Warum muss beides sein? Nicht nur Frauen putzen und nicht nur Männer arbeiten auf dem Bau, nicht jeder ordnet sich den Geschlechtern weiblich oder männlich zu. Wir beim Zwielicht möchten alle Menschen, so wie sie sind, gleichberechtigt wertschätzen und stereotype Rollen aufheben. Und wie das immer so ist, schließt eine Umstellung neue Umstellungen nicht aus, denn zusätzlich sollen möglichst viele einen Zugang zu allem haben. Barrierefrei heißt nicht nur, Rollstuhlfahrenden einen stufenlosen Weg zu ermöglichen, aber das ist in dem Fall eine gute Metapher. Nicht jeder Weg kann einfach gefahren statt gegangen werden. Nicht jedes Hörgerät ersetzt das Hören und nicht jede Brille ersetzt die Sehkraft. Da liegt es an der Gesellschaft, den Betroffenen zu helfen. Es gibt viele Möglichkeiten, die wir nutzen können und sollten, um Texte vollumfassend an die Menschen zu bringen. Im allgemeinen Sprachgebrauch sind einerseits die einzelnen Ansprachen jeder Person (z.B. Klientin X und Klient Y) oder auch die Paarung, bei der beide binären Geschlechter gleichberechtigt nebeneinander stehen (z.B. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen) wohl die gängigsten Varianten. Weniger häufig findet man die neutrale Form, bei der es keine Auskünfte über Geschlechter gibt (z.B. Teilnehmende, Leitende). Mir fallen noch drei weitere Möglichkeiten ein:
• Man legt den Fokus auf die Handlung:
“Die Zeitschrift wird zu folgenden Zeiten ausgehändigt: […]” statt „die Mitarbeiter händigen zu folgenden Zeiten die Zeitschrift aus“
• Oder auf die Organisation:
“Die Texte sind bis zur nächsten Sitzung einzureichen” statt „Alle Autorinnen sollten die Texte bis zur nächsten Sitzung einreichen“
• Oder wählt die direkte Person / spricht die Person direkt an:
“Bitte reichen Sie Ihre Wünsche schnellstmöglich bei der Redaktion ein” statt „Die Autoren sollten ihre Wünsche schnellstmöglich bei der Redaktion einreichen.“
Eine andere Option ist noch, die Organisationseinheit (Redaktion, Gestaltungsgruppe) zu nennen. So ist es möglich, auch die Menschen anzusprechen, die sich keinem Geschlecht zuordnen. Und ein weiterer Vorteil ist, dass diese Formen auch garantiert barrierefrei möglich sind (Ja, auch in leichter Sprache)!
Wenn wir uns nun der Schriftsprache zuwenden, sehen wir neben einem großen Binnen-I, Einklammerungen oder der Folge aus ( / ) immer häufiger Gender Gaps ( _ ) und Sternchen (*) in den Bezeichnungen. Diese, aber auch seltener genutzte Zeichen wie ( ° ), ein Ausrufezeichen statt dem i oder ein Plus hinter dem Wort schließen Diverse Personen aus und stören teilweise unseren Lesefluss. Nicht nur unseren, sondern auch und besonders den von Leseprogrammen/Screenreadern. Diese werden vor allem von Betroffenen mit starker Sehschwäche bis hin zur komplett fehlenden Sehkraft, aber auch von kognitiv Eingeschränkten (z.B. mit Lese-Rechtschreib-Schwäche) und körperlich Erkrankten genutzt. Für Leute, die sich psychisch bedingt besser auf das Hören als auf das Lesen konzentrieren können, eignen sich ebenfalls Screenreader. Bei vielen Browsern ist diese Funktion bereits kostenlos integriert und in den Einstellungen zu finden. Aber: Manche Sonderzeichen werden mitgelesen. Das Binnen-I wird ignoriert und das Wort in der weiblichen Person vorgelesen. Es wäre also wohl am sinnvollsten, nur noch neutral zu sprechen und zu schreiben, bis andere Pronomen etabliert sind. Bis dahin ist es im Vergleich am barrierefreiesten, wenn wir Doppelpunkte oder normale Punkte verwenden, da diese vom Programm nicht mitgelesen, sondern als Pause genutzt werden. Atempausen für die Vorleseprogramme sozusagen und damit Atempause für die, die sich diskriminiert fühlen und sich für ihre Rechte einsetzen.