Es gibt leider viele Wege, um mit Nahrung Schindluder zu treiben und das in jeglicher Größenordnung. Auf Bundesebene erinnern wir uns vielleicht an den Fall des Lebensmittelherstellers Wilke: Dieser hatte Würste verkauft, die mit Listerien-Keimen belastet waren. 38 Krankheits- und drei Todesfälle werden damit in Verbindung gebracht 1). Wo die belasteten Würste überall gelandet waren, war nicht mehr nachzuverfolgen. Ein anderer Fall: Die Wurstfabrik Landsberger Wurstwaren, die zur Firma Tönnies gehört. Hier wurden über Jahre die Hygienevorschriften nicht eingehalten und das mit Wissen der zuständigen Lebensmittelaufsichtsbehörde.
Solche Skandale verunsichern. Man macht sich Gedanken, wie verlässlich das System der staatlichen Kontrollen ist, oder inwieweit man den Herstellern vertrauen kann. Wie kann man selbst Einfluss nehmen? Vielleicht meidet man ein Produkt oder einen Hersteller über den man Negatives gehört hat, aber dazu muss die Information auch erst mal existieren und bei einem ankommen. Schnell fühlt man sich machtlos und verdrängt die Problematik lieber. Oder man fühlt sich überfordert, wenn man überlegt, was man eigentlich alles recherchieren müsste, um „gutes“ Essen auf den Teller zu bekommen. Verständlich, denn man kann sich ja nicht um alles kümmern.
Die Idee
Bei der Arbeit von foodwatch geht es im Grundsatz darum, die Rechte von Verbraucher:innen in Bezug auf Nahrungsmittel zu stärken. Durch Recherchen, Kampagnen und immer wieder auch durch rechtliche Schritte wird Druck auf Politik und Hersteller gemacht, um Regeln zu etablieren, die Verbraucher schützen und deren Einhaltung auch effektiv kontrolliert werden. Die Einflussnahme der Lebensmittelindustrie auf die Politik ist dabei eines der größten Probleme.
Foodwatch nennt drei Kernbereiche der Forderungen:
(https://www.foodwatch.org/de/ueber-uns/unsere-mission/):
- Ausreichend gesunde Nahrung für alle Menschen, weltweit: Dies beinhaltet auch internationale Zusammenhänge. Gerade wirtschaftliche Entscheidungen in Europa haben oft große Auswirkungen auf andere Länder. Seit dem 17. Juni 2022 läuft beispielsweise die Aktion „Brot statt Profit“, die eine strengere Regulierung der Spekulation mit Lebensmitteln an den Finanz- und Nahrungsmittelmärkten fordert.
- Recht auf gesunde Produkte: Unabhängig vom Preis muss sichergestellt sein, dass die Produkte nicht mit Schadstoffen belastet sind oder andere gesundheitliche Gefahren beinhalten. Beispielsweise hat foodwatch über eine langjährige Kampagne erreicht, dass es in Deutschland eine Obergrenze für die Belastung von Trinkwasser mit Uran gibt. Ebenfalls eine langjährige Kampagne ist der Kampf gegen die Belastungen durch Mineralöl, welches u. a. durch Schmierstoffe und Druckfarben in Lebensmittel gelangt. Hier gibt es noch keine verbindliche Obergrenze.
- Recht auf transparente Informationen: Verbraucher:innen sollen wissen, was konkret in den Produkten enthalten ist. foodwatch kämpft hier u. a. gegen irreführende Werbung und für klare Kennzeichnungen von Inhaltsstoffen. Eine langwierige Kampagne ist die Kennzeichnung von Lebensmitteln durch die Nutri-Score-Ampel, mittels derer Verbraucher:innen schnell einschätzen können, wie ausgewogen oder unausgewogen ein Produkt ist. Die Nutri-Score-Ampel wird mittlerweile von einigen Lebensmittelherstellern freiwillig umgesetzt, ist aber immer noch nicht verpflichtend.
Organisation und Finanzierung
(https://www.foodwatch.org/de/ueber-uns/fragen-und-antworten/)
Foodwatch ist eine Non-Profit Organisation und wurde 2002 als eingetragener Verein gegründet. Die Gemeinnützigkeit ist anerkannt. Laut eigener Aussage werden die Kosten hauptsächlich durch Förderbeiträge und Kleinspenden getragen. Großspenden und Stiftungsgelder machen nur einen kleinen Anteil aus. Spenden aus der Lebensmittelwirtschaft werden dabei ebenso ausgeschlossen wie staatliche Gelder.
Aktuell (Oktober 2022) hat foodwatch über 45.000 Fördermitglieder. Als Mitglied erhält man regelmäßige Berichte über die Aktivitäten, Kampagnen und auch einen transparenten Finanzbericht.
Seit 2002 ist foodwatch gewachsen und in immer mehr europäischen Ländern vertreten: die Niederlande (2010), Frankreich (2014), Österreich (2021) und mittlerweile auch Belgien gehören dazu. Seit 2017 gibt es die Dachorganisation foodwatch International, die gemeinsame Aktivitäten der nationalen foodwatch-Büros koordiniert.
Goldener Windbeutel
Jedes Jahr ruft foodwatch zur Wahl des Goldenen Windbeutels auf. Dies ist eine Auszeichnung für die dreisteste Werbelüge im Lebensmittelbereich. Jede:r kann dazu Vorschläge online einreichen und ebenfalls online abstimmen. Steht das Ergebnis fest, besucht foodwatch die Firma und überreicht den Goldenen Windbeutel in einer medienwirksamen Aktion. Auch wenn dieser Preis selten entgegengenommen wird, hat er dennoch Auswirkungen: Viele Firmen setzen sich im Nachgang damit auseinander, verändern das Produkt, die Bezeichnung oder nehmen das Produkt ganz vom Markt. Der Hersteller Zwergenwiese hat als bisher einziger Hersteller den Goldenen Windbeutel 2019 für seine Kindertomatensoße entgegengenommen und versprochen den kritisierten Zuckergehalt zu reduzieren. (https://www.foodwatch.org/de/pressemitteilungen/2020/nach-verbraucher-protesten-zwergenwiese-reduziert-zuckergehalt-seiner-kinderprodukte/)
Anders lief es bei der Firma Hochland ab, dessen Produkt Grünländer Käse den Goldenen Windbeutel 2020 erhielt. Kritisiert wurden hier die Angaben „Freilaufkühe“ und „Grüne Seele“ auf der Verpackung, da die Kühe tatsächlich im Stall gehalten wurden. Hochland verzichtete aber erst nach einer Abmahnung auf die irreführende Bezeichnung. Die zuständigen bayrischen Lebensmittelaufsichtsbehörden weigerten sich, dagegen vorzugehen, weshalb foodwatch eine Fachaufsichtsbeschwerde beim Bayerischen Staatsministerium für Verbraucherschutz einlegte. (https://www.foodwatch.org/de/pressemitteilungen/2021/aus-fuer-werbeluege-hochland-verzichtet-auf-irrefuehrende-werbung-mit-freilaufkuehen-auf-gruenlaender-kaese/)
Mitmachen – z. B. bei Topf Secret
Mitglieder sind immer wieder aufgefordert, an Aktionen oder Kampagnen teilzunehmen. Beispielsweise läuft schon seit längerem die Aktion „Topf Secret“. Dabei geht es um die hygienischen Zustände in Restaurants und anderen Gastronomiebetrieben. Diese müssen regelmäßig von einer Behörde überprüft werden, ob sie sich an die Hygienebestimmungen halten. Die Behörde verfasst dazu jeweils einen Bericht, der aber nicht öffentlich einsehbar ist. Dabei wäre es ja schon gut zu wissen, ob die Pommesbude um die Ecke ein Rattenproblem oder das nette Restaurant daneben Schimmel in der Küche hat. Jede:r Verbraucher:in hat das Recht, diese Berichte abzufragen, was aber langwierig ist und auch kaum jemand weiß. foodwatch hat den Vorgang (in Zusammenarbeit mit der Transparenz-Initiative „Frag den Staat“) durch eine Online-Plattform stark vereinfacht. Auch ich habe daran teilgenommen und die Berichte für eine McDonalds Filiale und CKT Pommes for President angefordert. Tatsächlich erhielt ich ein paar Wochen später Kopien von handschriftlichen Berichten. Diese konnte ich dann über die Online-Plattform veröffentlichen. Die (lokalen) Behörden gehen hier aber wohl sehr unterschiedlich vor. Teils werden die Berichte zurückgehalten, teils mit Kosten oder Gerichtsverfahren gedroht.
Fazit
Ich bin der Meinung, dass foodwatch eine wertvolle Arbeit leistet. Eigentlich wäre dies ja die Aufgabe von Lebensmittelaufsichtsbehörden, die Bevölkerung zu informieren und für Lebensmittelsicherheit zu sorgen, aber offensichtlich gibt es dort eklatante Mängel. Es ist traurig zu sehen, wie wenig die Verbesserung dieser Zustände von politischer Seite vorangetrieben wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeit der Behörden irgendwann verlässlich funktioniert. Bis dahin bin ich froh, dass es foodwatch gibt.