“Ganz ruhig, bloß nicht weinen“, murmele ich, hoffentlich nicht merkbar für die anderen Kunden des Supermarkts, vor mich hin. Einen Wocheneinkauf…naja, wenigstens etwas zum Mittagessen. Meine Hände krallen sich um den Griff des Einkaufwagens. Ich muss mir eingestehen : „Ich bin überfordert.“
Die riesige Auswahl, die Planung, was ich wann kochen möchte, die schnell verderblichen Lebensmittel, das alles ist, was mich so quält und überfordert. So wird selbst ein simpler Lebensmitteleinkauf für mich zu einer Tortur.
Letztendlich schaffen es nur ein paar wenige Lebensmittel in meinen Einkaufswagen. Ohne, dass die Tränen ausbrechen, schaffe ich es zwar bis zur Kasse, aber sobald ich den Supermarkt verlassen habe, fließen sie doch, aber das sieht zum Glück ja keiner.
Zuhause angekommen, fällt mein erster Blick auf „Mount Dreck more“, ein bei mir heimisch gewordener Berg aus dreckigem Geschirr, der meine ganze Küche für sich erobert hat. Danach wandert mein Blick auf den Schreibtisch, wo sich mein persönlicher Kilimandscharo des Papierkrams befindet.
Rechnungen, Anträge und irgendwo dazwischen auch eine „To – do – Liste“, auf der an oberster Stelle steht: „Therapeuten suchen“, und es folgen weitere Punkte wie Bewerbungen schreiben und Gespräche mit dem Jobcenter führen. Wie soll ich das nur alles schaffen ??? Ich brauche konkrete Hilfe. Jemanden, der mir hilft, eins nach dem anderen anzugehen und zu bewältigen.
Am nächsten Tag sitze ich in der Villa Wisch und vertraue mich dort jemandem an. Ich erzähle von meinen Schwierigkeiten und bekomme einen sehr guten Tipp. So höre ich das erste Mal von Soziotherapie.
Seitdem ist jetzt fast ein halbes Jahr vergangen und ich habe meine ersten 30 Stunden Soziotherapie erhalten. In meinem Leben hat sich viel bewegt.
Neue Strukturen bestimmen jetzt meinen Alltag und geben mir Halt. Über einen “In-job” bin ich jetzt beim ASB beschäftigt, was vorher fast an für mich unüberwindbaren Hürden gescheitert wäre.
Meine Soziotherapeutin hilft mir bei Gängen zum Amt oder zum Arzt, bei denen ich mich sonst nicht getraut hätte, für mich selbst zu kämpfen.
Und in kleinen Schritten nähern wir uns dem großen Ziel, dass ich solche Dinge später ganz alleine schaffe.
Es gibt mir Selbstvertrauen und ich fühle mich nicht mehr so allein gelassen mit meinen Problemen. Endlich habe ich eine Art von Hilfe gefunden, die mir persönlich und ganz individuell zur Seite steht und mir hilft, mein Leben zu ordnen, damit ich mich in Zukunft nicht mehr von allem so überfordert fühle. Der „Mount Dreck-More“ ist mittlerweile nur noch ein kleiner Hügel, den ich regelmäßig mit Spülmittel und Schwamm in Schach halte.
Mein Kilimandscharo des Papierkrams ist schon sichtbar geschrumpft. Und ich bin mir sicher, dass ich auch den Wocheneinkauf noch besser in den Griff bekommen werde.
Morgen beantrage ich die nächsten 30 Stunden Soziotherapie und bin gespannt, wie mein Resümee danach ausfallen wird.
Wer kann Soziotherapie bekommen?
Bei allen psychiatrischen Diagnosen kann seit April 2015 Soziotherapie vom Arzt verordnet werden.
Neu ist auch, dass direkt die Institutsambulanz die Therapie verordnen kann.
Dauer:
In der Regel sind es insgesamt 120 Stunden Soziotherapie innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Jahren.
Neu ist, wenn es zur Stabilisierung des Behandlungserfolgs wichtig ist, kann auch länger als drei Jahre Soziotherapie verordnet werden.
Kosten:
Gesetzlich Versicherte müssen die übliche Zuzahlung leisten.
Das sind 10% der kalendertäglichen Kosten der Soziotherapie. Die Zuzahlung beträgt mindestens 5€, jedoch höchstens 10€.
In 3 Schritten zur Soziotherapie
Schritt 1:
Termin mit einem Anbieter für Soziotherapie ausmachen.
Schritt 2:
Beim Termin wird besprochen, ob Soziotherapie in Frage kommt.
Schritt 3:
Beim Arzt eine Verordnung für Soziotherapie holen. (Dies kann durchaus auch schon in Begleitung des zukünftigen Soziotherapeuten geschehen) Das war´s.
Die Unterlagen werden bei der Krankenkasse eingeschickt und man erhält kurze Zeit später einen Brief, ob die Soziotherapie bewilligt wurde.
In der Regel werden zuerst 30 Stunden bewilligt und man kann loslegen.
Hier die Adressen der verschiedenen Soziotherapie Anbieter in Bremen :