Autor:in: Volker Althoff

Martin Bührig übernimmt Gesamtleitung der psychiatrischen Kliniken

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Der Psychiater führt den Kurs der Psychiatriereform fort

In den psychiatrischen Kliniken der Gesundheit Nord (GeNo) gibt es einen Leitungswechsel: Seit dem 23. Dezember 2024 ist Martin Bührig alleiniger Chefarzt der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie. Er übernimmt kommissarisch neben seinem bisherigen Zuständigkeitsbereich auch die Regionen, die bisher vom zweiten Chefarzt Martin Zinkler verantwortet wurden. So leitet der 68-Jährige künftig sowohl die Klinik in Bremen-Nord als auch die Klinik am Klinikum Bremen-Ost mitsamt ihren regionalen Behandlungszentren Bremen-Mitte, Bremen-Vegesack, Gröpelingen und in der Neustadt.

Martin Bührig ist seit über 20 Jahren Chefarzt in der Psychiatrie. Der Psychiater und Psychotherapeut setzt sich für eine moderne, individuell auf den Patienten ausgerichtete Psychiatrie ein. Er beruft sich dabei auf eine gute Vertrauensbasis und das Vermeiden von Zwangsmaßnahmen. Die von ihm geleitete Klinik in Bremen-Nord wurde 2023 mit dem Förderpreis der Stiftung für Soziale Psychiatrie für ihre wegweisende Arbeit ausgezeichnet. Damit hat die Klinik in Bremen-Nord Vorbildcharakter für viele Psychiatrien in Deutschland. Zusammen mit den Klinikpflegeleitern Uwe Schale und Marc Leuther wird Martin Bührig den eingeschlagenen Kurs der Psychiatriereform in Richtung Ambulantisierung und Regionalisierung uneingeschränkt weiter fortsetzen. Der Aufbau der Behandlungsteams für die Versorgung Betroffener im eigenen Wohnumfeld (BravO) – Bremen ambulant vor Ort – wird ebenso weitergeführt wie der Abbau von stationären Betten und der Ausbau der regionalen Anlaufstellen für psychisch Erkrankte.

Gemeinsam haben Bührig und Zinkler das im Jahr 2024 gestartete Regionalbudget mit den Krankenkassen umgesetzt. Dieses Modellvorhaben für die Stadt Bremen erlaubt der Klinik, die Behandlung psychisch Erkrankter frei von Budgetvorhaben mit individuell auf die Person zugeschnittenen Hilfsangeboten durchzuführen. Damit haben die beiden Ärzte einen zentralen Schritt in Richtung Regionalisierung und Ambulantisierung der Psychiatrie eingeläutet. Beides war 2013 im Bürgerschaftsbeschluss als Ziel der Psychiatriereform formuliert worden. „Diesen Weg werden wir engagiert weitergehen“, erklärt Bührig. „Dabei stellen wir den Patienten und seine Geschichte ins Zentrum und können dank des Regionalbudgets viel individueller entscheiden, welche Therapien die geeignetsten sind und wann ein Wechsel zwischen den Versorgungsformen sinnvoll ist.“

Bereits 2023 hatte Bührig zusätzlich zur Psychiatrieleitung in Bremen-Nord auch die Leitung der Behandlungszentren West und Süd übernommen und war damit auch in die Leitung der Psychiatrie am Klinikum Bremen-Ost eingestiegen. „Wir freuen uns, dass Dr. Bührig nun bis zu seinem Ausscheiden in den Ruhestand die Gesamtleitung übernimmt“, sagt Dorothea Dreizehnter, Geschäftsführerin der GeNo. „Er wird mit seiner umfangreichen Erfahrung und seiner anerkannten fachlichen Kompetenz dafür sorgen, dass die Transformation der Psychiatrie im Sinne aller Betroffenen und Beteiligten weiter umgesetzt wird.“

3 Gedanken zu „Martin Bührig übernimmt Gesamtleitung der psychiatrischen Kliniken

  1. Wenn Dr. Bührig wie in dem Artikel angeführt so ähnliche Ziele wie Dr. Martin Zinkler verfolgt weshalb hat er dann so klaglos und kommentarlos hingenommen dass die geno sich von Dr. Zinkler als Teil der Klinikleitung verabschiedet hat?

    Wäre da nicht (weitaus mehr) kollegiale Solidarität angebracht gewesen?

  2. Siehe auch:

    “Mehr Menschlichkeit in der psychiatrischen Versorgung – gestrichen?” Pressemitteilung des Landesverbandes Psychiatrie Erfahrener (Seite auf jimdo)
    Https//:lvpebremen.jimdofree.com

  3. Allein- mir fehlt der Glaube – Zur medial geführten Debatte um die Psychiatriereform in Bremen anlässlich des Artikels „ Senat hält an Psychiatriereform fest“ Weser Kurier vom 10. 3.2025
    Zu meiner Person: ich wurde 1987 eingeladen, als künstlerischer Mitarbeiter die damals beginnende sozialpsychiatrische Reformbewegung zu unterstützen. 1989 wurde das Haus im Park am Klinikum Bremen Ost als Kulturhaus geöffnet. Ich habe das Haus bis zu meinem Ausscheiden 2023 geleitet.

    Anfang Januar dieses Jahres suggerierte die Berichterstattung des Weser Kuriers mit dem Titel des Artikels vom 04.01.2025, dass dieser eine Antwort auf die Frage gebe „Warum der Psychiatrie Chef (Martin Zinkler) gehen musste“. Unterm Strich blieb die etwas lahme „Begründung“ der Senatorin Bernhard, dass die „Verankerung eines veränderten Umgangs mit Menschen mit psychischer Erkrankung neben bestehenden Versorgungsstrukturen ein langwieriger Prozess sei, der sicherlich immer wieder an Grenzen stößt.“ Dass nun im März der Bremer Senat am Ende der Debatte um die aktuelle Anfrage der CDU-Fraktion zum Stand der Psychiatriereform nach Zinklers Ausscheiden zu einem etwas anderen Schluss kommt als Bernard noch im Januar, dass nämlich allen (wirklich allen?) jetzt noch Beteiligten an einem konstruktiven Miteinander gelegen sei, ist nun, nachdem der Hauptwidersacher alter Strukturen Martin Zinkler nicht mehr dabei ist, dann auch nicht weiter verwunderlich.
    Zu Bernards Eindruck und ihrer daraus folgenden Entscheidung, Zinkler fallenzulassen, bleibt zu sagen: Anstatt an dieser Stelle Verantwortung zu übernehmen und dem „Gesicht” der per Senatsbeschluss von 2013 beschlossenen Psychiatriereform Zinkler den Rücken zu stärken und die Reform mit ihm voranzutreiben, hat sie sich den Kräften, die -. aus welchen Gründen auch immer – am Erhalt der alten Strukturen hängen, gebeugt.
    Was in der laufenden Berichterstattung in den Hintergrund rückte, ist aber aus meiner Sicht der wirkliche Grund, für den Bruch mit Martin Zinkler. Zinkler musste gehen, weil er sich kompromisslos für die freiheitlichen Grundrechte nach einem selbstbestimmten Leben einer Personengruppe einsetzte, der diese über Jahrzehnte strukturell vorenthalten wurden und nach wie vor werden, um des Erhalts eben der bestehenden (schon seit langem in die Kritik geratenen) Versorgungs- aber auch Ausschließungsstrukturen willen.
    Zudem ist in der Berichterstattung zur Causa Zinkler meines Erachtens der lange-Weg der Psychiatriereform und der durch sie ausgelösten Widerstände zu wenig beleuchtet worden. Ich wurde 1987 als künstlerischer Mitarbeiter eingeladen, eben diesen heute als „Transformation“ bezeichneten aber damals für Bremen beginnenden Prozess zu begleiten. Dieser Transformationsprozess wurde damals sozialpsychiatrisch und damit als kultureller Transformationsprozeß aufgefasst und war mit der Öffnungsidee verbunden. Geöffnet werden sollte die Psychiatrie für gesellschaftliche Ursachen und Fragestellungen, woraus sich präventive Änderungen auch kultureller Praxis und nicht allein des Anpassungsverhalten psychiatriebetroffener, seelisch leidender entwickeln könnten. Geöffnet werden sollte aber auch das „normale“ soziale und kulturelle Umfeld Psychiatriebetroffener für psychiatrische Fragen und für ein Bewusstsein notwendiger Veränderungen kultureller Praxis im Geiste der Prävention aber auch der Rechte psychisch Betroffener auf ein nach Möglichkeiten selbstbestimmtes Leben.
    In diesem Zusammenhang entwickelten wir mit möglichen NutzerInnen eine Idee für eine kulturelle Schnittstelle zwischen „drinnen“ und „draußen“. 1989 wurde dann das Haus im Park als Kulturhaus für ein breites Spektrum an Kulturveranstaltungen eröffnet in das psychiatrie- und kulturkritische Fragestellungen integriert wurden. Ich leitete bis 2023 das Haus im Park als künstlerischer Mitarbeiter und kann glaube ich ganz gut etwas zu dem Verlauf dieses Reformprozesses vor allem aber auch zu den „kulturellen“ Widerständen gegen diese Öffnung sagen. Sie waren und sind enorm. Zunächst sehr deutlich von „drinnen“ zu spüren, von den Mitarbeitenden der psychiatrischen Versorgung, wobei hingegen das „Draußen“ der Stadt sehr wohl empfänglich und offen für unser Programm war (solange sich die Begegnung mit erkennbar Psychiatriebetroffen in Grenzen hielt).
    Der Widerstand von „innen“ gegen Kritik an Kultur und Psychiatrie erhöhte sich massiv im Zusammenhang mit der bevorstehenden Eingliederung des Zentralkrankenhaus Bremen Ost in die Bremische Krankenhausdachgesellschaft Gesundheit Nord kurz vor der Milleniumswende. Er kam von oben.
    Bereits 1999 wurde erstmals in die offene Begegnung von Menschen aus dem Stadtteil, der Stadt und Psychiatriebetroffenen, in die lebendig geführte Diskussion über die Zumutungen der sich rasant verändernden gesellschaftlichen Anforderungen, über weniger krankmachende gesellschaftliche Perspektiven und über eine Resilienz fördernde kulturelle Bildung jenseits des systemimmanenten Bildungsangebots offen und öffentlich von oben eingegriffen. Dieser partizipative Weg, nach Ursachen und Lösungen zu suchen, sei „spekulativ und durch nichts zu belegen“. Dahinter standen vermutlich Marketingüberlegungen und die Auffassung, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der (unserer) Kultur künftiger möglicher KundInnen (PatientInnen) vor allem der somatischen Kliniken und offen ausgesprochener Zweifel an psychiatrischer Praxis und Kompetenz nicht der sich neu entwickelnden Maxime der Ökonomisierung des städtischen Krankenhauswesens entsprachen. Das Haus im Park sollte nun zum „Profitcenter“ mit allgemein gefälligem Programm werden. 2004, unmittelbar nach dem Ausscheiden von Peter Kruckenberg, der als ärztlicher Geschäftsführer die sozialpsychiatrische Reformbewegung nach Bremen getragen und im Zentralkrankenhaus Bremen Ost und dann im Klinikum Bremen Ost als Teil der Gesundheit Nord vorangetrieben hatte, kam es zum offenen Bruch. Die neue Geschäftsführung untersagte mir die Fortsetzung der kritischen Ausrichtung meiner Tätigkeit während der Arbeitszeit.
    Etwas abgemildert wurde dieser geforderte radikale Bruch mit dem bis dahin entwickelten Profil des Haus im Park durch die Tatsache, dass sowohl der Nachfolger Kruckenbergs, Martin Heinze und auch noch dessen Nachfolger Jörg Zimmermann weiterhin gemeinsam mit dem Haus im Park und im Haus im Park den öffentlichen und offenen Diskurs über kulturelle, philosophische und ethische Grundlagen der Psychiatrie suchten. Nach dem Ausscheiden Zimmermanns 2016 gab es seitens der Psychiatrie keinen öffentlichen Diskurs mehr über Kultur und Psychiatrie. Meinen kulturkritischen und präventiven Ansatz konnte ich, nun aber durch den Filter der Kulturambulanz stark weichgespült, fortsetzen. 2021 wurde die bis dahin keinem klinisch-funktionalen Bereichen der Klinik zugeordnete Kulturambulanz der Abteilung „Spezialtherapien“ untergeordnet. 2023 verabschiedete mich der Abteilungsleiter mit der von ihm vertretenen Einschätzung der damaligen Geschäftsführung: „Das brauchen wir nicht mehr“. Von dem einst kulturkritisch-präventiven Ansatz ist nun auch in der Kulturambulanz nichts mehr übrig.
    Zur Causa Zinkler ist im Weser Kurier und in anderen Medien vieles Wichtiges und , wie ich finde, Kluges bemerkt worden. Ich persönlich sehe vieles, was an sich an positiven Entwicklungen im Bereich der psychiatrischen Versorgung in Zuständigkeit der Gesundheit Nord nun verlautbart wird, denn doch eher kritisch: grundsätzlich ist die restaurative Politik der Zentralisierung ambulanter Versorgung in der Tagesklinik oder der an das Klinikum verorteten Arbeitstherapie in der „gemütlichen Altbau- Atmosphäre mitten im Klinikum Park“ (WK 6.3. und 17.3.25) vermutlich nicht im Sinne der 2013 vom Bremer Senat beschlossenen Psychiatriereform und auch nicht im Sinne des geschiedenen Martin Zinklers: diese gemütliche Atmosphäre atmet immer noch den kaiserlich-paternalistischen Geist der „Kolonialen Irrenanstalt St Jürgen Asyl“ von 1904 sowie den Geist der Schweizer Sanatorien, in denen sich das an der eigenen Kultur krank gewordene Bürgertum von Schwindsucht und „Nervosität“ kurierte, weil diese Zentralisierung auch die Konfrontation des kulturellen und sozialen Umfeldes mit dem psychischen Leiden vermeidet, wo deren Ursachen in diesem Umfeld zu suchen sind. Nicht Natur! Kultur heilt Kultur.
    Stephan Uhlig, Bremen im März 2025

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