Autor:in: Jürgen Asendorf

Mein Weg

 

Dieser Weg wird ein langer sein, dieser Weg wird steinig und schwer, so lautet der Refrain eines Hits von Xavier Naidoo, mit dem sich die deutsche Nationalmannschaft während der Heim-WM 2006 vor jedem Spiel auf das große Ziel Weltmeister einstimmte. Wo führt mein Weg mich hin?

Langzeitarbeitslos, so nennt man das wohl, wenn man über 10 Jahre arbeitssuchend ist. Etwas „über Wasser gehalten“ und vor dem „Nichts-Tun“ bewahrt hat mich während dieser doch erschreckend langen Zeit – wie ich gerade bemerke – eine geringfügig entlohnte Beschäftigung, auch bezeichnet als Mini-Job oder 400,- Euro-Job.
Des Weiteren habe ich zwei so genannte „1Euro-Jobs“ hinter mir. Diese vom Jobcenter vergebenen Integrationsjobs sollen Langzeitarbeitslose wieder an den „Ersten Arbeitsmarkt“ heranführen.
Es ist kurz vor acht. Ein ganz normaler Werktag. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit. Ziel ist die Villa Wisch, eine Tagesstätte der ASB-Gesellschaft für seelische Gesundheit. Dort in der Abteilung Büroservice schreibe ich zum Beispiel diesen Artikel für die Zeitschrift „Zwielicht“. Es ist mein dritter In-Job und soll gleichzeitig mein letzter sein, sagt mein neuer Fallmanager vom Jobcenter.
Ungefähr 15 Minuten benötige ich mit dem Fahrrad von Hastedt nach Sebaldsbrück. Die zweite Hälfte meiner Wegstrecke führt mich in Höhe der Ecke Malerstraße/Hastedter Heerstraße in die Beneckendorfallee. Dies ist ein längerer, gepflasterter, parallel zur Eisenbahnstrecke gelegener Weg für Radfahrer und Fußgänger. Dort einbiegend fühle ich mich ganz plötzlich wie in einer anderen Welt.
Eben noch umgeben von penetrantem, aber doch als Stadtmensch schon merkwürdig gewohntem Verkehrslärm, blinkenden Ampeln, quietschenden, weil sich im Bremsvorgang befindlichen Straßenbahnen, qualmenden Autos, in alle Richtungen laufenden oder fahrenden sowie an Haltestellen wartenden Menschen, erwartet mich jetzt ein Stück grüne Natur.
Die autofreie und nur für Fußgänger und Radfahrer zugelassene Allee durchfahrend, sehe ich zu meiner Linken die aufgehende Morgensonne, zu meiner Rechten kommt mir auf der höher gelegenen, hinter den Kleingartenanlagen, Eisenbahnlinie, ein ratternder Zug entgegen. Ein Gefühl von Urlaub und Fernweh lässt mich ins Träumen kommen.
Es ist wohl die schon leicht wärmende Sonne, welche die kühle Morgenfrische durchdringt und bewirkt, dass ich an Familienurlaube in Dänemark denken muss. Denn dort im Nachbarland bin ich auch recht zeitig aufgestanden, genoss den frühen Tag draußen auf der Terrasse inmitten einer Dünenlandschaft.
Helles, unbeschwertes Kinderlachen hörend – eine junge Mutter bringt ihren Sohn zum nahegelegenen Kindergarten -, springe ich gedanklich zurück in die Gegenwart und direkt weiter in die jüngere Vergangenheit. Noch vor einem Jahr bin ich 3 bis 4 Stunden später aufgestanden, Frühstück gegen 12.00 Uhr. Im Moment sind die Zeiten des „Spät-Aufstehens“ vorbei, ob das so bleibt? Ich fühle mich lebendiger, mehr zur arbeitenden Bevölkerung dazugehörend. Obwohl es ja eigentlich nur ein „1-Euro-Job“ ist.
Noch wenige Meter bis zum Sebaldsbrücker Bahnhof, gegenüberliegend die Villa Wisch, mein schöner Arbeitsweg neigt sich dem Ende entgegen.
Mein Fahrrad abschließend habe ich plötzlich folgenden Gedankenblitz: Ja sicher, der Arbeitsweg ist wunderbar, aber eigentlich ist es nicht der Weg, der mich unbeschwerter zu diesem Arbeitsplatz fahren lässt, sondern der Arbeitsplatz selbst, denn es warten dort nette Kollegen und einfühlsame Vorgesetzte und eine Arbeit, die mir Spaß macht und meine Stärken fördert. Dafür möchte ich dem ASB danken.