Autor:in: Mariana Volz

Wo ist mein Platz?

Wo ist mein Platz? Diese Frage kennen wir doch eigentlich alle.

Ob wir jemals eine zufriedenstellende Antwort darauf finden werden, bleibt ungewiss. Die Suche nach dem eigenen Platz im Leben beginnt schon früh und begleitet uns ewig.
Schon in der eigenen Familie fragt man sich oft: “Wo ist mein Platz?”. Sobald die ersten Sozialgefüge wie Kindergarten und Schule in unser Leben treten, wird es oft noch viel schwieriger. Wir fragen uns: „Wo gehöre ich eigentlich hin? Wo finde ich meinen Platz der innerlichen Ruhe und Zufriedenheit?”.
Der Platz, der mir in der Schule zugewiesen wurde, war die Hölle auf Erden.
Ich wurde in die Opferrolle gedrängt und hatte mich meinem Schicksal schon fast ergeben, weil der ewige Kampf um Liebe und Anerkennung immer wieder mit Ablehnung quittiert wurde.
Meine Mitschüler waren grausam zu mir. Soziale Ausgrenzung und Peinigungen waren der Alltag. Kein Tag verging ohne Angst und dem Wunsch, nicht mehr da zu sein.

Meine heutigen Depressionen finden vermutlich zum Großteil dort ihren Ursprung. Ich nahm die Welt als einen grausamen Ort wahr, an dem einfach kein Platz für mich zu sein schien. Andere Menschen hatten offenbar nur Interesse daran, mir weh zu tun, mich zu quälen und mich zu zerstören.
Ich suchte verzweifelt meinen Platz im Leben.
Nach der Realschule gab es zum ersten Mal eine Pause zum Luftholen.
Ich ging in eine psychosomatische Klinik. Natürlich gab es auch da Startschwierigkeiten, aber nach einer Weile fühlte ich mich zum ersten Mal im Leben sicher, akzeptiert und willkommen.
5 1/2 Monate verbrachte ich dort. Als sich diese Zeit dem Ende neigte, kamen die erdrückenden Zukunftsängste zurück.
Sie erwischten mich eiskalt. Ich wusste nicht wohin im Leben.

Bewerbungsversuche um einen Ausbildungsplatz schlugen fehl und so ging es für mich weiter auf eine Schule. Immerhin besser, als auf der “Straße” zu sitzen.
Irgendwie war das der Grundstein für den Weg meiner nächsten 8 Jahre. Ich tingelte von einer Schulform zur nächsten. Immer geplagt von der Angst, wie es wohl danach weiter gehen könnte.
Selbst meine Ausbildung war letzten Endes “nur” eine Schulische. Paradox, wo die Schule für mich jahrelang der schlimmste Ort auf Erden war.

Aber in der Erwachsenenbildung war es irgendwie anders als in der Grund- und Realschule.
Die sozialen Kontakte wurden besser und irgendwann hatte die “Schule” ihren Schrecken verloren. Ich ertappte mich dabei, wie ich die Schule auf einmal mochte.

Die Wunden der Vergangenheit konnten endlich beginnen zu heilen.
Nur die Zukunft war immer noch ungewiss und der Gedanke daran trieb mich regelmäßig an den Rand der Verzweiflung.

Durch die Irrungen und Wirrungen des Lebens landete ich 2012 in Bremen, einer Stadt, von der ich vorher nicht mal wusste, wo genau sie auf der Landkarte liegt. Geografie war allerdings noch nie meine Stärke. Sechs Monate wollte ich bleiben. Jetzt sind es schon fünf Jahre.

Mein Psychiater, dem ich von meinen Zukunftsängsten und der Perspektivlosigkeit, die sich durch meine psychischen Einschränkungen ergaben, erzählte, drängte mich dazu, mich beim ASB Gesellschaft für Seelische Gesundheit zu melden. Wo ich nach einem Praktikum dann einen 1-€-Job bekam.

Obwohl ich meine Familie und meine alten Freunde in Hessen zurücklassen musste, habe ich in Bremen immer mehr das Gefühl, endlich meinen Platz zu finden.

Das liegt zum Großteil an den wundervollen Freunden, die ich hier gefunden habe, aber auch an dem “Arbeitsplatz”, den ich hier beim ASB im Zwielicht habe.

Die Zukunftsängste sind leider immer noch nicht verschwunden, denn die traurige Realität ist, dass ich zwar emotional meinen Platz hier gefunden habe, aber die “Arbeit” immer noch ungewiss und auch finanziell nicht zufriedenstellend ist.

Injobs sind zeitlich ganz klar begrenzt und enden nach spätestens 3 Jahren. Außerdem ist es ein sehr bedrückendes Gefühl, immer noch vom Jobcenter abhängig zu sein.

Ich gehe jeden Tag zur Arbeit und gebe mein Bestes, aber offiziell bin ich trotzdem immer noch ein “Hartz-4-Schmarotzer”, angewiesen auf das Wohlwollen des Jobcenters.

Meine psychischen Beschwerden machen es mir derzeit unmöglich, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, trotzdem möchte ich ein vollwertiger Teil der Gesellschaft sein. Mich finanziell selbst versorgen können und auf eigenen Beinen stehen, auch wenn ich dafür zur Zeit noch ein paar Stützen brauche.

Durch den InJob beim ASB habe ich eine Menge Halt und Kraft bekommen. Ich habe gesehen, dass es vielen Menschen ähnlich geht wie mir, aber dass man sich nicht wertlos oder minderwertig fühlen sollte, weil man dem Standard nicht entspricht und dass die heutige Leistungsgesellschaft nicht nur mir zuviel ist.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass ich die Frage, „wo mein Platz ist“, endlich mit einem klaren HIER beantworten kann.

Hier, wo meine Freunde, meine Arbeit und mein Leben sind.

 

Update

Im letzten Monat konnte ich zum ersten Mal Steuern zahlen. Für mich ein Grund, mich zu freuen. Denn es bedeutet, dass ich endlich einen Arbeitsplatz habe.
Durch die strukturellen Veränderungen im Zwielicht konnte mir vom ASB ein geförderter Arbeitsvertrag angeboten werden, den ich mit Freude angenommen habe. Jetzt habe ich zum ersten Mal in meinem Leben die Chance, meinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen – naja, zumindest fast.  Außerdem habe ich ein wundervolles Zwielicht-Team um mich herum, die mich jederzeit unterstützen, wenn meine neue Rolle im Zwielicht noch etwas ungewohnt oder holprig ist. Danke!