Schon immer war ich ein Freund des Drückens und In-den-Arm-nehmens. Wo ich aufwuchs (Süddeutschland) war dies normal, ich kannte es nicht anders. Wenn man sich mochte und sympathisch war, hat man sich zur Begrüßung in den Arm genommen – ob Männer, ob Frauen, ob Kinder, ob Großeltern – auch wenn man sich nur oberflächlich kannte.
Dann bin ich nach Bremen gezogen. Meine erste Begegnung damit, dass dies vielleicht nicht immer normal und angemessen ist, hatte ich mit einem WG-Freund. Wir haben viele Abende zusammen verbracht und er war mir immer eine Hilfe in dieser neuen Stadt gewesen. Wir waren uns sehr sympathisch und eines Abends habe ich ihn einfach beim Verabschieden in den Arm genommen. Er war wie zur Salzsäule erstarrt und drückte mich auch nicht zurück. Auf meine Frage hin, ob ich etwas falsch gemacht hätte, sagte er mir, dass es für ihn völlig unerwartet kam und er damit nichts so richtig anfangen könne. Ich entschuldigte mich bei ihm. Ich wollte ihn nicht so überfahren. Das war für ihn dann okay, und nun ist er es, der mich in den Arm nimmt, wenn wir uns sehen. Mein Fazit: In Norddeutschland ist diese Art der körperlichen Nähe vielleicht viel zu privat und ich lasse nun lieber die Menschen von sich aus agieren. Ziemlich schnell wurde mir klar, dass nicht alle Norddeutschen, die ich kennengelernt habe, körperlich so distanziert sind.
Vor allem Frauen nehmen sich hier genauso gern in den Arm wie in Süddeutschland. Bei den Männern lass ich lieber Vorsicht walten.
Auf der Arbeit – im psychiatrischen Bereich – wurde mir dann schnell bewusst, dass es nicht nur manchmal unangemessen ist, sondern eine regelrechte Grenzverletzung. Während die Mehrzahl der Besucher in schwierigen Situationen meist beruhigt auf ein Streicheln über den Arm oder Rücken reagierten, gibt es doch einige Menschen, denen dies gar nicht gut bekommt. Ganz im Gegenteil. Für sie wird hier eine Grenze überschritten. Diese Grenzüberschreitung trifft sie zum Teil noch schwerer als die ursprüngliche Situation, da sie sich hier in einem Schutzraum wähnten.
Nun fing ich an zu überlegen: Will ich denn immer von jedem in den Arm genommen werden, auch wenn man sich sympathisch ist? Was macht man, wenn man die andere Person mag, aber man das Drücken nicht möchte? Verletzt man sie damit und sagt ihr deshalb nicht Bescheid? Weil man Angst hat, dass die Person sich dann komplett von einem distanziert?
Ich bin jetzt dazu übergegangen, dass ich es erfrage. In den Situationen, wo ich das Bedürfnis habe, jemanden in den Arm zu nehmen; wo ich das Bedürfnis habe, meine Anteilnahme körperlich zu äußern. So kann mein Gegenüber von Anfang an selbst entscheiden, was er/sie möchte und was nicht – ebenso wie ich. Mein Körper gehört mir! Auch bei scheinbar unverfänglichen Dingen wie Drücken.
Kennt ihr das auch? Was sind eure Erfahrungen? Wie kann man mit beiden Bedürfnissen, also die des Drückers und die des Gedrückten, gut umgehen, ohne jemanden wegzustoßen?