Autor:in: Dirk Wahlers

Winternacht war nicht

Eine Fahrt durch eine knisternd kalte Winternacht in einem offenen Schlitten  gezogen von Rentieren. Das wäre es. Aber wo sollte er Rentiere herbekommen? Wurden überhaupt irgendwo Schlitten von Rentieren gezogen? Außer im Fernsehen, wenn der mollige Weihnachtsmann mit einem Sack voller Geschenke drohend die Rute schwingend zu klingelnder Glöckchenmusik durch die …Landschaft bretterte und lachend hohohote. Das wäre bestimmt kein schlechter Arbeitsplatz… Zumindest wenn man lange wollene Unterhosen und warme Socken trüge. Eine Nacht ausliefern und sich den Rest des Jahres von irgendwelchen Elfen den Mors hinterher tragen zu lassen…

Andererseits einen Parkplatz für einen Rentierschlitten zu finden hörte sich nicht so stressfrei an. Die Paketboten könnten ein Lied darüber singen. Und dieses Lied wäre keine Easy-Listening-Version von „Kling Glöckchen“ von einer Baritonstimme samtig vorgetragen, sondern eher eine ärgerlich dissonante Freejazz-Version von Zwölftonmusik, vorgetragen von einer ungeübten Schülerband, die sich dem Grindcore verschrieben hatte. Er konnte sich vorstellen wie genervt die Paketboten in ihren Transportern waren, die die Straßen verstopften.

Aber er war abgeschweift. Weihnachten war das Thema. Wie sollte er dieses Jahr das Fest der Liebe verbringen? Er war nicht religiös und hatte es sonst auch nicht so mit den Festtagen. Familie hatte er keine, zumindest keinen nennenswerte. Eigentlich konnte ihm Weihnachten egal sein. Er hatte sich das oft eingeredet. Aber das war gelogen. Irgendetwas musste an diesem Heiligen Abend passieren.

Er raffte sich auf und verließ das Haus. Winternacht war nicht. Matschige regennasse Straßen ruinierten seine Schuhe. Nasse Füße und schlammige Spritzer auf den Hosenbeinen. Durch die Fenster sah er die glücklichen Familien. Kinderlachen, Tannenbaum, Bratapfel, blablabla…

Auf dem menschenleeren Marktplatz hörte er auf einmal ein fantastisches Geräusch. Unbeschreibliche Lichter leuchteten auf und ein überirdisches Flimmern durchzuckte die Nacht. Die Sterne verdunkelten sich und ein gigantisches Raumschiff offenbarte sich. Surrend öffnet sich eine Klappe und etwas wurde abgestoßen und fiel auf das harte Katzenkopfpflaster des historischen Marktplatzes. In Sekundenschnelle verschwand das Raumschiff dahin woher es gekommen war. Oder irgendwo anders hin.

Verblüfft und sprachlos stand er auf dem Leeren Platz. Ein leises Wimmern drang an seine Ohren. Er sah, was das Raumschiff fallengelassen hatte. Ein Hundejunges fiepte ihn an. Es sah mager und schmutzig aus. Er nahm es auf den Arm. Es versuchte sein Gesicht zu lecken. Mit dem Babyhund auf dem Arm ging er weiter. Hundefutter kaufen.