Die Gesundheitssenatorin Prof. Dr. Eva Quante-Brandt hielt die Begrüßungsrede, in der sie unter anderem die Erfolge skizzierte. „Es ist uns gelungen, den Frauenraum abzusichern“ – das war eine der zentralen Botschaften, die Quante-Brandt verkündete. Das bedeutet, dass dieser mittlerweile nicht mehr als Projekt finanziert, sondern als Tagesstätte anerkannt und damit, wie die anderen Tagesstätten in Bremen, regelfinanziert wird.
Die Sitzplätze im Saal waren gut gefüllt. Es waren einige Besucher aus dem Psy-chiatriewesen zu Gast, die von außerhalb gekommen sind. Sie folgten mit den übrigen Teilnehmern der Veranstaltung gespannt der Begrüßungsrede von Quante-Brandt. Darin hielt sie weiterhin fest: „Es ist uns gelungen, dass wir jetzt Gemeindepsychiatrische Verbünde in der ganzen Stadt Bremen haben, die in den fünf Versorgungsregionen Nord, Süd, Mitte, West und Ost aktiv sind. Zudem hat sich einer in Bremerhaven etabliert, der dort auf bestehende Organisationsstrukturen aufbaut“. Überdies hob sie in ihrem Vortrag die Arbeit der Genesungsbegleiter und Fürsprecher hervor: „Sie leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, dass sich Menschen öffnen und ihre Bedürfnisse vortragen können und ein Gegenüber finden, das sie versteht.“ Insgesamt habe sich der Einbezug der Psychiatrieerfahrenen in die Planungsbeschlüsse, Gremien und auch in die Beteiligung der praktischen Arbeit gut entwickelt. Eine positive Entwicklung zeichne sich auch bei der Gender-Perspektive in der Psychiatrie ab. „Wir sind dabei, den Bedürfnissen auch traumatisierter Frauen entsprechen zu können. Deswegen ist es gut und wichtig, dass wir frauenspezifische Angebote haben. Und wir sind dabei, den geschützten Rahmen weiter zu entwickeln“, versprach Quante-Brandt. Eine wichtige Aufgabe, die zu lösen sei, ist der Punkt Krisendienst. „Wir müssen die derzeitigen Krisenangebote der Gapsy, des Nachtcafés und des Nachtwerks überprüfen und auswerten und daraus Konsequenzen ziehen. Wir verhandeln jetzt mit der Geno.“ Im Anschluss werden dann Gespräche mit den beiden Organisationen, die Modellprojekte im Bereich Krisenintervention durchgeführt haben (Bremer Werkgemeinschaft und Gapsy), geführt. Ziel sei es aber, dass alle Gemeindepsychiatrischen Verbünde in Bremen sich an der Krisenversorgung beteiligen. „Die Krisendienstversorgung muss so angemessen sein, wie wir sie miteinander verantworten können und wollen“, betonte die Gesundheitssenatorin.
Vor dem Hintergrund, dass ihr Ressort schon viele Schritte unternommen habe, die die Psychiatriereform weiter voranbringe, müsse dennoch der nächste Schritt getan werden. Denn man wisse, was die seelischen Notlagen der Menschen sind. Ihr Anliegen formulierte die Senatorin so: „Wir müssen Menschen auf dem Weg gewinnen, und wir brauchen Angebote, die vielfältig und unkompliziert sind.“
Als zweiter Redner ging der Psychiatriereferent des Landes Bremen, Jörg Utscha- kowski, ans Rednerpult und richtete seinen Blick auf das Strategiepapier zur Psychiatriereform. Er nahm in seinen Ausführungen auch Bezug auf die Krisendienstversorgung in Bremen und versprach: „Aus den Ressourcen, die die Träger zur Verfügung stellen, wollen wir unterschiedliche Nachtangebote schaffen. Insgesamt wollen wir eine gute Krisenversorgung ausbauen.“ Das Strategiepapier zur Psychiatriereform sieht vor, Krisenbetten in Wohnheimen oder im Rückzugshaus zur Verfügung zu stellen und niedrigschwellige Krisenanlaufstellen mit einem gestuften Angebot wie das Behandlungszentrum Bremen Nord bereitzustellen. Außerdem soll ein aufsuchendes Krisenteam bereitstehen, das sich aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschiedener Träger zusammensetzt. Des Weiteren soll es eine ärztliche und psychotherapeutische Präsenz geben sowie eine Rufbereitschaft installiert werden.
Ein weiterer Schwerpunkt zur Umsetzung der Psychiatriereform sei die Transformation von stationären Behandlungsleistungen in gemeindenahe, teilstationäre, ambulante und aufsuchende Angebote. Im Zuge dieses Prozesses soll die Zahl der vollstationären und der teilstationären Behandlungsplätze angeglichen werden. Weiterhin sieht das Strategiepapier einen Ausbau der Leistungen der psychiatrischen Institutsambulanzen und der Tageskliniken vor. Regionale Zentren für seelische Gesundheit als zentrale Orte in den Regionen sollen als Modell einer multiprofessionellen, vernetzten und koordinierten Versorgung etabliert werden. Die Steuerung und Koordination der Gremien für die Psychiatrie in Bremen sei ein wesentliches Element, um die Psychiatriereform umzusetzen, meinte Utschakowski in seiner Rede. Er sprach sich weiterhin für die Schaffung verbindlicher Strukturen für die Gemeindepsychiatrischen Verbünde aus. Laut des Strategiepapiers sollen die Gemeindepsychiatrischen Verbünde (GPV) das organisatorische Dach aller psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosozialen Hilfen, insbesondere für Menschen mit komplexem Hilfebedarf, in einer Versorgungsregion bilden. Die GPV sind eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der Transformation und der Psychiatriereform insgesamt. „Deshalb müssen wir die Gemeindepsychiatrischen Verbünde stärken“, forderte Utschakowski. Zusammenfassend hielt der Referent fest: „Wir wollen eine Mitarbeit in allen Gemeindepsychiatrischen Verbünden, die Etablierung eines Fürspracheangebotes in allen Regionen und wir wollen Psychiatrie-Erfahrene in den Prozessen mit einbeziehen.“
Wolfgang Rust, Geschäftsführer des ASB für den Bereich Seelische Gesundheit, macht sich so seine eigenen Gedanken zur Psychiatriereform. Er hält die von der Gesundheitssenatorin beanspruchte Steuerungsfunktion für besonders wichtig. Mit Blick auf das Strategiepapier müsse die Ausrichtung einer Spezialisierung immer in Bezug auf den Menschen und seiner individuellen Situation und nicht auf die Diagnose erfolgen, meint der Experte. Die immer wieder betonte besondere Bedeutung der Gemeindepsychiatrischen Verbünde im Papier könne nur wirksam werden, wenn alle Leistungserbringer sich bei der Entwicklung ihrer Angebote abstimmen und im Sinne regionaler Gesamtkonzepte aufstellen. Die bisherige Planung des Konzeptes „Bremen ambulant vor Ort“ (BravO) wurde durch die Klinik ohne jede Kommunikation mit den großen ambulanten Leistungserbringern vorangetrieben. Somit bestehe die Gefahr, dass sich zum einen ambulante Parallelstrukturen entwickeln. Zum anderen werde die Chance verpasst, in der Region Bremen-Ost durch organisatorische und konzeptionelle Zusammenführung, ein leistungsfähiges ambulantes Versorgungssystem (einschließlich eines regionalen Krisendienstes) aufzubauen. Die im Strategiepapier notwendige und fachlich unstrittige Hervorhebung der Rolle von psychiatrieerfahrenen Menschen im Versorgungssystem müsse unbedingt weiter konkretisiert werden, fordert Rust „Der ASB ist sich einig mit Trägern in anderen Regionen, dass die jetzt modellhaft nach und nach eingeführten unabhängigen Fürsprache- und Beschwerdestellen höchstens in einer Anfangsphase bei den Leistungserbringern angesiedelt sein können“, so Rust. Ab 2020 sollten andere Wege gegangen werden, um die Unabhängigkeit zu gewährleisten. Die Anbindung an die durch das Bundesteilhabegesetz auf den Weg gebrachten Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) wäre ein Weg.