In ihrem Buch „Tessa, die tapfere Schnecke“ beschreibt die Autorin Nina Boettger die Situation eines Kindes, das erlebt wie ein Elternteil an einer Depression erkrankt. Dies tut sie in Form eines Märchens. Dort wird die Depression als Schneckentristesse bezeichnet. Sie möchte mit ihrem Buch darauf aufmerksam machen, wie Kinder eine solche Situation erleben, durch welche Schwierigkeiten sie gehen und was das mit ihnen macht. Sie verwendet hierfür eine einfache, treffende und gleichzeitig gefühlvolle Sprache. Dabei geht sie auf das emotionale Erleben im erschwerten Alltag ihrer Titelheldin und dem ihrer Brüder besonders ein. In einigen der beschriebenen Situationen fand ich mich als Leser genauso wieder, da ich die Hilflosigkeit und die daraus entstehende Angst kenne, der sich ein Angehöriger einer an Depression erkrankten Person ausgesetzt fühlen kann.
Die Autorin, selbst Mutter von drei Kindern, kämpft bis heute mit Depressionen und weiteren psychischen Erkrankungen. Es gelingt ihr hier Verständnis für beide Seiten näher zu bringen, den Erkrankten und den Angehörigen. Sie zeigt, dass beide auf jeweils ihre eigene Art Hilfe brauchen. Anhand von sehr einfachen, symbolhaften Beispielen erzählt sie die Geschichte über gut fünfzig reichlich bebilderte Seiten. Die farbig gemalten Illustrationen von Charline Alcantara sind anschaulich, detailliert und wirken sehr liebevoll gestaltet. Das Kinderfachbuch ist unter wissenschaftlicher Beratung durch Klaus Henner Spierling (Diplom Psychologe) und Dr. med. Friedrich Haun entstanden.
Aus dem Inhalt:
Tessa ist eine Schnecke, die mit nur noch einem Elternteil, dem Vater, und mit ihren Brüdern gemeinsam aufwächst. Sie ist die zweitälteste. Wie bei jeder anderen Familie gehen die Kinder zur Schule, erledigen ihre Hausaufgaben, treffen sich mit anderen, gehen zum Spielen und verschiedenen Hobbies und Freizeitangeboten nach. Kurz gesagt beschäftigen sie sich mit all dem, mit dem sich Kinder ihres Alters normalerweise beschäftigen. Der Vater geht auf die Arbeit und sorgt für die Familie. Bis zu dem Moment, als der Vater zusehends an Schneckentristesse erkrankt. Er zieht sich immer mehr zurück und wird immer stiller. Eines Tages kann er nicht mehr aufstehen und ist nicht mehr in der Lage, zur Arbeit zu gehen. Von hier an wandelt sich die Situation und die Schneckenkinder beginnen sich Sorgen zu machen und übernehmen mehr und mehr die Aufgaben des Vaters. Treffen mit Freunden müssen immer häufiger wegfallen. Tessa fasst eines Tages gar den Entschluss nicht in die Schule zu gehen und stattdessen zu Hause den Vater zu pflegen. Dann wechseln sich die Geschwister damit ab. Die Schneckenkinder geben mehr und mehr ihrer eigenen Bedürfnisse und Zielsetzungen auf. Bis sie eines Tages nicht mehr weiter wissen. Sie entschließen sich Hilfe bei einer Schulfreundin des Vaters zu suchen. So entsteht gemeinsam die Entscheidung, dass Tessa sich auf den langen und gefährlichen Weg zum Arzt macht.
Im Anschluss an die Geschichte, folgt ein Abschnitt im Buch, der die Überschrift trägt: „Was bedeutet das?“ Zwar liest sich die Geschichte bis dahin glatt und am Ende wird auch alles gut, als wäre alles so einfach. Doch in diesem zweiten Abschnitt gibt es Erläuterungen zu den verschiedenen symbolhaft dargestellten Begebenheiten der Geschichte. Hier wird darauf eingegangen, welche Schwierigkeiten noch auftreten können und medizinische Zusammenhänge werden einfach erklärt.
Das Buch möchte Mut machen. Mut machen, dass es sich lohnt weiter zu kämpfen. Auch bei Schwierigkeiten, die auf einen zukommen. Dass man sich Hilfe suchen kann. Dass man Hilfe annehmen kann. Dass es manchmal guttut mit jemandem zu reden. Dass manchmal Dinge erst möglich werden, wenn man Unterstützung annimmt und mit anderen in Kontakt tritt.
Am Ende des Buches findet sich nebst eines Nachwortes außerdem noch eine Auswahl an Adressen und Websites, die Betroffenen weiterhelfen können.
In vielen der beschriebenen Momente in Tessa´s Geschichte konnte ich Parallelen zu meinem eigenen Leben finden. Ich habe mir die Frage gestellt, ob mir das Buch, wenn ich es damals als Kind gelesen hätte, geholfen hätte. Ich vermute, ich hätte begriffen, dass ich mit meiner Situation nicht alleine in der Welt stehe. Deshalb halte ich das Buch auf jeden Fall für lesens- und empfehlenswert.