Körper bedeutet nicht nur, dick oder dünn, groß oder klein zu sein, lange oder kurze Arme, krumme oder gerade Füße zu haben und Vieles mehr, was sich noch auf das Äußere des Körpers bezieht. Zum Körper gehört auch der Körpergeruch, und damit spreche ich ein hochsensibles Thema an, was nicht nur mich, sondern auch viele andere Menschen betrifft; vor allem dann, wenn der Körper einen unangenehmen Geruch aussendet. Und damit habe ich so meine Probleme. Es ist deswegen ein Tabuthema, weil niemand gerne darüber spricht und weil es ein sehr intimer Bereich ist. Viele verstecken sich dahinter. Und doch ist es etwas, was Mann oder Frau nicht verbergen kann. Doch, ich möchte darüber sprechen, weil ich eine Botschaft aussenden möchte.
Mir wurde aus meinem sozialen Umfeld schon oft rückgemeldet, dass ich einen unangenehmen Körpergeruch habe, zum Beispiel extrem nach Schweiß rieche. Das hat mich sehr tief getroffen und bedrückt. Ich wollte mich – wie in vielen Situationen – aufgeben oder zurückziehen. Ich weiß, ich habe ein Problem mit meiner Körperhygiene. Ich schaffe es oft nicht, mich morgens, nach dem Aufstehen, zu duschen oder zu waschen; es gelingt mir einfach nicht. Ich habe keine Motivation oder Kraft dazu. Es ist mir schlichtweg zu anstrengend. Das mag an meiner schweren Depression liegen, mit der ich zu kämpfen habe; ich habe keinen Antrieb, gewisse Dinge zu verrichten. Dazu gehört eben auch die Körperhygiene, die eigentlich zum alltäglichen Leben dazugehört. Hingegen mache ich andere Dinge mit links. Und es ist erwiesen, dass depressive Menschen unter anderem Probleme bei der Körperhygiene aufweisen. Das bestätigt zum einen Prof. Dr. Uwe Gonther, Ärztlicher Direktor der AMEOS-Klinik in Bremen: “Das Sich-selbst-vernachlässigen taucht im Rahmen von Depressionen oft auf. Bei fehlendem Antrieb kann der Aufwand zum Sich-waschen, Rasieren, Finger/Fußnägel-schneiden, Frisieren in depressiven Phasen nicht oder nur unzureichend erbracht werden. Auch entsteht eine Abwärtsspirale aus Selbstabwertung, Schuldgefühlen, Vernachlässigung, negativen Reaktionen der Mitmenschen, wiederum Selbstabwertung. Das ist ein typischer Teufelskreis.”
Auch der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Bremen-Ost, Dr. Martin Lison, kennt solche Vernachlässigungserscheinungen: “Es ist gerade bei schweren Depressionen typisch, dass Menschen sich vernachlässigen. Der Verlust einer äußeren Tagesstruktur verstärkt die mangelnde Körperhygiene. Hinzu kommt noch das Gefühl von allgemeiner Gleichgültigkeit, das heißt, depressiven Menschen ist es egal. Wenn man nur noch depressiv ist, ist man mit sich selbst beschäftigt und äußere Dinge treten in den Hintergrund.” So kümmern sich depressive Menschen dann nicht mehr um Alltagsdinge. Aber Vernachlässigung von Körperhygiene trete nicht nur bei depressiven Menschen auf, so Lison. “Auch Menschen mit psychotischen oder bipolaren Störungen vernachlässigen ihre Körperhygiene.” Und insgesamt beobachtet Lison, dass die Vernachlässigung von Körperhygiene häufiger bei Männern auftritt als bei Frauen. Wenn diese Erscheinungstendenz bei Frauen auftrete, seien sie oft sehr schwer krank. Bei Männern trete das Problem sehr viel früher auf. Um aus diesem Teufelskreis wieder herauszukommen, empfiehlt Lison, sich eine Tagesstruktur zu schaffen.
Doch nicht bei allen depressiven Menschen treten Vernachlässigungstendenzen bei der Körperhygiene auf. „Es hängt immer von individuellen Konstellationen und Persönlichkeit und der Schwere der Erkrankung ab“, stellt Prof. Dr. Ulrich Voderholzer, Ärztlicher Direktor/Chefarzt der Schön-Klinik Roseneck fest. Schwer depressive Menschen lägen oft im Bett und pflegten sich gar nicht mehr. „Eine Besserung einer Depression erkennt man oft daran, dass die depressiv Erkrankten sich äußerlich wieder mehr pflegen“, so Voderholzer.
Ich habe lange überlegt, ob ich über mein Problem schreibe, weil ich mich vielleicht zum Außenseiter machen könnte oder alleine dastehe. Doch es ist mir ein wichtiges Anliegen, denn ich glaube, dass ich nicht alleine dastehe, nach dem, was die Experten berichten. Tatsache ist, dass ich oft durch meine mangelnde Körperhygiene ins Abseits gerate. Ich vernachlässige meinen Körper, und mir ist er nicht so wichtig. Andere Dinge hingegen wie schön gekleidet zu sein oder rasiert zu sein, sind mir schon wichtig. Darauf lege ich auch sehr viel Wert. Ich schaffe es, jeden Morgen, mich zu rasieren oder mich mit frischen Klamotten einzukleiden. Das gelingt mir komischerweise. Und ich weiß, dass es total wichtig ist, bevor ich meinen Tag beginne, anfange zu arbeiten, mich mit Freunden in der Freizeit zu treffen und vieles andere mehr, mich zu pflegen. Manchmal hasse ich mich dafür, dass ich es nicht schaffe oder keinen Antrieb habe. Mir ist auch bewusst, dass ich mit meinem unangenehmen Körpergeruch mein Umfeld vergraule, ob bei der Arbeit oder bei Freunden. Doch es ist ein innerlicher Kampf, weil ich meinen Körper nicht genug schätze. Und dennoch habe ich mir Hilfe geholt und mich jemandem anvertraut. Jetzt kommt eine Mitarbeiterin des Pflegediensts, die mir eh meine Tabletten bringt und mich motiviert, morgens zu duschen. Und das tue ich dann auch. So fällt es mir leichter, meinen Körper zu pflegen, und ich fühle mich viel wohler mit meinem Körper.