Autor:in: Norman Broszinksi

Die Komplexität der Furcht

Während du allein in der Nacht durch den Wald auf dem Weg nach Hause gehst, könntest du schwören, etwas gehört zu haben, das hinter dir auf trockenen Blättern läuft. Dein Herz beginnt schnell zu pumpen, und du beginnst zu fantasieren, wer da wohl in dem Schatten lauert. Verspürst du Furcht oder Angst? Die Unterschiede zwischen beiden Emotionen können sehr verwirrend sein. Selbst in Psychologiebüchern findet man, wie diese Begriffe dauernd getauscht werden. Die Angst vor dem Unbekannten, die Angst vor dem Tod, die Angst vor dem Fliegen, die Angst vor Erfolg und die Angst zu versagen werden alle zusammen als eine „Furcht“ beschrieben, die aber allerdings alle als Emotion der Angst gelten. Gleichzeitig gelten Phobien als Angststörungen. Obwohl wir diese als etwas abstempeln, das als Furcht gilt. Seien es Spinnen, Schlangen, Höhen, enge Räume, etc. Es ist wichtig, dass man Furcht und Angst differenziert. Diese Emotionen können Verhalten verändern, was dazu führt, dass man Situationen vermeidet oder dass man in Situationen, die eigentlich nicht gefährlich sind, einen defensiven Mechanismus aufbaut.
Furcht wird generell als Reaktion auf eine bevorstehende Gefahr eingestuft, die deine Sicherheit gefährden könnte – wie etwas, das aus dem Busch kommt und dich erschreckt. Furcht gibt dir ein Gefühl der Unsicherheit, die dich alarmiert, dass etwas passieren könnte, was dich physisch verletzen könnte, wodurch du dann automatisch in einen Schutzmodus gehst. Deswegen gilt das Sprichwort „kämpf oder flieh“ als eine Situation in der Tierwelt, in dem sich das Tier der Furcht stellt und kämpft oder sich von der Gefahr distanziert und flieht. Tiere und Menschen reagieren auf solche Situationen: Ein Mensch oder ein Tier legen sich tot auf den Boden als Zeichen, dass sie Furcht verspüren. Sie schreien als eine Kampfansage, anstatt, dass sie gleich handgreiflich werden – oder isolieren sich als Form der Flucht.

Im Kontrast zur Furcht ist die Angst ein Gefühl von Bedrängnis und Verzweiflung, das länger als die Furcht andauert und das durch Dinge ausgelöst wird, die nicht spezifisch beschrieben werden können, obwohl es physiologische Erregung verursacht – wie z.B. Nervosität. Trotzdem werden Furcht und Angst beide durch ein Gefühl der Bedrohung verursacht. Einige Wissenschaftler differenzieren zwischen Furcht und Angst, indem sie festlegen, ob ein Vermeidungsverhalten präsent ist – oder ob das gewollte Ergebnis etwas mit Vermeidung oder Flucht zu tun hat. In diesem Fall ist die Präsenz des Vermeidungsverhaltens als Furcht einzuordnen; als Kontrast würde man bei der Angst auch im Alarm-Modus sein, würde aber die Situation nicht vermeiden. Das wiederum kann allerdings für Verwirrung sorgen, da bei gewissen Angststörungen, besonders bei Phobien, der Fokus besonders spezifisch und das Vermeidungsverhalten sehr präsent ist. Es ist vielleicht besser, um die Unterschiede zu verstehen, zu sagen, dass die Angst einen für zukünftige Bedrohungen alarmiert, während die Furcht dich sofort in die Verteidigung zwingt und man flüchten möchte, bevor das Schlimmste passiert.

Es gibt auch Momente, wo eine frühere Furcht wieder aufsteigt, obwohl die derzeitige Situation eigentlich keinen Grund gibt, Furcht zu zeigen. Das ist ein Hauptsymptom der Posttraumatischen Belastungsstörung, wo eine furchterregende Situation aus der Vergangenheit in der Gegenwart wieder erlebt wird, die durch emotionale Erinnerungen ausgelöst wird. Obwohl du eigentlich weißt, dass du in dieser Situation sicher bist, warnt dich dein Gehirn automatisch vor dem Schlimmsten, was wirklich sehr viel über die Kraft der emotionalen Gedanken aussagt. Eine posttraumatische Reaktion wird durch ein ähnliches Trauma ausgelöst, das in der Vergangenheit geschehen ist. Als Beispiel: Wenn man in der Vergangenheit in einen Autounfall verwickelt war, hat man Angst, in einen solchen Unfall wieder verwickelt zu werden und meidet Autos oder andere Transportgeräte. Und hier sind wir wieder bei der Verwirrung zwischen Furcht und Angst. Obwohl eine posttraumatische Situation als etwas, was Furcht auslöst, eingestuft wird, wird die Posttraumatische Belastungsstörung als Angststörung eingestuft. Die Gefahr ist nicht echt, aber sie wird herbeigesehnt oder erwartet, basierend auf einer früheren Situation. Während das ursprüngliche Trauma die Furcht auslöst, verursacht das Posttrauma die Angst vor der Furcht.

Von einem evolutionären Standpunkt hat die Emotion der Furcht die Menschheit vor vielen Gefahren bewahrt – seien es Raubtiere oder andere Gefahren, was das Überleben der Menschheit garantiert hat. Also ist es kein Wunder, dass Gefahren diese Emotionen auslösen, da die Furcht dich beschützt. Allerdings gibt es noch einen anderen wichtigen Aspekt, wo unsere Emotionen uns helfen können, Entscheidungen zu treffen. Eine Studie zum Thema Risikobereitschaft: Teilnehmer, die dauerhaft Furcht zeigten, haben konstant Entscheidungen getroffen, die pessimistisch sind und verstärkt zeigten, dass sie nicht gewollt sind, Risiken einzugehen. Im Kontrast sind glückliche und verärgerte Teilnehmer mehr gewollt, diese Risiken einzugehen, da sie mehr optimistische Entscheidungen treffen. Das heißt, das Bewusstsein deiner Emotionen in Anbetracht dessen, wie sie deine Entscheidungen in einer bestimmten Situation beeinflussen, ist wichtig für dein Leben, deine Arbeit und deine Ziele. Und so zeigt sich die Komplexität der Furcht in all seinem Ausmaß.