“Arbeit ist Scheiße & Scheißen ist Arbeit” – so lautet ein Graffiti, an dem ich 2019 auf einem meiner Streifzüge durchs Bremer Viertel vorbeiging. Es ist prägnant, wie Graffitis es sein müssen und kommt mit einem Augenzwinkern daher – hinter die Aussage hat der Künstler ein Herz gemalt. Vor allem aber ist es provokant.
Die Position zu vertreten, dass Arbeit per se scheiße sei, kann in unserer leistungsorientierten Gesellschaft als Tabubruch verstanden werden. Was also bringt jemanden dazu, diese Position zu vertreten?
Sicherlich, Arbeit kann anstrengen. Körperlich oder geistig, manchmal auch auf beide Weisen. Sie kann eintönig sein, langweilig oder ermüdend. Und es herrscht ein gewisser Druck, einem Beruf nachzugehen, denn manche anfallenden Arbeiten müssen einfach erledigt werden – ohne sie geht es nicht. Erwähnt seien an dieser Stelle die systemrelevanten Berufe, bei denen die Corona-Pandemie noch einmal gezeigt hat, wie enorm wichtig sie für uns alle sind.
Die extreme Gegenposition zu “Arbeit ist scheiße” ist die der Workaholics. Menschen, die sehr viel und gerne arbeiten. Sie würden Arbeiten sicherlich nicht so bezeichnen, denn sie sind regelrecht süchtig danach. Und auch das hat seine Gründe, denn Arbeit hat auch eine angenehme Seite: Sie kann sinnstiftend sein, eine:n mit Stolz erfüllen und Spaß machen. Wer einmal etwas geschaffen hat, was es vorher noch nicht gab, kennt das Gefühl der Befriedigung, das sich dabei einstellt. Bei der Arbeit hat man außerdem die Möglichkeit, sich selbst einzubringen und oftmals auch, sich auszudrücken.
Arbeit hat auch einen sozialen Aspekt. In der Regel arbeiten wir mit Kolleg:innen zusammen oder haben mit Mitarbeiter:innen zu tun. Und nicht zuletzt bringt Arbeit häufig Geld ein. Wer keinen Job hat, steht da schnell im gesellschaftlichen Abseits – auch, aber nicht nur finanziell. Für manche ist dies die hauptsächliche Motivation, zur Arbeit zu gehen.
Doch Arbeit, die nur um des Geldes Willen gemacht wird, birgt Risiken. Schließlich opfert man für diese seine eigene Lebenszeit, welche nicht zurückkommt. Und auch die Gesundheit steht manchmal auf dem Spiel. Zum Beispiel, wenn sich jemand überarbeitet und schließlich das Gefühl hat, dass nichts mehr geht. Umgangssprachlich redet man in solch einem Fall häufig von “Burnout”.
Burnout ist zwar keine von der WHO anerkannte Krankheit, sondern wird von ihr als “Berufsphänomen” beschrieben. Andere Quellen bezeichnen das “Burnout-Syndrom” dagegen sehr wohl als Krankheit. Unabhängig von der Frage jedoch, ob es eine Krankheit ist oder nicht, stellt der Burnout auf jeden Fall für den:die Einzelne:n ein ernstzunehmendes Problem dar. In vielen Fällen erfolgt eine Krankschreibung. Arbeit unter falschen Bedingungen kann also krank machen, auch psychisch. Zu viel Stress und Druck, dauernde Über- oder Unterforderung und weitere Faktoren können dazu beitragen.
Doch auch hier gibt es wieder die Gegenseite: Die strukturgebende Funktion von Arbeit kann auch dabei helfen, gesund zu bleiben (oder wieder zu werden). Deshalb wird zur Behandlung von psychischen Krankheiten auch die Arbeitstherapie eingesetzt. Stück für Stück werden Betroffene hier an die Herausforderungen der Arbeitswelt herangeführt.
Es bleibt also festzustellen, dass die moderne Arbeitswelt ihre Schwierigkeiten mit sich bringt. Die Einstellung, dass Arbeit scheiße sei, erscheint aber nicht hilfreich. Vielmehr muss sich jede:r Einzelne mit der Frage auseinandersetzen, unter welchen Arbeitsbedingungen sich gut arbeiten lässt und wie sich diese erreichen lassen.