Autor:in: Volker Althoff & Liv Sieghold

Sinnvolles und Notwendiges in der Fahrrad- und Holzwerkstatt Paljano

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In den Kellerräumen des Wohnheims „Haus Hastedt“ wird gehämmert, geschraubt, gesägt, gefeilt, gebohrt und es fallen jede Menge Späne. Dort unten ist mächtig was los; manchmal ist es auch sehr laut. Kein Wunder, denn dort befindet sich das Werkatelier „Paljano“. Dazu gehören die Arbeitsbereiche Kreativwerken, Fahrrad- und Holzwerkstatt.
In der Fahrrad- und Holzwerkstatt reparieren 20 Mitarbeiter:innen Räder und stellen Holzprodukte her. Die Öffnungszeiten der Fahrradwerkstatt sind tägl. von 8:00 – 15:00 Uhr, die der Holz- und Kreativwerkstatt von 8:00 – 18:00 Uhr.
Albert Schott (56) ist einer der Leiter des Werkateliers – er hat die Holzwerkstatt seit 2004 zusammen mit Beate von Schwarzkopf organisiert. „Es gab anfänglich sechs bis sieben Teilnehmende. Wir haben das Ganze langsam, Schritt für Schritt aufgebaut. Es war anfangs nur ein Vormittagsangebot zwischen 9:00 – 12:00 Uhr“, erklärt Schott. Angegliedert ist die Holzwerkstatt nur räumlich an das Wohnheim. „Die Bestrebung ist aber nach wie vor, ein Angebot der Heimbewohner:innen zu sein, was sich im Laufe der Jahre zur Ausnahme entwickelt hat.“ Bis zu 20 Teilnehmende arbeiten teilweise schon mehrere Jahre im Werkatelier. Albert Schott arbeitet tägl. von 12:00 – 18:00 Uhr, insgesamt 30 Stunden. Er ist staatlich anerkannter Arbeitserzieher, spezialisiert auf den Bereich Arbeit.
Sein Kollege Maik Riekenberg arbeitet seit 2019 als Anleiter mit insgesamt 32 Stunden und ist ausgebildeter Ergotherapeut. Er leitet ab 8:00 Uhr die “Frühschicht”.
Zum Team gehört auch Herr Rose, der ebenfalls ausgebildeter Ergotherapeut ist und 15 Stunden arbeitet.
Eine Mitarbeiterin des Werkateliers ist Alex Podstawski (37). Sie ist sowohl Teilnehmerin als auch Anleiterin über einen vom Jobcenter in die Wege geleiteten „16i-Vertrag“. Insgesamt leistet sie 30 Stunden. Sie hat im Januar 2019 als Praktikantin angefangen und zusammen mit Maik Riekenberg die Fahrradwerkstatt ins Leben gerufen. „Da gab es große Umbauarbeiten. Im Sommer 2019 bin ich dann zu einem In-Job (Bereich Umwelt und Logistik) gewechselt“, erzählt Podstawski. Sie arbeitet dort für mindestens zwei Jahre als Anleiterin. „Dafür muss man fünf Jahre arbeitslos gewesen sein“, wie Albert Schott anmerkt.
Arbeit ist für Alex Podstawski sehr wichtig: „Sie bedeutet für mich, mit vielen tollen Menschen, tollen Kolleg:innnen zusammenzuarbeiten… die Arbeit mit Rädern. Die Arbeit bedeutet für mich Freude über die Zufriedenheit der Kund:innen, welche häufig wenig Geld haben und preiswerte Hilfe besonders wertschätzen. Darüber hinaus bedeutet sie für mich Freude über Wissensvermittlung – und eine sinnvolle Tätigkeit. Nicht zuletzt bedeutet für mich die Arbeit hier auch einen geschützten Rahmen zu haben.“ Bereits als sechsjähriges Kind ist sie mit ihrer Familie von Polen nach Deutschland gekommen und hat bei der Integration Hilfe vom ASB bekommen. Nun möchte sie als Erwachsene etwas zurückgeben. Sechs bis sieben Stunden täglich ist sie in der Fahrradwerkstatt beschäftigt. Über die Ergotherapie sei sie zur Fahrradwerkstatt gekommen: „Frau Cizmiz hat mich 2018 darauf gebracht. Die Struktur, die mir die Arbeit bot, half enorm weiter.
In der Fahrradwerkstatt, die zurzeit noch im “Haus Hastedt” angesiedelt ist, arbeiten aktuell sechs Personen – was die Corona-Verordnung auch zulässt. “Es bestand der Wunsch nach einer Fahrradwerkstatt, und das Ganze hat sich dann über einen längeren Zeitraum entwickelt. Die Fahrradwerkstatt ist eine zeitgemäße Geschichte. Jede:r kann Räder im Alltag gebrauchen. Dieses Angebot fungiert als Arbeitsplatz wie auch als preiswertes Reparaturangebot”, erklärt Maik Riekenberg. Auftraggeber sind im Wesentlichen die GRI (Gröpelinger Recycling Initiative), aber auch der ASB mit seinen Kund:innen und Mitarbeiter:innen mit Diensträdern. “Repariert werden am häufigsten die Räder der GRI – das ist quasi die Hauptarbeit”, beschreibt Riekenberg. Verkauft werde alles Mögliche und teils auch Unmögliche, es gäbe da keine bevorzugten Modelle. Stattdessen gehe es vorwiegend nach dem Preis. “Generell gehen die Leute aber auch nach Trends – wobei der Preis ausschlaggebend ist. Der überwiegende Teil der Leute sind nicht wählerisch. Das nutzen wir aber natürlich nicht aus, wir achten sehr auf Verkehrstüchtigkeit und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.”
Neben der fachpraktischen Anleitung der Teilnehmenden hat das Leitungsteam einen umfangreichen Aufgaben- und Projektbereich. Dazu zählt beispielsweise die Zuteilung von Arbeitsaufgaben, die Anleitung und Vermittlung von Tätigkeiten, die Entwicklung von Lösungsstrategien bei Problemen, die Kontrolle von fertigen Werkstücken, das Einholen von Aufträgen (Räder), das Führen von Einzelgesprächen über den Verlauf und der weiteren Planung mit Teilnehmenden, Klärung von Konflikten.
Über die Arbeitstherapie des Klinikum Bremen-Ost/Gesundheit Nord, die mit dem Arbeiter Samariter Bund (ASB) vernetzt ist, ist Riekenberg auf die Arbeitsstelle im Werkatelier gekommen. “Es gab regelmäßig Kooperationsgespräche und gemeinsame Projekte, unter anderem mit Herrn von Schwarzkopf” (Leiter der Arbeitsförderbereiche des ASB Seelische Gesundheit – Anm. der Red.), erzählt Riekenberg. Er hat die Arbeitstherapie geleitet, zwischendurch war er auch in der Tagesklinik des Klinikums Bremen Ost tätig. “Meine Erfahrungen bei meinem damaligen Arbeitgeber waren je nach Station ganz unterschiedlich.” Riekenberg macht die Arbeit Freude. Im Werkatelier könne er sein Hobby mit einbringen, an Fahrrädern zu werkeln und totgesagte Fahrräder wieder zu neuem Leben zu erwecken.
Die Produkte des Werkateliers werden hauptsächlich nach Aufträgen, die von außerhalb eingehen, gebaut. “Restaurierungen und Reparaturen machen wir hauptsächlich innerhalb des ASBs. Durch Mundpropaganda haben sich die Aufträge erhöht”, berichtet Albert Schott. Reperaturaufträge, Dekoartikel sowie Gebrauchsgegenstände aus Holz werden am häufigsten hergestellt.
Albert Schott hat im Jahr 2004 als Praktikant im Werkatelier angefangen und war ab 2006 als FestangestellterAnleiter. Seine Hauptaufgabe ist das Schaffen stabiler Rahmenbedingungen. “Ich bin dafür verantwortlich, dass das hier funktioniert. Ich muss dem Leitbild des ASB entsprechen. Viele Aufgaben werden gestellt und viele weitere stelle ich mir selber beziehungsweise muss ich mir stellen.” Für ihn ist Arbeit sehr wichtig. Er schätzt die hohe Selbstständigkeit und den großen Freiraum, der ihm der Arbeitsplatz biete. “Durch die Soziale Arbeit komme ich mit all den Menschen hier in Kontakt. Es findet eine persönliche (Weiter-) Entwicklung statt, welche von Herausforderungen einerseits und Bereicherungen andererseits geprägt ist.” Er habe Freude daran, andere Menschen darin zu unterstützen, durch den Aufbau von Selbstständigkeit – über das Medium Arbeit – mehr zu einem sinnerfüllten Leben zu finden. “In diesem Beruf schätze ich auch das Arbeiten mit und das Kennenlernen von sozial kompetenten Menschen.”
Im September vergangenen Jahres hatte Jürgen Busch sein 20jähriges Jubiläum im Werkatelier. “Ich war noch nie so lange an einem Arbeitsplatz”, freut sich Busch. Er ist für den Kleinmöbelbau zuständig: “Ich erstelle zum Beispiel kleine Konsolen für die Monitore auf dem Schreibtisch, damit die etwas höher positioniert werden können und Platz für die Tastatur da ist. Und kleine Schränke baue ich.” Die Arbeit im “Paljano” ermöglicht ihm eine Tagesstruktur und ihm so viel beziehungsweise so wenig Kontakt zu Menschen, wie es ihm persönlich passt. “Bei der Arbeit habe ich ein gutes Maß an Gesellschaft um mich herum. Ich mag den Austausch, der hier immer wieder zwischendurch stattfindet. Und dann sind meine Interessen und Fähigkeiten auch noch gut vereinbar mit der Arbeit hier. Letztlich gibt mir der Ort eine gewisse Sicherheit”, so Busch. An drei Tagen, zweimal drei Stunden und einmal eine Stunde, arbeitet der 69-Jährige in der Holzwerkstatt. Er ist 1997 wegen seiner seelischen Erkrankung auf das Werkatelier gekommen. “Damals bin ich als erwerbsunfähig berentet worden. Ich konnte mir damals keine einzige Arbeit mehr vorstellen, habe aber dafür mit eigenen Arbeiten angefangen. Ich habe z.B. unterschiedliche Dinge wie Töpfern, Gartenarbeit, Zeichnen etc. ausprobiert – Holzarbeit gefiel mir dann von allen Tätigkeiten am Besten.” Ihm macht die Arbeit Freude, denn “ich finde Holz toll!”.

Wer Interesse an einer niedrigschwelligen Beschäftigung im Werkatelier „Paljano“ hat, kann telefonisch unter (0421) 989 72 667 Kontakt aufnehmen.

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