Zwanzig Frauen und Männer erzählen von sich, ihren Lebensgeschichten und ihren Psychosen. Und alle gehen der Ausgangsfrage des Herausgebers Hartwig Hansen nach: „Welchen Sinn hat die Psychose in meinen Leben oder welcher Sinn entsteht durch die Psychose in meinem Leben?“ Zu lesen sind zwanzig zum Teil sehr berührende Geschichten von Menschen, die in existentielle Krisen geraten sind.
So verschieden ihre Erlebnisse, Perspektiven und Reflektionen auch sind, einige Aussagen sind sehr häufig zu hören.
So wird die Psychose meist als notwendiger Einschnitt empfunden, dem eigenen Leben eine andere Richtung zu geben. Die Psychose wird hier als Korrektur eines Irrwegs begriffen. Einigen ist es erst durch die Erfahrung in der Psychose gelungen, einen tieferen Zugang zum eigenen Ich oder auch zu Glauben und Spiritualität zu bekommen. Liebe, Gott, Tod, Einsamkeit, häufig geht es in den Psychosen um die existentiellen Fragen des Lebens.
Die Psychose wird meist als eine Art von schmerzlichem Entwicklungsprozess verstanden, als Reaktion auf eine schwierige Lebenssituation. Dabei macht die Art des Erlebens der Psychose für die meisten durchaus Sinn. Manchmal ganz direkt, in dem sich eine innere Wahrheit ihren Weg ganz ungefiltert nach außen bahnt und damit für einen selbst und die Umgebung im ersten Moment kaum integrierbar erscheint. Und manchmal auch in einer verwirrenden Art, die möglicherweise einen jahrelangen Weg der Dechiffrierung braucht.
Für diese Prozesse braucht es in der Regel gute Wegbegleiter, die den Autoren in den Kliniken selten begegnet sind. Im Gegenteil; die Behandlung in Kliniken wird höchstens in kurzen Momenten als hilfreicher Schutz erlebt, meistens eher traumatisierend. Als eine bessere Hilfe werden häufig Menschen empfunden, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und die dadurch ein wirkliches Verständnis des Erlebens einer Psychose besitzen. Einige Autoren sind dann auch diesen Weg gegangen und arbeiten heute als Genesungsbegleiter, Referent, Sozialarbeiter oder Therapeut.
Thematisiert wird ebenfalls die Einnahme von Medikamenten, die den meisten Autoren auch in der Rückschau wenig geholfen hat, manchmal in der Akutsituation. Einige schreiben, erst durch das Absetzen der Medikamente wäre es für sie möglich gewesen, diesen tieferen Zugang zu sich selber und zur eigenen Geschichte zu bekommen.
Hartwig Hansen schreibt im Vorwort davon, dass er auch Absagen für dieses Buchprojekt bekommen hat. Nicht alle wollten oder konnten über ihre Erfahrungen schreiben. Zu tief sitzend, zu schmerzlich, zu persönlich war es für einige. Es wird auch in manchen Erzählungen deutlich, wie vielfältig (und eben auch sehr schwierig und teils tragisch) die Geschichte der eigenen Psychosen sein kann und bilden damit auch ein Gegengewicht zu den letztlich überwiegend (aber nicht nur) positiven Reflektionen der zwanzig Autoren.
Eine von ihnen, Svenja Bunt, schreibt dazu: „Manchmal wirkt eine Psychose heilend und Leben rettend. Ich war tieftraurig, im Innersten verwundet und die Psychose hat mir einen neuen Lebensweg eröffnet. Ich habe eine chronische Erkrankung und doch bin ich gerade durch diese Erkrankung geheilt. Zugleich weiß ich um die anderen Geschichten von psychosekranken Menschen. Da gibt es frühes Scheitern in Schule und Ausbildung, soziale Randexistenzen schon in jungen Jahren. Da sind Drogen und immer neue Kontakte mit Polizei und Krankenhäusern. Auch Aufenthalte in der Forensik. Und es gibt sogar zahlreiche Selbstmorde aus Verzweiflung.“