…. dabei heraus kamen kurze Texte, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Einige humoristisch, einige reflektierend und trotzdem alle “zwielicht”. Vier der Texte haben wir hier für Sie abgedruckt.
Wie ich stellvertretender Redaktionsleiter wurde
von C. Kaschkow
Ein Morgen im Keller der Villa Wisch, ich saß seitlich am Tisch des Redaktionsraumes unserer Zeitschrift. Nach und nach waren die Kolleginnen und Kollegen eingetroffen, etwas müde, aber doch freudig gespannt auf die Sitzung. Unüblicherweise saß der Redaktionsleiter noch nicht am hinteren Ende des Tisches, ein Platz, der mich immer schon reizte, konnte man doch von ihm aus den Raum überblicken, darüber hinaus die Treppe, die zu diesem zwielichtigen Redaktionsraum führt. Ein Stuhl strategisch wertvoll. Ohne den noch nicht eingetroffenen Redaktionsleiter machte keiner Anstalten, die Sitzung mit einem sachbezogenen Beitrag einzuläuten.
Nun fasste ich Mut und bestieg den Thron. Ich eröffnete die Sitzung mit freundlichen Worten und Mahnung zur Konzentration. Schon beim ersten Thema des Tages traf der Redaktionsleiter ein. Mit knappen Worten zeigte ich ihm einen Platz an, er dankte und setzte sich.
Ein Weg an den Grenzen….
von P. Beckmann
Bei der Entstehung der Zeitschrift wurde der Name Zwielicht durchaus begründet gewählt.
Im Zwielicht sieht man farblos, man kann auch sagen, aus unterschiedlichen Perspektiven.
In unseren Redaktionssitzungen kommen verschiedenste Menschen zusammen, oft auch mit seelischen Erkrankungen und Psychiatrie-Erfahrungen.
So bleibt es nicht aus, dass Konflikte auftauchen, die intensiv und mit psychologischen Erfahrungen ablaufen. Eine besonders extreme Auseinandersetzung hatte ich mit einer Kollegin, die ihre Diagnose offen preisgab. Sie hatte sich versteift in eine Sichtweise, die alles bösartig und profitgierig darstellte. Ich konnte und wollte diese Sichtweise nicht so stehen lassen. Ich benannte ihre Perspektive als eine durch traumatisierte Situationen wiederkehrende Sichtweise.
Nach einem emotionalen, mit Aggressionen und Tränen getragenen Ausbruch, stellte sie selbst klar, dass sie sich in einem dissoziativen Zustand befand. Der konnte durch den Konflikt geöffnet werden. Mein Körper zitterte bei dem Ausbruch, denn es war grenzwertig, diesen herauszufordern.
Die Erleichterung war riesig und doch waren andere nahezu geschockt. Genau dieses macht das Zwielicht aus, ein Weg an den Grenzen, ein Weg zu einer Erleichterung.
Allen Widrigkeiten zum Trotz
von S. Heuer
Nun, wie sieht es mit den Artikeln aus?“ fragt der Redaktionsleiter wieder einmal zu Beginn der Sitzung in die Runde.
Antwort Redakteur A: „Na ja, Anne hat eine Aufnahme von der Veranstaltung gemacht. Ich habe sie jetzt aber schon eine Zeitlang nicht mehr gesehen. Nein, Hr. Heuer, und bevor sie weiterfragen, ich habe mir keine Notizen gemacht, ich habe mich voll und ganz auf die Aufnahme verlassen.“
Antwort Redakteur B: „Also ich komme zur Zeit nicht so richtig ins Schreiben. Mir geht es nicht so gut momentan.“
Antwort Redakteur C: „Ich habe grad keine Lust zu schreiben.“
Antwort Redakteur D: „Ich habe da ‘ne richtig gute Idee. Eigentlich drei, vier Ideen. Die springen in meinem Kopf so hin und her. Aber demnächst wird da bestimmt was draus.“
Redakteurin E ist nicht da. Die Gruppe weiß aber, dass sie noch nicht bei der Institution XY angerufen hat, um wichtige Fragen für den Artikel zu klären.
Antwort Redakteur F: „Ich hab das fertig, will das aber nicht vorlesen.“
Ist das jetzt eine Übertreibung?
Nein.
Und ja.
Nein, weil recht häufig Probleme aller möglichen Arten auftauchen.
Ja, weil zum einen dann doch, manchmal plötzlich, ganz viele Dinge irgendwie in Bewegung kommen. Und weil wir immer wieder schauen, wie finden wir gemeinsam Lösungen für die verschiedensten Schwierigkeiten.
Und das ist letztlich ja auch immer wieder das Tolle. Dass wir trotz einiger Widrigkeiten immer irgendwie vorankommen. Und das im Wesentlichen durch das gemeinsame Besprechen von allen möglichen Problemen. Wobei es manchmal auch nötig sein kann, nicht alles mit der gesamten Redaktion zu besprechen, sondern die Hindernisse im kleinen oder ganz kleinen Kreis anzugehen.
Gedanken Gefühle Erfahrungen mit “Zwielicht”
von I. Gummig
Seit längerem als Gast in der Villa Wisch, überwindet irgendwann meine Neugier die Hemmschwelle Angst. Ich kenne inzwischen die Artikel im “Zwielicht”, höre die Redaktionsleute sich über die Zwielicht-Arbeit austauschen, und denke: “ich will mitmachen”. Denn da passiert etwas, was mein Interesse schon seit einiger Zeit geweckt hat. Meine Leidenschaft, mich schriftlich auszudrücken, könnte ich doch mit einbringen.
Also: Mut, und ich reiche erstmal Artikel ein. Dann gehe ich in tatsächlichen Kontakt zur Redaktionsgruppe. Geht das? Halte ich es aus, in einer Gruppe zu sitzen, dabeizubleiben, und das, was ich bisher nur schriftlich gemacht habe, in direktem Kontakt mit anderen zu äußern? Bleibe ich authentisch, oder lasse ich mich beeinflussen, von der Angst, von den Situationen, Konfrontationen, die bestimmt entstehen werden, die ich nicht vorher planen kann, mit denen ich umgehen lernen will.
Dann sitze ich dabei, vorsichtig, höre, sehe, fühle die anderen, und es passiert mir nichts. Gedanke und Gefühl Angst ist erstmal überwunden und ich schaffe es, bei mir zu bleiben.
Es entwickelt sich. Zusammenarbeit beginnt zu funktionieren. Ich merke, nicht Perfektionismus ist not-wendig, sondern authentisch sein. Das ist neu für mich.
Ich sehe, wie es den anderen mit mir geht und merke, ich kann eine deutliche Sprache sprechen mit dem, was ich zu sagen habe. Offenheit, Freude, Zusammenarbeit, Rücksicht nehmen, Gedanken, Gefühle, Erfahrungen teilen, Geben und Nehmen, das erlebe ich.
Gerade heute habe ich mal wieder eine Stresssituation überstanden. Das eigentliche Problem war: Kann ich mich genug abgrenzen, meine eigene Grenze erkennen?
Immer wieder ist es ein Lernprozess, immer wieder kostet es mich Mut und Kraft, mitzumachen. Doch die Möglichkeit, “zwielichtige Gedanken” auszutauschen, gemeinsam etwas zu schaffen, ist immer wieder eine Bereicherung für mich.