Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) vergibt den Förderpreis für beispielgebende Konzeption in der gemeindepsychiatrischen Pflichtversorgung.
Er ist mit 2500,- € dotiert und wird in der Regel alle zwei Jahre von der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) für innovative Projekte und Initiativen zur gesellschaftlichen Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen vergeben: der Förderpreis der Stiftung. In diesem Jahr geht das Geld an das Psychiatrische Behandlungszentrum (BHZ) in Bremen-Nord.
„Das BHZ überzeugte die Jury durch seine herausragende und beispielgebende Konzeption in der gemeindepsychiatrischen Pflichtversorgung. Das Behandlungszentrum folgt einem Therapiekonzept, das Soteria und personenzentrierte Aspekte mit einer sozialräumlichen, auf Kooperation angelegten Orientierung verbindet“, erklärt Birthe Ketelsen, Pressesprecherin der DGSP. Mit Soteria ist ein milieutherapeutischer Ansatz gemeint, der größtmögliche Alltagsnähe bietet sowie das behutsame, unaufdringliche Begleiten („Dabei-Sein“). Die humane, möglichst neuroleptikafreie bzw. –arme, vorwiegend psycho-, sozio- und milieutherapeutische Behandlung findet außerhalb eines psychiatrischen Krankenhauses statt. Junge, akut psychotische Menschen werden in einer tragenden, schutzgewährenden, reizarmen, vertrauensfördernden, familiären und weitgehend entmedikalisierten Atmosphäre behandelt. Diese Atmosphäre unterscheidet sich stark von der einer traditionellen Akutstation, in dem sie emotionale Entspannung und größere Alltagsnähe anbietet und jegliche Form von Zwang vermeidet. „Das Behandlungszentrum hat zudem in der aktuellen Diskussion um die Krankenhausversorgung einen zukunftweisenden Modellcharakter, so Christian Reumschüssel-Wienert, der als Vertreter der Stiftung in Bremen den Preis an das Team des BHZ überreichte. Es setze wichtige Elemente zur Ambulantisierung um, bietet inmitten des Bremer Stadtgebietes eine sichtbare Anlaufstelle für Menschen mit komplexen Hilfebedarfen und entspreche damit in bestem Sinne den Kriterien der Ausschreibung. „Das BHZ liegt mitten in seinem Einzugsgebiet in Vegesack im Bremer Norden. Es ist damit nicht nur gemeindenah, sondern gemeindeintegriert. Es arbeitet mit vielen Gruppen, Organisationen und Initiativen im Umfeld zusammen, stellt seine Räumlichkeiten einigen Selbsthilfegruppen zur Verfügung und arbeitet im Rahmen des Gemeindepsychiatrischen Verbundes mit den entsprechenden Einrichtungen und Diensten zum Beispiel der Rehabilitation oder der Eingliederungshilfe zusammen. Besonders erwähnenswert ist die enge Kooperation mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst, der im BHZ in die Institutsambulanz integriert ist“, erklärt Birthe Ketelsen. Die innere Organisation des Behandlungszentrums überzeuge zudem durch seine ausgeprägte sozialpsychiatrischen Grundhaltung und kreiere ein therapeutisches Milieu, „das durch Normalität, Wohnlichkeit und einem Klima, das von Respekt, Offenheit und Empathie gekennzeichnet ist“. „In besonderem Maße beispielgebend ist die Beziehungsgestaltung, die über die ‚inneren Grenzen‘ des Behandlungszentrum hinweg und darüber hinaus eine Behandlungskontinuität ermöglicht“, so Ketelsen. In diesem Sinne spielen Musik-, Kunst- oder ergotherapeutische Angebote ebenfalls eine Rolle. Ein nächster Punkt ist die Einbeziehung von Genesungsbegleiter:innen mit eigener Psychiatrieerfahrung in die Teams, die „die Kultur des Hauses positiv beeinflussen“. Die Freude über die Auszeichnung ist bei Chefarzt Dr. Martin Bührig sehr groß: „Wir haben mit unseren institutionellen und konzeptionellen Neuerungen die Jury überzeugt. Darüber sind wir sehr glücklich. So können wir ein alternatives Behandlungskonzept vorweisen. Wir haben keine Stationen mehr, sondern Ebenen. Es gibt Zweibett-Zimmer auf zwei Ebenen, in denen Patient:innen schlafen. Darüber hinaus haben wir einen Aufenthaltsraum für Mitarbeiter:innen und Patient:innen.“ Das Behandlungsteam begleite die Patient:innen persönlich und therapeutisch. „Außerdem hat unser gemeindepsychiatrisches Zentrum keinen stationären Charakter mehr. So haben wir dazu beigetragen, stationäre Einheiten abzubauen und in tagesklinische Einheiten umzuwandeln. Und trotz geringer Bettenzahl ist eine Grundversorgung möglich“, so Bührig. Zudem verschreibe das BHZ viel weniger Medikamente und halte eine viel geringere Repression, also Fixierung von Patient:innen vor. „Das macht uns einzigartig in Deutschland. Damit sind wir Vorreiter“, so Bührig.