Wer sich intensiv mit psychischen Themen beschäftigt, tut dies meist mit einem gewissen Fokus auf die Dinge, die nicht so ganz richtig laufen, bei einem selbst oder mit dem psychiatrischen System. Über Zeit mag man Gefahr laufen, die schönen Dinge im Leben nur noch im Augenwinkel zu haben, anstatt voll im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Doch so nicht mit uns! Die Zwielicht-Redaktion saß zusammen und dachte darüber nach, was wir denn so tun, um uns das Leben schöner zu machen. Nicht nur, um uns selber auf die Sonnenseiten des Lebens zu fokussieren, sondern auch, um unseren Lesern Anregungen zu bieten, wie sie sich etwas Gutes tun können.
Haben Sie selber Rituale oder kleine Dinge, mit denen Sie ihren Alltag versüßen? Interessiert daran, sich mitzuteilen und andere zu inspirieren? Senden Sie uns doch eine Mail an redaktion@zwielicht-bremen.de mit dem Betreff: „Was tut mir guttut“. Wir veröffentlichen Ihren Beitrag in der kommenden Ausgabe und/oder auf unserer Webseite. Gerne auch anonym oder mit Pseudonym, wie Sie es möchten.
Es tut mir gut, mein Zuhause so zu gestalten und zu pflegen, dass ich mich dort wohlfühle. Das bedeutet nicht, dass alles perfekt sein muss, alles schön gestaltet und dass nicht noch unausgepackte Umzugskartons herumstehen können. Es muss nicht alles supersauber sein, aber eben auch nicht dreckig. Und in der Gestaltung ist vor allem wichtig, dass ich mich in meiner Persönlichkeit dort ausdrücke und nicht versuche, irgendwelchen ästhetischen Normen zu entsprechen.
Das „schöne“ Zuhause hilft aber auch nicht viel, wenn ich dort die ganze Zeit fernsehe. Das habe ich viel getan, wenn ich unruhig, einsam war und mich traurig gefühlt habe. Der Fernseher betäubt diese Gefühle – aber tut mir das gut? Manchmal hilft es… ein wenig. Aber so wirklich nicht. Viel besser ist es, wenn ich auf dem Sofa sitze, in Stille sein kann oder Musik höre und die Hände auf Brust und Bauch lege. Das beruhigt mich manchmal auch in der Tiefe. Es ist so eine Art selbstentwickelte Meditation, eine „softe“ Art. Gelegentlich meditiere ich auch „richtig“. Das ist (meistens) intensiver, bringt auch mehr, ist aber oft mit einer Anstrengung verbunden und ich schaffe höchstens eine halbe Stunde. Meine Sofameditation kann ich hingegen ein bis zwei Stunden machen.
Was dabei hilfreich war und ist: Ich habe keinen Fernseher mehr. Die ständige Verführung ist nicht mehr da. Das befreit (genauso wie es gut ist, wenig Süßigkeiten zu Hause zu haben). Und über den Laptop kann ich ja zum Teil auch etwas fernsehen, wenn ich möchte. Das ist dann aber eingeschränkt, somit dosiert und fühlt sich besser an.
Jeden Montag gehe ich ins Kino. Ich vertraue den Kinobetreibern, dass sie ein sehenswertes Programm zusammenstellen. Meistens klappt das auch ganz gut. Hinterher unterhalte ich mich mit einem Freund, der mich begleitet, über den Film und was sonst noch so anliegt.
Kino ist mehr als Fernsehen oder sich Filme auf dem Rechner anzusehen: das Sitzen im dunklen Raum vor der Leinwand, die überlebensgroßen Projektionen, der umgreifende Sound, das gemeinsame Erleben.
Das Licht geht aus. Das Gerede um uns herum beginnt langsam zu verstummen. Der Film knistert und flackert, als wäre er 100 Jahre alt. Das ist er gar nicht. Der Regisseur hat das Material für sieben Jahre in seinem Garten vergraben, um es altern zu lassen. Da kann man drüber diskutieren. Das kann man aber auch sein lassen. Das Geknatter kann auch ziemlich nerven. Ich mag das. Der Hauptdarsteller strolcht mit zwei Gestalten mit Pferdeköpfen aus Pappmaché durch die Dschungel Patagoniens. Einwandfreies Kino.
Nach zwei Stunden ist der Film rum und das Raumlicht erleuchtet den Saal. Wir bleiben immer bis zum Schluss sitzen.
Menschen mögen Rituale. Das ist eines von meinen. Das tut mir gut.
Wenn mein Gedankenkarussell sich wieder anfängt zu drehen und ich bin angespannt, dann tut es mir gut, Ablenkung zu suchen. Diese kann in der Form bestehen, in die Bremer Tagesstätten zu gehen, dort eine Tasse Kaffee oder einen Kakao zu trinken, etwas zu essen oder mich mit anderen Besuchern zu unterhalten. Ich muss rausgehen und etwas unternehmen, ich muss aktiv sein. Ich brauche einen Ort, an dem ich mich wohlfühlen kann.
Zudem tut es mir gut, das Gespräch mit einer Vertrauensperson zu suchen – diese kann meine Wohnbetreuerin, meine Psychotherapeutin oder mein Psychiater sein. Oft hilft es mir auch, mit meinem besten Freund zu telefonieren und mit ihm zu reden. Das Hilfesystem, in dem ich eingebunden bin, tut mir gut. Außerdem tut mir das Frühstück am Samstag mit meinem besten Freund gut. Wir essen gemeinsam, trinken Kaffee und unterhalten uns. Darüber hinaus sitze ich oft am Computer, recherchiere oder schreibe Mails an mir bekannte Personen. Auch Beschäftigung tut mir gut, das lenkt mich ab. Es sind viele Dinge, die mir guttun – ein bestimmtes Rezept kann ich nicht geben.
Was mir guttut ist eine ausbalancierte Ansammlung von verschiedenen Aktivitäten. Diese lassen sich dann noch grob in alleinige und gemeinschaftliche, kurz- und langfristige Maßnahmen unterteilen.
Damit die wohltuende Wirkung voll entfaltet werden kann, bedarf es einer stetigen Ausführung und einem sinnvollen Wechsel von An- und Entspannung.
Zu den allgemeinen langfristigen Tätigkeiten, die ein stabilisierendes Grundgerüst bilden und stimmungsunabhängig sein sollten, zählen z.B. soziale Aktivitäten im Freundes- und Familienkreis, Bewegung draußen und drinnen sowie das dosierte Konsumieren von Medien (Film, Buch und Ton).
Die eher kurzfristigen Belohnungsmaßnahmen wie z.B. spontane Nervennahrungsbesorgung von der Tankstelle, gutes Essen, lümmeln auf der Couch, irgendetwas kaufen, Computer zocken sind situativ und stimmungsabhängig.
Darüber hinaus gibt es noch Mischformen, die sowohl alleine als auch in Gemeinschaft, spontan oder geplant getätigt werden können.
Billard im Club, Darts in der Gasstätte, laufen um den Blockdieker See mit anschließendem Sprung ins kühle Nass wären solche.
Die Möglichkeit, viele verschieden Optionen zu haben und aus diesen auswählen zu können, um an mir, alleine und mit anderen zu arbeiten und mich zu entwickeln, tut mir gut.
Bewegung: Ich gehe bouldern, spazieren oder mache Yoga.
Sozialer Kontakt: Ich treffe mich mit Menschen, um etwas zu unternehmen und um mich auszutauschen.
Dinge erledigen: Es gibt immer etwas, wozu ich bestimmt keine Lust habe, wie zum Beispiel Papierkram erledigen sowie Termine machen und wahrnehmen. Wenn ich jeden Tag nur eine Sache von meiner Liste streichen kann, ist das völlig ausreichend.
Disziplin: Nachdem ich den größten Teil meines Lebens in ausufernder Disziplinlosigkeit verbracht habe, ist sie mittlerweile zu dem vielleicht wichtigsten Baustein geworden. Motivation kommt und geht, auf sie ist kein Verlass. Disziplin kann ich entwickeln, dann ist sie immer da.
Oft will ich lieber zu Hause bleiben, rumliegen, nichts tun. Ich habe Angst oder bin depressiv. Ich mache die Dinge trotzdem. Weil ich weiß, dass es mir dann besser geht.
Ich gehe zum Friseur, obwohl es mir total unangenehm ist. Ich achte auf Körperpflege, obwohl ich dazu keine Lust habe. Unter der Woche nehme ich immer um Punkt Zehn Uhr meine Tablette und schalte alle Bildschirme aus. So kann ich gut schlafen und bin am nächsten Tag ausgeruht.
Nachsichtigkeit: Ich vergebe mir und anderen meine Fehler. Ich strebe nach Verbesserung, aber nicht mit Gewalt, sondern mit sanfter Beharrlichkeit. Ich vertraue darauf, dass das Universum mir gibt, was ich brauche, solange ich mich nur bemühe, meinen kleinen Teil beizutragen, zum großen Ganzen.
Zeit lassen für:
- „warten“ (bei Abmachung) → pünktlich sein
- selbständiges Handeln
- sich pflegen
- fantasieren
- dem Anderen gezielt Bestätigung geben
- mich (mit anderen) an Abmachungen halten
- verbale Angriffe ins Leere laufen zu lassen
- Zeitfenster (bzgl. Woche, bis zum Wochenende zu erschaffen)
- einen Faden (innerlich) wieder aufnehmen
- Strukturierung von Erholungspausen
- mich von meinem Körper beschränken lassen
- meine Hilfe da anbieten, wo ich helfen kann
- mir helfen lassen, wo jemand mir helfen will