Autor:in: Sabine Weber

Keksdose

Es gab einen Raum bei uns in der Mietwohnung, in einem alten Bremer Haus.
Da hab‘ ich viele Tage verbracht – weggesperrt!
Weit, weit weg von den anderen . . .
Dieser Raum war dunkel, weil ein Balkon darüber war.
Meine Mutter hat ihn mit einer Tapete bestückt, im wahrsten Sinne des Wortes.
Denn ich fühlte mich wie ein Keks in der Mitte einer Dose.
Die Tapete bestand aus eckigen und runden Keksen, wirklich genauso, als wenn man Kekse aus der Dose nehmen würde und ohne große Abstände zueinander an die Wand klebt.
Einige mit Schokoglasur, andere nur beige.
Erst jetzt, wo ich fast fünfzig bin, setzen die Erinnerungen und Gefühle sich wieder in Bilder um.
Ich war ein sehr lebhaftes Kind, das letzte von zwei weiteren Geschwistern.
Wobei meine Schwester schon adoptiert war.
Wohl einfach zu viel für meine Mutter.
Sie sperrte mich konsequent die ersten Jahre weg.
In dem Raum, Tür zu.
Machte ich die Tür auf, war ich in der Waschküche, die noch so einen alten Waschbottich aus ganz hartem Stein hatte.
Und die Waschküche hatte auch noch eine Tür – ebenfalls verschlossen, aber mit Fensterscheiben drin.
Da konnte ich rausschauen, aber da war keiner, nur der Flur, wo die Treppe war, die nach oben führte, wo die Menschen sind.
Aber diese Menschen waren nicht gut für mich.
Also war ich mit mir ganz allein.
Da war ein orangefarbener Kaufmannsladen in dem Raum. Den hatte ich mal zu Weihnachten bekommen.
Ich konnte ihn nicht mit Leben füllen –
nur die kleinen Pappschachteln mit Puffreis.
Meine Kunden waren die Stofftiere, denen ich verschiedene Stimmen und Charaktere gab.
Aber ich fühlte das ganz doll, dass etwas nicht stimmte in diesem Raum.
Ich war beziehungslos, völlig fernab von Menschen, keine Stimmen, keine Geräusche.
Essen und Trinken gab es sehr unregelmäßig. Die Toilette war in der Waschküche.