Die Erinnerung ist teilweise verschwommen, da es sehr heiß an jenem Sommertag im letzten Jahr im August war. Doch klar, als ob es gestern gewesen ist, klingt der Satz von damals noch in meinen Ohren: „Wir sind wie Außerirdische.“ Das war wirklich eine ganz besondere Gruppe, die ich da anleiten durfte. Aber am besten ist es wohl, ich fange am Anfang an.
Seit mehr als 30 Jahren bringe ich meinen Mitmenschen den Umgang mit rotierenden Nurflüglern bei. Die meisten kennen diese von mir sehr lieb gewordenen Objekte unter dem Namen Frisbees. Das ist auch gut so. Als Experte auf dem Gebiet fällt es mir manchmal schwer, „Frisbee“ zu sagen (obwohl ich den Namen wirklich mag), da es ein offiziell eingetragener Warenname ist. Es gibt aber jede Menge verschiedene Hersteller von (Freizeit-)Sport-Flugscheiben. Die wenigsten davon tragen den Markennamen „Frisbee“. Aber das ist eine andere Geschichte mit einem anderen Anfang. Nun zum Anfang dieser Geschichte:
In Bremen wurde ich vor etwas über 20 Jahren Gründungsmitglied des Disc Golf-Vereins „Drehmoment Bremen e.V.“. Unser Ziel war es, die tolle Sportart Disc Golf in Bremen auf öffentlich bespielbaren Kursen zu ermöglichen. Das hat ganz gut geklappt, und mittlerweile hat der Verein fast 150 Mitglieder und ist ziemlich eindeutig die Nummer Eins im Norden.
Vor etwa sieben Jahren habe ich dann angefangen, auch außerhalb meiner verschiedenen Frisbeesport-Kurse beim Uni-Hochschulsport spezielle Disc Golf-Kurse anzubieten. Ich biete für jede Gruppenstärke und für jede Könnensstufe angepasste Disc Golf-Events an. So kam es zu dem Treffen an einem Donnerstag im letzten Sommer. Um der für Bremische Verhältnisse großen Hitze zu trotzen, war zum Glück genug Trinkwasser vorhanden; Kopfbedeckungen und Sonnenschutz ebenso. Zu Beginn des etwa zweistündigen Kurses haben noch alle mitgemacht. Ich fange gerne damit an, das Ziel für die Scheiben und die Idee des Spiels vorzustellen.
Ziel beim Disc Golf ist es, mit möglichst wenigen Würfen die Wurfscheibe in den meist metallenen Fangkorb zu befördern.
Dann kommt es schon zur ersten Aufgabe an die Gruppe: die eigenen Leihscheiben in den Fangkorb zu werfen, in die Ketten dengeln oder wie wir im Golfsport sagen: putten. Einige der Gruppe hatten kurz danach schon so stark mit den hohen Temperaturen zu kämpfen, dass sie einfach unsere Basis bildeten: eine Bank am Deich unter Bäumen, mit Aussicht auf die Spielflächen und im Hintergrund die Weser. Da wurden die Schuhe ausgezogen, sich unterhalten, Wasser getrunken und das alles schön im Schatten.
Die Aktiven der Gruppe übten derweil den Umgang mit ihren Scheiben. Beim Disc Golf ist es so, dass zu Beginn eine Scheibe absolut genug ist, um die Bewegung zu üben. Die Scheiben sind mit etwa 21 cm Durchmesser vielleicht etwas kompakter als andere; aber dafür fliegen sie auch tendenziell weiter und genauer, wenn man den richtigen Dreh erst einmal raus hat. Schnelle Würfe, langsame Würfe, Rechts- und Linkskurven; sogar Roller sind möglich, wenn die Scheibe auf dem Rand aufsetzt.
Am Anfang ist die Lernkurve sehr steil und unter guter Anleitung kann wirklich jeder schnell lernen, wie es geht. Wenn dann allerdings Menschen gewisse Probleme mit der Umsetzung haben, wird es eben zu einer größeren Herausforderung.
Challenge accepted
Ein Teilnehmer hatte das Problem, dass er seine Kraft einfach nicht dosieren konnte. Die Wurftechnik war für die kurze Zeit schon sehr gut; aber es ist ja klar, dass viel weniger Kraft und Verve benötigt werden, wenn du nur noch kurz vor dem Fangkorb stehst. Wenn nun also das Problem gar nicht der Wurf an sich, sondern die Dosierung deiner Energie in den Wurf ist, kommen wir an die Grenzen des Erklärbaren – und des Erklärbären auch.
Mir als Erklärbär blieb nur der Hinweis, dass der Putt (also der letzte Wurf auf das Ziel) ein ganz anders ausgeführter Wurf ist. Er kommt aus der Körpermitte und führt in die Korbmitte. Die Wurftechnik für die Annäherung oder den weiten Wurf ist eine andere: neben dem Körper. Soweit meine Theorie. In der Praxis hatte besagte Person zwar offensichtlich große Freude am Werfen und an der Aufgabe. Aber wenn nur ein kurzer Wurf benötigt wurde, passierte das immer mit einer Menge Feuer und meistens flog die Scheibe dann noch weiter über das Ziel hinaus, als sie vorher schon lag. Es war wirklich eine besondere Herausforderung.
Die Dame mit dem großen Sonnenhut erklärte mir dann, dass bei dieser Gruppe die Gehirne nicht immer so funktionierten, wie bei einem Großteil anderer Menschen: „Manchmal sind wir so wie alle anderen, aber eigentlich sind wir Außerirdische.“
Ich persönlich finde ja, Außerirdische und das Spaceage-Spiel Disc Golf passen ganz gut zusammen. Die Einfachheit des Spielgedankens, gepaart mit der Komplexität an Entscheidungen, die in Bruchteilen von Sekunden getroffen werden (können), macht diese Betätigung zu einer wunderbaren Sache. Am einfachsten ist es, wenn man dabei gar nicht nachdenkt, sondern einfach macht und sich am Flug der Scheiben erfreut; sei es die eigenen oder die deiner Mitspieler:innen. Daher lade ich gerne weiterhin „Außerirdische“ zum Disc Golf ein. Es wird bestimmt wieder spannend. Das geht in Bremen am besten am Weseruferpark, allerdings ist der Kurs im Bürgerpark Bremerhaven mit vielen Bäumen viel schattiger.
Jan Bäss ist mehrfacher Deutscher Meister, Vereinstrainer beim Disc Golf-Verein Drehmoment Bremen e.V. und gibt Disc Golf-Kurse und Gruppenevents unter dem Namen „Bässer Werfen“ und „Nordisc Bremen“.