Autor:in: Sabine Weber, Sacha Heuer

Portrait einer Köchin

Waltraud Koch ist 47 Jahre alt und ein gutes Beispiel dafür, dass es auch nach vielen Jahren am Abgrund möglich sein kann, wieder Hoffnung zu schöpfen.

Frau Kochs Schicksal schlägt frühzeitig zu. Ihre Mutter nimmt sich das Leben, als die Tochter 15 Jahre alt ist. Der Vater folgt der Mutter einige Jahre später. Sie selber bekommt mit 18 ihr erstes Kind. Ihr Partner ist gewalttätig, sie flüchtet mit dem Kind vor ihm in eine andere Stadt. Eine Geschichte, die sich später mit einem anderen Mann wiederholt. Sie kommt in einem Frauenhaus unter, muss die Kinder abgeben und landet irgendwann auf der Straße. Sie bettelt, nimmt Drogen, trinkt, kann nur auf diese Weise ihre bittere Lebensrealität ertragen. Dabei achtet sie trotzdem penibel auf ihr Äußeres, geht regelmäßig im Schwimmbad duschen.

Das Leben auf der Straße nimmt sie als ständigen Kampf wahr. „Jeder ist sich dort selbst der nächste,“ sagt sie. Es werde getäuscht, gestohlen und betrogen.  Sie selber stiehlt auch, um ihre Sucht zu finanzieren, wird aggressiv, schlägt selber zu und kommt deswegen für über zwei Jahre ins Gefängnis.

Alkohol und Drogen machen sie fertig, sie will davon loskommen, versucht es selber und erlebt heftigste Entzugserscheinungen: „Es fühlt sich an, als sei der Bauch offen, ein ständiger Druck in dir, dauerndes Kopfkino, wie in Narkose. Kaum auszuhalten, hab dann den ganzen Tag Fernsehen geguckt, dann war‘s ein bisschen erträglich.“

Sie schluckt massenhaft Kopfschmerztabletten, versucht auf diese Weise,  die Entzugssymptome zu verringern und wird darüber medikamentenabhängig, ein Teufelskreis. Sie verliert allmählich das Vertrauen in die Menschen und damit auch ihren Lebensmut. Das Ergebnis: drei Selbstmordversuche. Kurzzeitig landet sie in Bremen-Ost. Aber nichts ändert sich.  Immer wieder kommt sie in Umgebungen von Sucht und Gewalt.

Eines Tages trifft sie einen alten Freund am Hauptbahnhof, den sie viele Jahre nicht gesehen hat. Dieser Freund ist entsetzt über ihren Zustand und sagt zu ihr: „Wenn Du so weiter machst, bist Du bald tot!“

Diese Worte treffen sie. Waltraud Koch merkt mit einem Mal, dass der Freund recht hat und dass sie dieses nicht will.

Sie sucht erstmals richtige Hilfe,  lebt in einem Wohnheim, bricht es nach neun Monaten ab.

Kommt für sechs Monate in die Therapieeinrichtung Bad Fredeburg. Dort findet sie langsam Halt. Strenge Regeln helfen ihr – und eine Therapeutin, bei der sie sich zum ersten Mal verstanden fühlt. Endlich ist dort jemand, die ihr wirklich zuhört, die zwar mitfühlend ist, sie aber auch an den richtigen Stellen konfrontiert. Durch diese Gespräche entdeckt sie, dass sie nicht nur vegetieren, sondern richtig leben möchte und fasst für sich einen Entschluss: „ Ich will für mich kämpfen.“

 

Der Anfang ist schwer. Aber immerhin, sie schafft es von Alkohol und Drogen zu lassen und arbeitet jetzt seit einem Jahr in der Küche beim ASB, in der Gesamtschule Mitte. Zunächst als Küchenhilfe.

Eines Tages wird ein Koch krank und Waltraud Koch springt ein. Es klappt sehr gut, sie kann weiter am Herd stehen und ist heute mitverantwortlich dafür, dass dort jeden Tag 250 Portionen Mittagessen gekocht werden.