Autor:in: Alexandra Evers

Der erste Arbeitsmarkt und ich

Im Gegensatz zum ungeförderten, ersten Arbeitsmarkt besteht der zweite Arbeitsmarkt aus Arbeitsplätzen, die mit Hilfe von staatlichen Förderungen aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik geschaffen werden. Diese Arbeitsplätze sind zeitlich befristet und sollen arbeitsmarktferne Menschen  beschäftigen sowie schrittweise auf eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt vorbereiten. Arbeitsplätze auf dem zweiten Arbeitsmarkt werden in der Regel von gemeinnützigen Vereinen und Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Förderung von Arbeit und Beschäftigung an Stelle von Arbeitslosigkeit – dies hilft nicht nur den Betroffenen, sondern über höhere Steuern und Sozialversicherungsabgaben auch dem Staat. Die Kombination von Beschäftigung mit sozialpädagogischer Betreuung und Maßnahmen zur Qualifizierung, soll arbeitssuchende Menschen langsam wieder an den ersten Arbeitsmarkt heranführen.

 

Es fing schon damit an, dass ich ohne eine Schilddrüse zur Welt gekommen bin. Weil die Ärzte dieses zu spät erkannten, habe ich eine deutliche Verlangsamung und habe alles viel später gelernt als normal.

Trotzdem habe ich eine Ausbildung im Berufsbildungswerk Bremen als Bürokraft vor der Handelskammer erfolgreich abgeschlossen. Ich habe gleich nach der Ausbildung eine Arbeitsstelle als kaufmännische Angestellte bekommen und dort fünf Monate gearbeitet. Als die Firma insolvent ging, habe ich den Arbeitsplatz verloren und die Spirale aus Maßnahmen, Zusammenbrüchen und Tiefs begann.

Im Zuge eines Praktikums während einer Maßnahme bin ich in eine Zeitarbeitsfirma gekommen und habe dort für zwei Jahre in verschiedenen Betrieben die Daten erfasst. Auch ein langes Praktikum bei der Bremer Lagerhaus Gesellschaft blieb ohne Festanstellung.

2006 sollte eine Weiterbildung zur Buchhaltungskraft endlich aus der Arbeitslosigkeit führen. Trotz erfolgreichem Abschluss, fand ich keine Stelle und habe mich im Lager mit Erfolg beworben. Leider habe ich das Drei-Schichtensystem und die körperliche Belastung nicht ausgehalten und musste die Stelle aufgeben, nachdem ich während einer Nachtschicht zusammengebrochen bin.

Eine Zeitlang machte ich verschiedene Injobs. Einer dieser Injobs im Recyclinghof wurde zu einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Ich war glücklich bis zum März 2009, dann endete die Stelle.

Nach einer Reha wegen einer Knieverletzung folgte eine erneute Weiterbildung, diesmal „Kaufmännische Grundkenntnisse“ in einer Übungsfirma. Parallel musste ich mich weiter für den ersten Arbeitsmarkt bewerben. Es sollte auch ein Praktikum während der Weiterbildung folgen, doch ich fand keinen Platz. Ich war sehr traurig darüber, dass mir nicht mal einer eine Chance gab. Ich habe es nicht verstanden, warum mich keiner ein Praktikum machen lies. Ich war sehr wütend und unmotiviert.  Ich habe alles in mich reingefressen und wollte keinen mehr sehen. Ich war ohne Hoffnung.

2012 folgte die nächste Weiterbildung im Rechnungswesen einer Übungsfirma. Auch hier sollte ich mich weiter für den ersten Arbeitsmarkt bewerben, auch hier blieb der Erfolg aus. Mich haben die ganzen Absagen so fertig gemacht, dass ich zweimal innerhalb von 14 Tagen kollabiert bin und im Krankenhaus gelandet bin. Endlich haben die Ausbilder und Sozialpädagogen gemerkt das ich dem ersten Arbeitsmarkt nicht gewachsen bin und wollten sich bemühen, dass ich auf den zweiten Arbeitsmarkt komme. Sogar meine Hausärztin hat mit der Leiterin und Ausbildern gesprochen. Ich organisierte einen Termin mit dem Jobcenter und meiner Sozialpädagogin. Nur leider kannte sich mein Fallmanager beim Jobcenter damit nicht aus, wie man auf den zweiten Arbeitsmarkt kommt. Ich wurde aus dem Rechnungswesen genommen und durfte nur noch Bewerbungen schreiben. Alle Kollegen, die nicht so qualifiziert waren wie ich, haben einen Praktikumsplatz  bekommen.

Nach einem erneuten Kreislaufkollaps diagnostizierten die Ärzte einen Burnout.

Ich konnte nicht mehr, aber aufgeben kam für mich nicht in Frage.

So habe ich die Fortbildung weiter in Teilzeit gemacht. Ich musste weiter Bewerbungen schreiben. Meine Motivation war im Keller und ich hatte zu nichts mehr Lust. Auf einmal bekam ich auf eine Bewerbung eine Zusage, dass ich ein Praktikum bei der Polizei in der Buchhaltung machen darf. Ich war wieder glücklich und motiviert. Ich habe mich tierisch auf das Praktikum gefreut.

Leider hielt das Glück nicht lange an. Ich bekam kurz vor den Praktikum einen unerklärlichen Ausschlag am ganzen Körper und hohes Fieber. Meine Fortbildung wurde vom Berufsfortbildungswerk abg-brochen und ich verlor auch das Praktikum, wo ich mich schon so drauf gefreut hatte. Ich bin in ein schweres Tief gestürzt und wusste nicht weiter. Ich habe mich von den ganzen Leuten ferngehalten. Ich wollte keinen mehr sehen. Dann ist noch meine Mutter unerwartet gestorben und für mich war das Ende erreicht.

Erst nach vielen Gesprächen mit meiner Hausärztin und Psychiaterin konnte ich mich wieder motivieren etwas Neues zu beginnen. Ich begann eine neue Maßnahme bei der Deutschen Angestellten Akademie, bei der ich wieder nur Bewerbungen schreiben sollte und einmal pro Woche ein Gespräch mit meinem Jobcoach hatte. Sie hatte dann die Idee, dass ich eine Ausbildung zur Betreuungsassistentin beim Deutschen Roten Kreuz machen sollte. Gott sei Dank hat die Fallmanagerin beim Jobcenter nicht mitgespielt. Wenn man schon physisch angeschlagen ist, kann man in keinen Sozialberuf mehr arbeiten, dass wollte der Jobcoach von der Deutschen Angestellten Akademie nicht glauben. Ich habe trotzdem noch vor meiner psychosomatischen Reha ein Praktikum als Betreuungsassistenten in einen Seniorenheim absolviert. Doch für mich stand fest, dass ich das nicht physisch schaffe.

Schon in der psychosomatischen Reha sollte eine Belastungserprobung stattfinden, doch eine erneute Verletzung am Knie verhinderte dieses. Wieder zuhause, wusste ich nicht wie es weiter gehen soll, was für meine Motivation nicht hilfreich war. Es hieß dann, ich sollte an einer weiteren Maßnahme für den ersten Arbeitsmarkt teilnehmen, doch das verlief zum Glück im Sande.

Endlich kam nach einem halben Jahr eine Zusage für eine erneute Belastungserprobung von der Rentenversicherung. Ich habe das Angebot nach vielen Gesprächen angenommen. In der Zwischenzeit hatte ich eine psychische Betreuung durch die Gapsy. Durch die Gapsy habe ich auch die Arbeit in der Redaktion „Zwielicht“ und in der Bücherwerkstatt bekommen. Mir ging es wieder besser. Endlich endet der vierzehnjährige Kampf mit dem ersten Arbeitsmarkt. Was aus der Belastungserprobung geworden ist, lest ihr hier im Anschluss.