Autor:in: Volker Althoff

Dauerausstellung Krankenhausmuseum – Auf den Spuren der Psychiatriegeschichte nach 1945

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Auf den Spuren der Psychiatriegeschichte nach 1945

 

„Die Tötung von Menschen mit psychischen oder geistigen Behinderungen war keine nationalsozialistische Idee“ – so steht es auf einer Schautafel geschrieben. Woher kommt dann die Idee? Eine Antwort darauf gibt die neue Dauerausstellung, die im Krankenhaus-Museum -welches sich auf dem Gelände des Klinikums Bremen-Ost befindet- zu sehen ist. Sie trägt den Titel „Wahnsinnig?! Psychiatrie – Gesellschaft – Kunst“. „Wir sind mit der Ausstellung aus dem ersten Stock ins Erdgeschoss gezogen. Somit ist sie jetzt barrierefrei. Inhaltlich hat sich die Ausstellung deutlich erweitert“, berichtet Jannik Sachweh, Leiter des Museums. Am Eingang begrüßt die Besucherinnen und Besucher ein Introfilm auf einer Leinwand, in dem sich 16 Menschen vorstellen, die in irgendeiner Art Berührungspunkte mit dem Thema Psychiatrie haben. Darunter sind zum Beispiel der Ärztliche Direktor der AMEOS-Klinik, Prof. Dr. Uwe Gonther sowie eine EX-In Genesungsbegleiterin, die langsam auf einen zukommen und dann auf Augenhöhe über ihre Erfahrungen zum Thema sprechen.  Dahinter befinden sich zwei große Tische, auf denen 20  Biografien dargestellt werden, wie beispielsweise von Dorothea Buck (1917 – 2019) oder Johann Diedrich Weiland (1857 – 1937), der 1901 Kaiser Wilhelm II in Bremen mit einem Metallstück bewarf und daraufhin sein gesamtes Leben in einer Heilanstalt für psychisch Kranke lebte. „Einzelne Lebensläufe sind per Video oder Audio von den Persönlichkeiten zu sehen oder zu hören. Sie erzählen die Geschichte der Psychiatrie. Das ist ein neuer erzählerischer Ansatz, erklärt Sachweh. So gibt es viele Biografien, die im Fokus der neuen Dauerausstellung stehen. Viele Menschen haben einen Bezug zu Bremen, andere Persönlichkeiten haben über die Stadtgrenzen hinaus die Psychiatrieentwicklung beeinflusst.

Um die zwei Stationen herum befinden sich sieben thematische Kapitel, die wie kleine Inseln angeordnet sind. Mit der Frage „Wo bin ich hier?“ beschäftigt sich der erste Bereich. Er zeigt Orte der Psychiatrie in Bremen auf. „Was ist normal? Wer ist normal?“ beschäftigt sich mit der Diagnostik psychischer Erkrankungen. Der dritte Bereich greift die Frage auf „Wie kann ich behandelt werden?“, es geht um Behandlungsformen und Therapien. „Dort werden religiöse Vorstellungen dokumentiert oder medikamentöse Therapien vorgestellt“, erklärt Jannik Sachweh. So ist zum Beispiel ein weißes Zwangskleid in einer Vitrine zu sehen. „Zwang ist bis heute immer noch ein Thema“, sagt Achim Tischer, ehemaliger Museumsleiter. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Geschichte der psychiatrischen Pflege. Darin kommen sehr viele Pflegerinnen und Pfleger zu Wort. „Das Kapitel berichtet über Ausbildung, Aufgaben und Alltag in der Pflege“, beschreibt Sachweh. Ein Kapitel beschäftigt sich mit den Medizinverbrechen im Nationalsozialismus und wirft die Frage auf „Was ist ein Mensch wert?“ „In Bremen sind über 2000 Menschen gegen ihren Willen sterilisiert worden und 900 Menschen wurden ermordet. Die Namen der Opfer wollen wir mit der Ausstellung sichtbar machen“, erklärt Sachweh. Der sechste Themenbereich beschäftigt sich mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das siebte und letzte Kapitel befasst sich mit der Zeit nach 1945, also nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier geht es um die Frage „Einmal ver-rückt, immer ver-rückt?“ „Es wird die Entwicklung der Psychiatriereform skizziert und die Frage gestellt `wie sieht es heute aus?`“, berichtet der Museumsleiter. So zeigt die neue Dauerausstellung die Psychiatriegeschichte anschaulich mit Texten, Bildern, Ton und Video und vor allem zahlreichen Originalobjekten wie z.B. einem Klostuhl.

Ein gutes halbes Jahr Umbauzeit und fast zwei Jahre Planung waren erforderlich, um die neue Ausstellung entstehen zu lassen. „Jahrelange Recherchen sind dieser völlig neu konzipierten Ausstellung vorausgegangen. Wissenschaftlich ist die Geschichte der Bremer Psychiatrie auf den aktuellen Forschungsstand gebracht worden“, sagt Achim Tischer. Ein neues Tablet-System macht die Ausstellung zugänglicher und ermöglicht verschiedene Vertiefungsebenen.

Die Ausstellungsfläche beträgt 200 Quadratmeter. Ein weiterer wesentlicher Schwerpunkt der Schau ist die Kunst. Werke der angewandten und bildenden Kunst, darunter auch zahlreiche internationale Leihgaben aus öffentlichen Sammlungen und Privatbesitz, zeigen Persönlichkeiten und stellen nicht ihre Krankheiten in den Vordergrund. Diese Arbeiten der Künstler verteilen sich über die äußeren Wände des großen Präsentationsraumes. „300.000 Euro wurden in diese Ausstellung gesteckt. Einige bauliche Maßnahmen stehen noch an“, sagt Tischer. So wurde dieses „Großprojekt“ durch die Unterstützung zahlreicher Sponsoren und des Fördervereins ermöglicht. Das Obergeschoss soll zukünftig für Sonderausstellung genutzt werden.

Die  Ausstellung ist von mittwochs bis sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite www.kulturambulanz.de

 

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