigentlich die Gutachter überprüfen würde. Ein Hauptproblem sei die Zeit. Die Gutachter müssten in relativ kurzer Zeit eine Begutachtung vornehmen. Weiterhin problematisch sei, dass die Richter die Gutachter persönlich beauftragten und die Nähe von Richter zu Gutachter zu eng sei, dieses könne nach sich ziehen, dass der Gutachter es ‘besonders gut’ machen wolle und versuche, es dem Richter recht machen zu wollen. Es wäre notwendig eine unabhängige Stelle zu schaffen, damit keine solchen Verknüpfungen entstehen können. Bekanntester Fall in Deutschland, Gustl Mollath.
Ein Besucher, der seinen Namen nicht nennt, beschreibt, wie das sogenannte Beobachtungszimmer in der Forensik aussieht. Es sei ein kleiner gefliester Raum, in dem sich nur eine an den Boden geschraubte Pritsche befinden würde. Den Raum verschließen zwei übereinanderliegende Panzertüren ohne Sichtfenster. Die Fenster seien mit Folie verklebt, so dass man nur hell und dunkel wahrnehmen könne. Manchmal würde nachts einfach das Licht eingeschaltet werden, so dass man immer mehr die Orientierung verlieren würde. Dort sei man bis zu fünf Tage eingesperrt – von der Außenwelt abgeschnitten, total isoliert, ohne Wäsche, kein Hofgang. Jeder, der schon einmal dort drin gewesen sei, würde sagen, dass er sich lieber erschießen würde, als dort noch einmal hinein zu müssen.
Für ca. 10 bis 15 Minuten taucht der ehemalige Chef der Klinik-Ost Prof. Dr. Peter Kruckenberg auf. Er hört ein wenig zu und sagt dann, dass jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt und Zeitraum durchaus schuldunfähig sein könne, aber es könne auch anders sein. Es wäre dringend notwendig, dass das Verfahren für Außenstehende transparenter werden würde.
Die Verlängerung oder Beendigung der Haftzeit in der Forensik sei allein abhängig von der „Prognose“ der psychiatrischen Gutachter. Diese Begutachtungen fänden bei § 63 StGB einmal jährlich statt. Für die Insassen sei nicht absehbar, wann und ob sie überhaupt aus der „Anstalt“ entlassen werden würden. Eigentlich könne niemand solche Voraussagungen treffen, weil dann bräuchte man Einsichten ins Gehirn und selbst dann könne man nicht voraussagen, ob jemand zukünftig nicht mehr so „handeln“ würde. Sowohl das einmal erstellte Gutachten als auch der Gutachter würden nicht wieder überprüft werden.
Es folgt eine einstündige Mittagspause…..
Um 14:15 Uhr geht es im Programm weiter. Wenn ich das so salopp sagen darf, folgt nun das Highlight des Wochenendes.
Rolf (Betroffener aus der Schweiz) und Frau Dr. Regina Möckli (Psychiaterin aus der Schweiz)
Zunächst werden Frau Dr. Möckli und Rolf vorgestellt und herzlich begrüßt. Beide bedanken sich für die Einladung, und es ist beiden offenbar sehr daran gelegen, die Menschen über die Vorgehensweise und Missstände in der Forensik aufzuklären.
Rolf erklärt, dass er sich die Geschichten aus Bremen angehört und festgestellt habe, dass die Paragraphen zwar unterschiedlich seien, der Inhalt und die „Umgehensweise/Unterbringung/ Zwangseinweisung“ würden sich nicht unterscheiden.
Frau Dr. Möckli sei seit 1985 Ärztin, seit 1991 Psychiaterin und Psychotherapeutin. Sie arbeite als Familientherapeutin, hätte aber eine Zusatzausbildung im Fach Forensik absolviert. Sie möchte die Begrifflichkeiten Forensik und forensische Psychiatrie erläutern. Sie sagt, dass umgangssprachlich zwar immer das Wort Forensik gebraucht werden würde, aber eigentlich sei die forensische Psychiatrie gemeint.
Die Forensik sei die Verbrechensaufklärung durch Sachverständige aus der Kriminologie. Das Wort stamme aus dem Lateinischen ‘forum’ für Marktplatz. Im antiken Rom wären Untersuchungen, Verfahren, Verurteilungen etc. öffentlich auf dem Marktplatz durchgeführt worden. Heute würden unter Forensik jene Arbeitsgebiete zusammengefasst, in denen systematisch kriminelle Handlungen identifiziert, analysiert bzw. rekonstruiert werden.
Die forensische Psychiatrie sei ein Teilgebiet, eins von 10-12 Hilfskategorien der Forensik (wie Ballistik, Rechtsmedizin, Computer-Forensik). Dabei würde das Verhalten kriminologisch untersucht (z.B. wie verhält sich eine Kugel, wenn diese schräg von einer Mauer abprallt). Die forensische Psychiatrie befasse sich mit der Behandlung, Begutachtung und Unterbringung von psychisch kranken Straftätern.
Der forensische Psychiater müsse ‘nur’ klären, ob der Täter schuldfähig sei oder nicht. Laut Frank Urbaniok (forensischer Psychiater) sei die Risikoeinschätzung eines Täters reine „Wahrsagerei“ in der Psychiatrie.
Rolf ist in der Schweiz in der Forensik gelandet. Das Reden fällt ihm sichtlich nicht leicht. Man spürt seine Wut und….. Verbitterung? Ich weiß nicht, ob es das trifft.
Rolf beginnt zu berichten:
Er sagt, Insassen der Forensik haben keine Lobby. Das Aufdecken der Missstände in der „normalen“ Psychiatrie sei schon mit Schwierigkeiten verbunden. Aber mit Leuten, die in der Forensik einsitzen, wolle keiner was zu tun haben…. sie gelten als Abschaum der Gesellschaft, sie hätten es doch gut, sie sollten doch froh sein, dass sie nicht im Knast gelandet seien.
Durch Medikamentenentzug 2010 wurde bei Rolf eine wahnhafte Episode ausgelöst. Er habe Drogen konsumiert, von 2005 bis 2010 sei er im Methadonprogramm, 2010 sei er auf Entzug in einer Klinik gewesen. Er wollte nach Hause, wollte dort weiter „entziehen“. Aber das habe er unterschätzt. Nach zwei Wochen sei er „durchgedreht“. Er habe einer Frau mit dem Messer in den Bauch gestochen. Sie sei sofort notoperiert worden, hat ohne bleibende Schäden überlebt. Er sagt, dass sie sicherlich ein Trauma davongetragen habe, aber kein körperliches Leiden. Es sei vier Stunden lang ermittelt worden. Die Amtsärztin hätte ihm Hafterstehungsfähigkeit attestiert – d.h. er sei fähig gewesen, in die Untersuchungshaft überstellt zu werden. Aber statt ins Gefängnis, sei er in die Psychiatrie gefahren worden. Und er wisse bis heute nicht, warum.
Aus einer Körperverletzung sei eine vorsätzliche Tötung konstruiert worden. Und aus der wahnhaften Episode wurde eine chronisch paranoide Schizophrenie mit Affekt-Syndrom.
Rolf stellt nochmal fest, dass die wesentlichen Punkte sowohl in der deutschen als auch in der schweizerischen Gesetzgebung identisch seien. Es sei egal, wie das Gesetz formuliert sei, es würde so lange daran herum „gestrickt“ werden, bis es passend sei. Fünf Jahre steckte er in dieser Zwangsmaßnahme. Er hätte eine Verurteilung/Bestrafung akzeptiert, schließlich habe er Unrecht getan – das bestreite er auch nicht. Aber die Notwendigkeit, ihn in der Psychiatrie unterzubringen, wäre nicht gegeben gewesen. Seine Strafe hätte er als „normaler“ Gefangener verbüßt gehabt. Als Insasse der Forensik sei man oft länger ein-/ weggesperrt als ein Mörder. Nach fünf Jahren werde überprüft, ob die „Prognose“ gut sei, wenn nicht, warte man wieder fünf Jahre – bis max. 15 Jahre säße man ein und wenn die „Prognose“ dann noch immer nicht gut sei, komme man in die Sicherheitsverwahrung.
Bis heute wisse Rolf nicht, warum er nicht ins Untersuchungsgefängnis gebracht worden sei. In der Forensik sei er am Bett fixiert worden, erst nach 12 Tagen sei ein Gutachten nachgereicht worden. Es habe immer eine Polizistin an seinem Bett gesessen – dann sei er von acht Beamten abgeführt, fixiert und „weggespritzt“ worden. Nach vier Wochen sei er zum ersten Mal dem Tode nah gewesen, weil er durch die Medikamente total überdosiert worden sei. Danach sei er in den Hochsicherheitstrakt überstellt worden. Da man aber offenbar keine Überweisung/Einweisung und somit keine Rechtfertigung für die Überstellung in den Hochsicherheitstrakt hatte, sei im Nachhinein per Mail bei dem Gutachter nachgefragt worden, welche Diagnose auf der Überweisung stehen müsse, damit die Überstellung dann auch rechtens sei. Die Diagnose sei per Mail zugeschickt worden. Seither habe Rolf eine Diagnose, die nie von einem Gutachter oder Arzt persönlich festgestellt worden sei. Erst sein dritter Anwalt hätte dies endlich hinterfragt….
Anfangs hätte Rolf mitgemacht, weil er dachte, es würde ihm in der Klinik besser ergehen als im Knast. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er lebenslang dort weggesperrt sein könnte. Er sagt, dass einige Anwälte ihren Klienten dazu raten würden, auf Schuldunfähigkeit zu plädieren, weil sie dann nicht in den Knast müssten – aber aus Unwissenheit darüber, dass man vielleicht nie wieder aus der Forensik herauskommt. Eine Strafe hat man irgendwann abgesessen, in einer forensischen Psychiatrie bleibt man eventuell ein Leben lang.
Es ist wohl behauptet und unterstellt worden, dass Rolf schon sein Leben lang schizophren gewesen sei, er hätte es bis zu der Tat halt gut verbergen können. Er sagt wörtlich: „Man wird geistig entmündigt.“ Rolf konnte nicht widerlegen, dass er nicht unter chronisch paranoider Schizophrenie leiden würde. Für das Personal, die Ärzte und Gutachter sei er krankheitsuneinsichtig gewesen – ein eindeutiger Hinweis auf Schizophrenie!
Er habe vier Monate lang die Medikamenteneinnahme verweigert – da sei ihm damit gedroht worden, dass, wenn er die Pillen nicht nehmen würde, er nie wieder dort herauskommen würde.
Daraufhin habe er 87 Tage lang das Essen verweigert….. nachdem er dann so sehr abgemagert sei, habe man ihn nach Bern in eine Klinik überweisen müssen – er sollte essen! Er habe denen in der Klinik gesagt, dass er erst wieder essen würde, wenn er in den Knast verlegt werden würde. Letzten Endes wäre er während seiner U-Haftzeit doch noch ins Gefängnis gesteckt worden.
Rolf habe im Knast drei Monate gebraucht, um wieder zu sich zu finden, um zu realisieren, wer er sei. Er vergleicht es damit, wenn man 10 km durch das Meer schwimmt und dann völlig erschöpft am Strand ankommt und einfach liegen bliebe, weil nichts mehr gehen würde. Nach zwei Jahren wurde dann das Gerichtsverfahren eröffnet – Rolf und sein Anwalt wollten eine ambulante Behandlung erreichen. Am Tag vor der Verhandlung um 15 Uhr sei dem Gericht mitgeteilt worden, dass Rolf akut psychotisch sei und somit nicht frei gelassen werden könne. Am Tag der Verhandlung, um 8 Uhr am Morgen: Nach fünf Jahren mussten sie Rolf gehen lassen. Das Gericht hätte ihm nicht geglaubt, doch die Behandler hätten festgestellt, dass es keine Notwendigkeit geben würde, ihn länger in der Forensik zu belassen, und schließlich hätte er nachweisen können, dass es keine Symptome gibt. Er hätte eine Auflage bekommen, noch zwei Jahre lang eine ambulante Maßnahme aufzusuchen.
Rolf erklärt, dass er es ohne seinen Anwalt (wie gesagt, der dritte), Frau Dr. Möckli und die wenigen anderen Menschen, die ihm all die Zeit beigestanden haben, nicht geschafft hätte. Und das Schlimmste sei, dass jeder, der aus der Forensik entlassen würde, sehr krank sei und unwiderrufliche Folgeschäden durch Medikamente, Folterungen, psychische Misshandlungen usw. zurückbehalten würde.
Um 15:30 Uhr wird vorgeschlagen, eine Pause zu machen…. Ich bin erschöpft, muss das Gesagte sacken lassen, kann nichts mehr aufnehmen. Nach der Kaffeepause soll es weitergehen, einschließlich Diskussion…. ich kann nichts mehr aufnehmen und verlasse die Veranstaltung.
Fazit
Wir von der Zwielicht-Redaktion gehen bekanntlich erstmal kritisch mit Äußerungen, Behauptungen und/oder Vorwürfen von außen um bzw. eingereichten Artikeln, deren Wahrheitsgehalt nicht so einfach zu überprüfen ist. Ebenfalls bekannt sind wir dafür, dass wir – wenn wir erstmal „Lunte gerochen“ haben – dran bleiben und versuchen, uns eine eigene Meinung zu bilden bzw. die Sichtweisen der anderen objektiv darzustellen. Sollten die Vorwürfe (sowohl die aus Bremen berichteten als auch die aus der Schweiz) auch nur ansatzweise der Wahrheit entsprechen, wird es Zeit, diese Missstände aufzudecken und zu verfolgen.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich es gut finde, dass die Psychiatrie-kritische-Gruppe Bremen dieses Veranstaltungswochenende auf die Beine gestellt hat, auch wenn es an der einen oder anderen Stelle ein wenig holprig gewesen ist – das hat es umso sympathischer gemacht. Ich hoffe, wenn es noch einmal eine solche Veranstaltung geben sollte, dass sich mehr Menschen dafür interessieren. Wir dürfen nicht wegschauen – es darf uns nicht egal sein, wie mit Menschen umgegangen wird! Alle Menschen haben die gleichen Rechte….. wir bleiben dran!
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass es bei YouTube sowohl ein Interview mit Frau Dr. Möckli gibt als auch mit Rolf. Sein Interview wurde am 02.09.2016 veröffentlicht unter dem Titel „Das brachiale Geschäft der Forensik ….“
©Volker Hoffmann