Autor:in: Ingo Bathmann

Hand auflegen, mal anders!

Redaktionssitzung: Artikel eines Kollegen, es geht um Distanz, um die Wohlfühlzone im privaten Bereich, in der Öffentlichkeit, bei Gesprächen. Wir kommen dabei auch auf das Thema Berührung. Spontan fällt mir mein pakistanischer Freund ein. Seit unserem Kennenlernen sind Gespräche zwischen uns mit Körperkontakt seinerseits verbunden.

Am Anfang, erste Kontaktaufnahme, erster Austausch. Mein Gegenüber erzählt mir seine Wahrnehmung über mich oder wir reden über Gott und die Welt, alle zwei Minuten wandert kurz die Hand auf mein linkes Knie. Nicht anzüglich oder so dass man das Gefühl hätte, dass es einen sexuellen Hintergrund hat. Erst weiß ich überhaupt nicht, was ich davon halten soll.

Nach der Verwirrung kommt das “genervt” sein, denn im Schnitt alle 2 Minuten die Hand aufs Knie gelegt zu bekommen ist grenzwertig. Ich denke „Mann, kannst Du mal aufhören mich ständig anzugrapschen“. Empathische Menschen hätten an meiner kurzen Reaktion, Gestik oder Mimik, nach einiger Zeit gemerkt, dass mir das wohl unangenehm ist. Doch nichts, er redet munter weiter und er tatscht weiter!

Mittlerweile werden meine Gedanken aggressiv, du blöder Idiot, hör auf, mich zu befummeln. Warum sage ich nicht einfach was ich denke? Aber; meine Angst vor Ablehnung oder Wut des Gegenübers, hindert mich daran. Wir sehen uns dann in kürzeren Abständen wieder und das häufig kurze Auflegen der Hand auf einem meiner Knie bleibt. Nachdem es mich immer wieder, mal mehr mal weniger, aufregt, frage ich mich irgendwann warum macht er das? Ich rekapituliere, eigentlich sind alle Bekannten und Freunde, mit türkischen, arabischen und pakistanischen Wurzeln oft sehr herzlich. Sie fragen öfter als bei uns üblich, wie es mir geht, wie es meinen Eltern geht, nennen mich öfter Freund, Bruder oder Habibi (übersetzt: geliebter Freund). Bei Ihnen erkenne ich auch oft eine viel intensivere Gestik und Mimik. Insgesamt ist ihre Art persönlicher, direkter, und so erklärt sich wohl auch, dass sie jemanden, den sie mögen in einer wohl gemeinten Art berühren. Ich verstehe es jetzt als eine gewisse Art Verstärkung oder Bekräftigung dessen was sie sagen. So ungefähr: „Verstehst Du mich, ich meine es gut mir Dir”. So gesehen bringt dies auch zum Ausdruck: Ich mag dich. Sie stellen schnell einen intensiveren Kontakt her. Es kann Herzlichkeit sein, aber auch ein Mittel um das Wohlwollen des Gegenübers für seine Zwecke zu bekommen. Grundsätzlich wird im arabischen und orientalischen Raum sehr viel mehr mit Gestik, Mimik und Berührungen gearbeitet.
Wenn man sich z.B. an einen Basar dort erinnert, sei es, dass man dort war oder einen Fernsehbericht gesehen hat, sieht man, dass dort mit Händen und Füßen gestikuliert wird, mit intensiver Gestik und Mimik, und lauter Betonung gehandelt wird.

Ich bin mittlerweile mit dem kontaktfreudigen Pakistaner schon viele Jahre befreundet. Ich nehme seine Art als herzlich und ehrlich wahr. Die körperlichen Kontakte gehören zu seiner ganzen Art. Sie wirken nicht mehr seltsam oder aufdringlich.