Autor:in: Mariana Volz

Telefonseelsorge bei Suizidgedanken – da muss sich etwas ändern!

2 Kommentare

Ein persönlicher Erfahrungsbericht aus einer Krise, wie sie jeden treffen kann – egal, ob psychisch krank oder nicht. Und ein Hinweis auf einen Missstand, der behoben werden müsste.

Es ist Mittwoch Nacht 1:00 Uhr. Ich habe gerade erfahren dass mein Freund, jetzt Ex-Freund, mich über ein halbes Jahr betrogen hat. Es tut entsetzlich weh. Ich kann es kaum aushalten. Die Gedanken rasen… ich fühle mich ganz alleine auf der Welt. Ich muss reden. Denn ich merke, wie ich beginne durchzudrehen. Die dunklen Gedanken stehen wie schwarze Gestalten vor meiner Tür. Ich höre sie klopfen. “Du willst nicht mehr” “Du kannst nicht mehr” “Du hast niemanden auf der Welt” “Keiner liebt dich” mein Adrenalin steigt. Ich hab das Gefühl irgendwas tun zu müssen. Aber was soll ich tun?
Ich habe Angst. Ich kenne mich. Suizidgedanken begleiten mein Leben immer wieder. Noch sind sie nicht drängend, aber ich habe Angst dass sie es werden. Ich muss mit jemandem reden!
Aber mit wem?
Das Sorgentelefon fällt mir ein. Ja, eine gute Idee. Aber kann ich da wirklich anrufen? Ist es nicht lächerlich? So viele Menschen werden betrogen… Da muss man doch alleine mit klar kommen. Man kann doch nicht gleich immer so überreagieren. Man muss sich mal zusammen reißen!
Außerdem sind es ja noch keine Suizidgedanken. Es ist nur sehr wahrscheinlich, dass welche daraus werden könnten. Aber vielleicht wäre das für die Leute am Telefon ja auch zu viel? Sind ja auch nur ehrenamtliche Mitarbeiter soweit ich weiß.
Egal, ich muss jetzt anrufen. Ich halte es nicht mehr aus!
Es klingelt. Eine Bandansage. Bestimmt eine Warteschlange. Ok dann warte ich eben. Hauptsache jemand spricht gleich mit mir.
Hä? Alle Leitungen sind besetzt. Das Telefonat wird sofort beendet mit der Info das man es später nochmal versuchen soll.
Mist. Scheiße. Was mach‘ ich jetzt? Ich bin ganz alleine auf der Welt.
Ich rufe nochmal an. Wieder die Bandansage. Ich rufe die zweite Nummer an. Das gleiche.
Ich google nach anderen Nummern. Irgendwas Merkwürdiges wo ich nicht herausfinden kann, ob das was kostet. Egal ich bin verzweifelt, ich rufe da an…. Die Nummer gibt es nicht.
Hilfe was mach ich bloß?
Noch mehr Seelsorgen Einträge bei Google. Seelsorge Hagen… Ich wohne nicht in Hagen, darf ich da trotzdem anrufen? Egal ich brauche Hilfe.
Oh es ist die gleiche Telefonnummer wie überall in Deutschland.
Ich versuche es wieder. Bandansage. Verdammt. Ich brauche Hilfe!
Es hilft nichts, ich versuche nachts um 2:30uhr meine Schwester in ihrem Urlaub anzurufen. Ich hab Glück, sie geht ans Telefon. Ich schluchze und heule. Ich bin so froh dass sie da ist. Es tut mir so leid ihren Urlaub zu stören. Ich fühle mich erbärmlich, dass ich mein Leben immer noch nicht alleine auf die Reihe bekomme. Sie bleibt geduldig bis 4 Uhr morgens am Telefon. Während ich vor weinen kaum Luft bekomme.
Was machen alle die Leute, die wirklich gar niemanden haben? Wie fühlen sich Menschen die ganz drängende Suizid Gedanken haben und dann an diese Bandansage geraten?
Ich habe auch schon Menschen an die Telefonseelsorge verwiesen ohne zu wissen dass es so schwer ist, dort jemanden zu erreichen. Auf unserer Webseite vom psychNAVi steht als Krisenhilfe bei Suizidgedanken auch die Nummer der Telefonseelsorge. Bei dem Gedanken wird mir übel. In den nächsten Tagen habe ich immer wieder Krisenmomente. Und egal ob Samstagvormittag, Sonntagabend oder Montagvormittag. Immer wieder diese Bandansage. Nicht einmal habe ich jemanden ans Telefon bekommen.
Ich schaue immer wieder im Internet nach Hilfen. Alle Seiten scheinen bedenkenlos auf die Telefonseelsorge zu verweisen. Ich habe mir ein Buch als Begleiter für die Trennung gekauft. Eine Schritt für Schritt Anleitung. Dort wird das Thema Suizidgedanken bei Trennungen angesprochen und natürlich wird am Ende auch auf die Telefonseelsorge verwiesen. Ich habe die Telefonseelsorge angeschrieben. Das Problem geschildert. Die Antwort war, dass sie sich der Problematik durchaus bewusst sind aber leider nichts dran zu ändern ist.
Ich habe das Gefühl, alle verweisen blind auf eine Organisation und denken: da kann geholfen werden. Problem gelöst. Aber so einfach ist es nicht. Die Kapazitäten der Telefonseelsorge reichen nicht aus. Wir haben kein gutes, verlässliches Angebot für Menschen die mit Suizidgedanken kämpfen. Es muss sich etwas ändern, aber ich weiß nicht wie.
Für alle die, die Ähnliches durchmachen. Mir hat es ein bisschen geholfen, einfach im Internet zu chatten. Das war besser als gar nichts zu tun. Fremden Leuten mein Leid klagen und es einfach herauslassen half ein bisschen. Aber alle, die schon Mal auf Chatportalen unterwegs waren, wissen wahrscheinlich, mit was man da auch konfrontiert werden kann. Dafür braucht man eine gewisse Stärke.
Ich habe noch eine App gefunden, leider nur auf Englisch, die ich empfehlen möchte. Wenn es die auf Deutsch gäbe, und staatlich finanziert denke ich sogar dass es vielleicht eine bessere Lösung wäre als die Telefonseelsorge.

Ich wünsche mir für die Zukunft eine bessere Krisenversorgung. Ich werde weiter schauen, wo ich auf dieses Problem hinweisen kann, damit sich etwas ändert. Unsere Gesellschaft verändert sich. Familien werden immer kleiner oder es kommt gar nicht erst dazu, dass man eine Familie gründen kann. Es gibt immer mehr Menschen, die sich einsam fühlen und auch immer mehr, die wirklich alleine sind. Viele schämen sich sogar dafür, dass sie einsam und alleine sind. Aber nicht jeder Mensch hat das Glück, ein großes, stabiles soziales Netz um sich herum zu haben. Manchmal braucht man Hilfe von außen. Aber diese Hilfe muss auch funktionieren!

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2 Gedanken zu „Telefonseelsorge bei Suizidgedanken – da muss sich etwas ändern!

  1. Hallo!
    Mir ist es leider auch so ergangen!
    Ich war sehr verzweifelt und hatte Suizidgedanken und habe nie jemanden bei der Telefonseelsorge erreichen können.Traurig!
    Deune Schilderung ist dramatisch!
    Da solkte man das Ministerium für soziales und Gesundheit drauf aufmerksam machen,z.B.mit dem vin dir beschriebenen englichen Hilfsangebot!Denn anscheinend gibt es bei der Seelsorge am Telefon zu wenig Ehrenamtliche bei zunehmendem Bedarf!Suizidprävention drauf aufmerksam machen!Danke für deinen Beitrag!

  2. Hallo,
    ich werde jetzt versuchen, die richtigen Worte zu finden.
    Ich habe chronische paranoide Schizophrenie. Nach meiner Psychose hatte ich Erschöpfungsdepressionen. Dreimal habe ich versucht, mir das Leben zu nehmen. Und es hätte auch geklappt, wenn man mich nicht gefunden hätte.
    Die Seele war jenseits von schwarz. Dunkler als dunkel. Und ich war innerlich tot. Es war zu 100% klar, dass es keine Hilfe mehr für mich gibt. Ein lebender Toter.
    Im Jahr 2019 haben sich im Durchschnitt pro Tag 25 Menschen das Leben genommen. Bevorzugte Art ist Erhängen und Ersticken.
    Die Telefonseelsorge bietet außer Telefon noch den Live-Chat, den E-Mail Kontakt wenn man etwas mehr Zeit braucht, und auch vor Ort Treffen an, falls es möglich ist.
    https://www.telefonseelsorge.de/
    Wenn man auch das Vertauen in Angehörige, Freunde und sich Selbst verloren hat, dann schreit um Hilfe, nervt Jeden und fragt Psychiater und Psychologen nach Notfall-Terminen.
    Aber falls sich eine Person wircklich entscheidet, sich das Leben zu nehmen, werde ich das niemals verurteilen. Dieser Gott mutet uns Menschen unmenschliches zu. Das können wir nicht leisten.
    Mir hilft das Aufschreiben meiner Gedanken.
    Mir ist in meinem Leben eines klar geworden, die Auferstehungsgeschichte stimmt. Nach vielen harten Jahren kam meine Seele wieder zum Leben.
    Hier noch mein Text den ich dazu geschrieben habe. Leider weiß ich nicht, ob ich jetzt alles verschlimmert hab.

    (Das angesprochene Gedicht wird in der nächsten Redaktionssitzung besprochen und ggfls. online veröffentlicht. Für Texte die Sie bei uns einreichen möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an redaktion@zwielicht-bremen.de. Anm. d. Red.)

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