Autor:in: Anonym

Ein Schmetterling trägt keinen Mantel

Ich ziehe, wie jeden Morgen, den Mantel an, knöpfe ihn bis oben hin zu. Er hat so tolle, riesige Innentaschen, da passen all´ meine Lebensgeschichten und Gefühle rein.

Alles scheint dort gut aufgehoben.

Der Mantel ist gut gepolstert, eine schützende Hülle. Ich sehe elegant aus darin, stark, stolz, unnahbar.

 

Bevor ich raus gehe, überprüfe ich ganz hektisch nochmal alle Knöpfe, damit sich nicht aus Versehen einer löst, der Mantel aufspringt. Der Gedanke macht mich noch nervöser, ja nicht die Kontrolle verlieren!

Bin draußen. Impulse treffen auf mein Großhirn, mein Bewusstsein hält mich wach. Automatismen des Alltags stellen sich ein, ich denke, ich mache, ich reagiere – also bin ich!? Ein Freund fragt mich, wie es mir geht. Ich öffne langsam die zwei obersten Knöpfe des Mantels – halte nun inne – mag nicht in den Taschen kramen, sage, dass der Mantel ziemlich warm und schwer ist, aber es würde schon irgendwie gehen. Erhalte die Bestätigung, dass ich wirklich toll in dem Mantel aussehe.

Kurz darauf bin ich wieder allein, knöpfe den Mantel schnell zu. Eigentlich hätte ich ihn lieber weiter aufgemacht, ausgezogen. Dieser Scheißmantel engt mich irgendwie ein. Stelle mir vor, wie es ohne Mantel wäre….. könnte nicht dann der Keim des Bewusstseins richtig wachsen, sich entfalten – wie die Raupe sich zum Schmetterling entfaltet – Schwingungen des Universums spüren….. Ich wage es, ziehe den Mantel vorsichtig aus…….. nichts!!! Plötzlich berührt mich ein starker Wind… er treibt mich… Kann auf einmal mein gewohntes Verhalten aus der Ferne betrachten….. ich sehe mich in gewohnten Alltagsmustern verstrickt, geknebelt, sehe aus wie ein menschlicher Roboter…….. Immer das Denken über das Fühlen stellen…..

Was ich sehe, macht mich wütend, ich weine – es ist lange her. Wenn ich jetzt wirklich fühle, bin ich dann? Wie schaffe ich es, mich aus meinen Gewohnheiten zu lösen? Wie stelle ich Kontakt zu mir selbst her – wer bin ich, warum bin ich, wohin will ich – lernen, Fragen ohne Antworten auszuhalten, sie als Impuls zu nutzen. Ein Bruch meiner Gewohnheiten scheint unumgänglich. Zu viel Zeit ist schon verschwendet. Leicht sein wie ein Schmetterling – wenn es regnet, einfach die Flügel anlegen – abwarten – weiterfliegen. Der Mantel, der Ballast, weggeworfen, an den vielen großen Steinen, die im Weg liegen, vorbei – offen für Neues……..

Bin wieder zu Hause. Der Mantel hängt an der Garderobe. An der Wand leuchtet das Bild mit dem wunderschönen Schmetterling.